Süddeutsche Zeitung

Ausgehen unter der Woche:Gemeiner Donnerstag

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Der perfideste Wochentag ist der Donnerstag, denn das ist der Tag des gemeinen Donnerstagsabsturzes. Und gemein meint in diesem Fall nicht gewöhnlich, sondern hundsgemein.

Judith Liere

Jeder Tag der Woche hat eine Bestimmung: Dienstag ist Kinotag, Sonntag ist Pärchentag, Freitag ist Ausgehtag, und Samstag kommt das Sams, zumindest zu Menschen, die jünger als sieben sind und so einen Quatsch noch glauben, oder zu denen, die am Ausgehtag vorher psychedelische Drogen konsumiert haben.

Der perfideste Wochentag aber ist der Donnerstag, denn das ist der Tag des gemeinen Donnerstagsabsturzes. Und gemein meint in diesem Fall nicht gewöhnlich, sondern hundsgemein.

Das Fiese am Donnerstagsabsturz ist, dass man nie weiß, wann er kommt, weil es in seinem Wesen liegt, dass er einen auch nach noch so viel Erfahrung mit ihm nicht klüger werden lässt. Da denkt man noch am späten Donnerstagnachmittag: Ach, gehe ich nach der Arbeit doch noch kurz auf ein Feierabendbier mit zwei lieben Kollegen.

Dann denkt man sehr lange nichts mehr, weil sich das gedächtnisverschlingende schwarze Donnerstagsloch auftut und man sich plötzlich - weiß der Donnerstagsteufel, wie man dort gelandet ist - an Orten wiederfindet, an denen man niemals an einem Werktag landen sollte: unter einem Tisch in der Schwabinger 7 zum Beispiel, wo einem Kerzenwachs auf den Kopf tropft, oder im Pimpernel, wo einem andere Menschen beim Rausgehen auf die Hand treten.

Doch das ist noch nicht das Schlimmste am Donnerstagsabsturz, viel schlimmer ist, dass am nächsten Tag der Freitag kommt, der verlogenste aller Wochentage. Denn immer muss man am Freitag arbeiten, auch wenn der Donnerstagsteufel einem am Abend vorher eingeflüstert hat, dass man den Freitag in dieser Woche sicher mal beim Wort nehmen könnte.

Aber nie ist dem so, und so sitzt man dann blass im Büro, mit Mineralwasser und Breze - wegen der Elektrolyte -, schreibt wirre Kolumnen und wartet darauf, dass endlich das Sams kommt und alles wieder gut macht.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2011
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