Auslandseinsatz:Auf gefährlicher Mission

Axel Hallbauer

Zwei Monate am Stück ist Axel Hallbauer in Goma stationiert, dann geht es für zwei Monate zurück in die Heimat.

(Foto: Judith Raupp)

Diplomat der Lüfte: Axel Hallbauer koordiniert in der Demokratischen Republik Kongo die Flüge für die Vereinten Nationen. Seine Crew holt Kriegsverletzte und Kranke aus Krisenregionen und transportiert Medizin, Ärzte und Sanitäter

Von Judith Raupp

Halt, Kontrolle! Soldaten sitzen vor dem Tor zum Flughafen in Goma und schauen in jedes Auto. Das ist normal in der Provinzhauptstadt im Ostkongo. In der Region marodieren bewaffnete Banden. Sie haben auch schon den Flughafen angegriffen. Vorsicht ist geboten.

Axel Hallbauer, 45, nickt den Soldaten zu. Man kennt sich. Der Mann aus Wackersberg, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, fährt jeden Tag zum Rollfeld. Er koordiniert die Flüge für die Vereinten Nationen (UN). Sie betreiben im Kongo die weltweit größte Blauhelm-Mission. 20 000 Soldaten und zivile Angestellte sollen helfen, dass irgendwann Frieden wird.

Hallbauers Chauffeur will gerade weiterfahren, da kommt ein Sanitäter zum Geländewagen und misst mit einem Infrarot-Thermometer die Körpertemperatur aller Insassen. "Das ist neu, wegen Ebola", stellt Hallbauer fest. Er lächelt. Das tödliche Fieber grassiert seit einigen Wochen in der Provinz Nord Kivu. Aber es macht ihm keine Angst. Schließlich hat er schon 2015 Hilfsflüge in Westafrika organisiert. Damals sind 11 000 Menschen an Ebola gestorben.

Hinter dem Flughafen ragt der Vulkan Nyiragongo empor. In seinem Krater brodelt der weltweit größte Lavasee. "Sieht er nicht toll aus", schwärmt Hallbauer. Der gebürtige Füssener liebt Flugzeuge und den Geruch von Kerosin, aber noch mehr liebt er die Berge. Keine Frage, dass er auf den aktiven Vulkan vor Goma gekraxelt ist. Zu Hause in Bayern besteigt er Gipfel, jagt Rotwild, klettert Wände hinauf oder marschiert auf Skiern über die Alpen. Sport und Natur, das ist seine Welt.

Es darf auch extrem sein. 2010 ist Hallbauer mit dem Motorrad von seinem damaligen Wohnort Edmonton in Kanada zum Kilimandscharo nach Tansania gefahren. Natürlich hat er den höchsten Berg Afrikas gleich bestiegen. Später ist er von Gibraltar nach Marokko geschwommen. 3 Stunden, 50 Minuten für 14 Kilometer durch das Meer. Beide Male hat der studierte Betriebswirt mit dem Sport Geld gesammelt für Waisenkinder und Kriegsversehrte in Afrika.

Hallbauer erzählt gern, protzt aber nicht. Er weiß, dass seine Taten für sich sprechen. Seine Jobs in Krisengebieten nennt er "die logische Konsequenz meines Charakters". Als er 2012 seiner Mutter eröffnete, er habe bei der kanadischen Fluggesellschaft Voyageur Airways angeheuert, habe sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt, erzählt er. Voyageur fliegt in vielen unruhigen Ländern für die UN. Die Firma bringt Soldaten in den Busch, transportiert Medizin, Ärzte, Sanitäter. Sie holt Kriegsverletzte und Kranke aus Krisengebieten.

Letztens ließ Hallbauer seine Crew üben, wie sie Ebola-Patienten transportieren muss. Die Epidemie ist in einem Dorf 300 Kilometer nördlich von Goma ausgebrochen. Möglich, dass Patienten ins Krankenhaus in die Stadt gebracht werden müssen. Das ist nicht einfach. In der Bombardier Dash 8 ist es eng. Die Spezialliege wiegt 60 Kilo ohne Patient. Sie ist viren-dicht mit einem Deckel verschlossen. Wehe, die Träger ließen sie fallen, das Ebola-Virus könnte dann entweichen.

