Ausgerechnet an der Hackerbrücke:München suchen und finden

Der Weltkonzern Google macht aus seinem neuen Domizil eine Wohlfühloase - und zeigt, dass er sich an der Isar angekommen fühlt: Der Konferenzraum heißt "Marienplatz", das eigene Bier "gBräu"

Von Helmut Martin-Jung

Ein paar Daten zum Datenkonzern vielleicht zum Anfang. Für die gut 400 Mitarbeiter in Googles neuem Münchner Büro gibt es zwei eigene Restaurants, in denen dreimal täglich frisch zubereitete Mahlzeiten serviert werden. Kostenlos. Es gibt eine Kaffeebar, die so aussieht wie eine Filiale einer sehr bekannten Kaffeekette. Es gibt ein Musikzimmer mit Gitarren und Keyboards, ein riesiges Fitnessstudio mit einem eigens angestellten Trainer. Alles kostenlos. Und es gibt frisch gepressten Orangensaft. 2,5 Tonnen der Südfrüchte werden jeden Monat hier verarbeitet.

Man merkt es Wieland Holfelder an, dass es ihm Spaß macht, Besucher durch das Bürogebäude an der Erika-Mann-Straße zu führen, das direkt an den Bahngleisen zwischen Hackerbrücke und Donnersbergerbrücke liegt. Holfelder, 50, hat vor seinem Leben als Googler unter anderem für Daimler-Benz im Silicon Valley gearbeitet. Nun ist er Entwicklungschef in Deutschland und oberster Manager der Münchner Dependance.

"Die Bilder hier sind aus echten Pflanzen", sagt er, als er einen Raum zeigt, der dazu gedacht ist, zur Ruhe zu kommen. Ein großes Kunstwerk aus natürlichen Materialien füllt die Mitte des Raumes, drumherum sind bequeme Sitzmöglichkeiten angeordnet.

Ein Bürogebäude? Es ist eher eine Wohlfühloase mit angeschlossenen Arbeitsplätzen. Die Entwickler arbeiten zwar in Großräumen. Aber die können sie nach eigenem Gusto gestalten. Wer es chaotisch liebt, hat eben ein Chaos an seinem Tisch. Und der Hund darf mit, wird im Falle eines Zwergschnauzers sogar zum Intranet-Phänomen. Ist der Computer mal kaputt, fehlt ein Kabel, ein Netzteil? Dann geht man rüber zum Tech Stop. Kabel, Computer-Mäuse und so weiter liegen dort in Boxen bereit, einmal seinen Ausweis einscannen, mitnehmen, fertig. "Das ist eine Sache des Vertrauens", sagt Holfelder. Und der freundliche Betreuer repariert auch gleich den Computer, wenn's der mal nicht mehr tut. Schnell, unbürokratisch.

An der Gestaltung der insgesamt 11 000 Quadratmeter Bürofläche, die am Freitag offiziell eingeweiht wurde, haben verschiedene Innenarchitekten mitgearbeitet. Geld war dabei ganz offenbar kein limitierender Faktor, dafür aber der Bezug zum Standort eine klare Vorgabe. Nach zehn Jahren in München wollte Google zum Ausdruck bringen, dass die Firma hier tatsächlich auch angekommen sei, sagt Holfelder.

Einer der vielen Konferenzräume heißt deshalb nicht bloß "Marienplatz", er sieht auch so aus wie die MVV-Station im Zentrum, knallorange gemalte Fliesen, blaue Schilder. Gleich daneben ist übrigens der Konferenzraum "Stammstrecke", andere heißen "Skifoan" oder "Candidplatz".

Der große Versammlungsraum im Erdgeschoss aber hat einen typischen Google-Namen, 10x, gesprochen ten ex. Der Name ist eine Mahnung, die an ein Diktum des Firmenchefs Larry Page erinnert: nämlich immer daran zu denken, nur Themen zu verfolgen, die ein Wachstum jenseits der von der alten Industrie gewohnten Entwicklungen versprechen, ein Turbowachstum. So wie eben auch aus einem Studentenprojekt ein Weltkonzern geworden ist, viele würden sogar sagen: der Weltkonzern.