Klar, Familie und Freunde machen sich manchmal Sorgen um Hallbauer. Aber der Manager findet, Goma sei nur bedingt gefährlich. Gewaltbereite Diebe brechen eher bei besser gestellten Einheimischen ein, nicht in den Häusern mit Wachdienst, in denen die Entwicklungshelfer und UN-Mitarbeiter wohnen. Die Menschen draußen im riesigen Tropenwald müssen dagegen auf der Hut sein. Dort morden, plündern und vergewaltigen Milizen seit Jahrzehnten. Auch die UN vermochten den Albtraum bisher nicht zu stoppen.

Dennoch sind UN-Mitarbeiter in Gefahr. Im Dezember hat eine Miliz ein UN-Lager überfallen. 14 Blauhelme und fünf kongolesische Soldaten wurden getötet. Hallbauers Crew flog die Leichen nach Goma. Er schaute in die Gesichter der Toten und dachte: "Gestern haben die vielleicht noch Karten gespielt", sagt er. Dann hat er den Schauder schnell in seinem Inneren vergraben.

Solche Schreckensnachrichten gelangen bisweilen in die westlichen Medien. Auch deswegen fällt es Hallbauer schwer, wenn er sich von seiner Frau verabschieden muss. Er arbeitet zwei Monate in Goma. Anschließend ist er zwei Monate auf Urlaub zu Hause. Aber auch dann hat das Paar wenig Zeit füreinander. Seine Frau leitet die Marketingabteilung eines Outdoor-Ausrüsters. Die Tage im Büro sind lang.

Irgendwann wollen die beiden mehr Privatleben haben, ihre Liebe für die Natur miteinander teilen. Deshalb hofft Hallbauer, dass er später eine seiner Leidenschaften zum Geschäft machen kann: Berge fotografieren.

Vorläufig aber verlangt ihm sein Job in Goma alles ab. Hallbauer ist ein Diplomat der Lüfte. Er verhandelt mit den UN die Flugpläne für Goma und für die 100 Kilometer südlich gelegene Stadt Bukavu. Anschließend muss er sie den Piloten, Flugbegleiterinnen und Mechanikern schmackhaft machen. Manche der elf westlichen Mitarbeiter grummeln, wenn Ort und Zeit der Flüge abrupt geändert werden. Hallbauer muss dann Gemüter beruhigen. Die 14 einheimischen Mitarbeiter sind williger. Das ist eine Frage der Marktmacht. Die Fahrer, Putzkräfte, Übersetzer und Assistenten sind froh um ihre Arbeit. Im Ostkongo herrscht Massenarbeitslosigkeit.

Wenn Hallbauer zum Flughafen fährt, kommt er durch das Viertel Birere. Dort wuseln Frauen in bunten Kleidern, Männer mit Schweiß auf der Stirn schieben Zementsäcke auf Holzfahrrädern. Marktfrauen bieten Bohnen und Reis feil. Durchs Autofenster erhascht der Bayer einen Blick in das Leben der Kongolesen. "Ich bekomme viel zu wenig mit", bedauert er.

Seine Crew und er wohnen in einem großen Haus mit Swimmingpool und Fitnessstudio, Strom und Wasser inklusive. Hallbauer kann im UN-eigenen Supermarkt Erdinger Weißbier kaufen und mit Kollegen in den Restaurants am Kivusee essen. In die Hütten ohne Strom und Wasser kommt er nicht. Aber er denkt oft an die Menschen dort. Sie sind froh, wenn sie ihre Kinder mit Maisbrei satt bekommen.

Hallbauer ist seinen einheimischen Kollegen dankbar. Nicht nur, weil sie Behördenwillkür und Korruption parieren. Sie lehren ihn auch, dass "wir uns nicht über jede Kleinigkeit aufregen sollten". Er sagt, "Goma erdet mich".

Manchmal allerdings ist Hallbauer ganz Bayer. Er nimmt kiloweise Käse aus seiner Heimat mit in den Kongo. Geht der aus, hört man ihn granteln.

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