Erfolg macht sexy, viele wollen daher zu Google. Doch der Weg dorthin ist lang. Und besonders. "Das ist ein sehr demokratischer Prozess", sagt Entwicklungschef Holfelder. So demokratisch, dass er, der Chef hier in München, kaum mitreden darf. Was ihn nicht stört, im Gegenteil. Nur so, glaubt er, könne die Firma sicherstellen, dass immer nur die Besten ausgesucht würden. Bei Google läuft daher erst einmal alles über ein Einstellungskomitee, das aus Personalexperten in London und Zürich besteht, Googles wichtigsten Standorten in Europa. Sie suchen geeignete Bewerber aus, mit denen sie Telefoninterviews führen. "In einer halben Stunde findet man leicht heraus, ob es sich lohnt, weiterzumachen."

Zahlenspiele

800 Menschen sollen in der Münchner Google-Zentrale einmal arbeiten. Derzeit sind 400 Mitarbeiter auf dem Gelände an der Erika-Mann-Straße beschäftigt - Spöttern gefällt die Nähe zur Hackerbrücke.

2,5 Tonnen Orangen werden bei Google pro Monat verarbeitet. Denn zur Unternehmenskultur gehört es, allen Angestellten frisch gepressten Orangensaft zu verabreichen. Zwei Restaurants servieren dreimal täglich frisch Gekochtes. Natürlich kostenlos.

2 Mal pro Woche kommt eine Masseurin, um die Google-Leute noch geschmeidiger zu machen. Das ist zwar nicht kostenlos, wird aber subventioniert. Gratis kann man dafür ins riesige Fitnessstudio.

Dann stellen sich die Bewerber persönlich bei Google vor und treffen dort auch auf Leute aus ihrem möglichen künftigen Team. "Jeder Googler muss dabei mithelfen", sagt Holfelder, "aber ich als Chef war dabei noch nie involviert." Was kann er/sie, passt der Background, wie ist er/sie als Mensch? Die Informationen daraus fließen zurück ans Komitee, schließlich in die Zentrale nach Mountain View. Wenn von dort ein Ja kommt, haben Holfelder und andere Manager nur noch eine Art Vetorecht. Ähnlich läuft es auch bei Beförderungen.

Und was machen die Google-Mitarbeiter in München eigentlich? Das Münchner Büro ist ein Entwicklungszentrum, das bedeutet: Hier werden bestimmte Themen vorangetrieben, die weltweit zum Einsatz kommen, nicht etwa nur Dinge übersetzt. Die Münchner kümmern sich beispielsweise um die Innereien des sehr erfolgreichen Browsers Chrome. Dass Chrome Seiten sehr schnell aufbauen kann, hat damit zu tun. Fast noch wichtiger ist ein zweites Thema, Datenschutz. Von München aus wird der Dienst Google Dashboard betrieben, mit dieser virtuellen Schalttafel können Google-Nutzer nachsehen, was der Konzern über sie speichert, den Umgang mit Daten steuern und auch bereits gesammelte Daten wieder löschen lassen.

Alle sechs Wochen - also für jedes Update des Chrome-Browsers - schreiben Mitarbeiter des Münchner Büros eine Art Gebrauchsanweisung zum Umgang mit persönlichen Daten. Sicherheitseinstellungen für Kinder, eine Software, die Passwörter sicher verwaltet - all das sind weitere Themen der Münchner Googler.

Jeder, der hier neu anfängt, bekommt einen persönlichen Mentor. Beim gemeinsamen Kochen - es gibt dafür eigens Tische, die sich schnell dafür umbauen lassen - wird das Teambuilding gefördert. Der Hintergrund ist klar: Die Mitarbeiter, die man mit so viel Aufwand ausgesucht hat, will man auch so lange wie möglich behalten. Und arbeiten die gerne hier, werden sie auch gut arbeiten. Gerne auch mal länger. Und wenn's gut gelaufen ist, vielleicht noch ein Feierabendbier. Nicht irgendeines natürlich. Sondern gBräu, ein Münchner Helles, das ein Brauer aus der Stadt exklusiv für Google herstellt. Darunter geht's eben nicht.

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