Architektur:"Da steh ich dann und schau den Nazi an!"

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  • Architekt David Chipperfield hat mit den Mitgliedern des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Landtag seinen Entwurf für das Haus der Kunst diskutiert.
  • Gestritten wurde vor allem um die Idee, die Baumreihe vor dem Gebäude zu entfernen. Die SPD forderte mehr sichtbare Entnazifizierungs-Zeichen an der Fassade.
  • Die veranschlagten Kosten von rund 80 Millionen Euro werden wohl nicht reichen.

Von Susanne Hermanski, München

"Bei diesem Projekt geht es nicht um Bäume. Bei diesem Projekt geht es darum, ein Gebäude zu reparieren und ihm zu helfen, weiter als das zu bestehen, was es ist: ein zentraler Punkt in der Auseinandersetzung dieser Stadt mit ihrer Geschichte." Mit diesen Worten hat David Chipperfield am Mittwoch den Mitgliedern des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Landtag seinen Entwurf "Renovation und Innovation" für das Haus der Kunst erklärt. "Wenn Sie diese Bäume behalten wollen, müssen wir sie in Szene setzen. Wir können ihre Bedeutung keinesfalls unkommentiert lassen."

Auch wenn manche zweifelten, warum die Bäume in den Sechzigerjahren zur Stadt hin gepflanzt worden seien, ob die Absicht damals wirklich gewesen sei, etwas zu verbergen - faktisch passe der Wunsch, mit diesem Gebäude etwas Wichtiges sichtbar zu machen, nicht zu deren Doppeldeutigkeit. Chipperfield hatte die Baumreihe früher bereits den "grünen Vorhang" genannt, der Ausschussvorsitzende Michael Piazolo zitierte sogar den Ausdruck "Trees of Shame", "Bäume der Schande".

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In der Tat war das mögliche Entfernen der Baumreihe vorm Haus der Zankapfel, an dem sich die Ausschussmitglieder nach dem lang ersehnten Sachstandsbericht von Kultusminister Ludwig Spaenle abarbeiteten. Sepp Dürr von den Grünen - und damit Baumschützer qua Parteiprogramm - polterte besonders polemisch: "Für mich ist das eine Instandsetzung dessen, was die Nazis wollten. Da steh ich dann und schau den Nazi an!"

Doch auch am inneren und damit programmatischen Konzept hatte Dürr - mit etwas feinerem Florett - etwas zu bemängeln. Er stößt sich an der neuen Universalbühne, die im Westflügel des Hauses entstehen soll, und die Spaenle zuvor als "Diskursangebot an die Zivilgesellschaft" gelobt hatte. Diese Bühne könne auch für Diskussionen und experimentelle Formate zur Verfügung stehen - allesamt angetan, das Haus der Kunst nicht "nur als Ort für Ausstellungen, sondern der Teilhabe zu nutzen". "Das will doch jetzt jeder, von Lilienthal bis Dercon", hielt Dürr dagegen. "Alle wollen plötzlich multidisziplinär arbeiten. Führt das auf Dauer nicht zu Einheitsbrei?"

Durchweg positiv aufgenommen wurde dagegen Chipperfields Vorschlag, das Museum im Norden an den Englischen Garten anzubinden, und es nicht wie seit Kriegsende durch einen hässlichen Parkplatz vom Park abzuschotten. "Durchlässigkeit und Offenheit" - das seien, ganz im Sinne der Demokratisierung des faschistischen Baus, die zentralen Gedanken seines Konzepts. Diese Offenheit solle von der Stadt durch das Museum mit seiner Kunst hindurch bis in die Natur des Parks reichen. "Denn eigentlich ist das Haus der Kunst wie ein großes britisches Landhaus konzipiert", erklärte Chipperfield. "Auch denen nähert man sich von der Straße, durchschreitet sie, um letztlich mit dem belohnt zu werden, was dahinter liegt: dem Garten."

Die meisten Ideen sind unumstritten

Einen Plan, wie der Parkplatz unter die Erde verlegt werden kann, gibt es bereits. Dass zudem auch Bäume hinter dem Haus gefällt werden müssten, um von der neu bespielten Terrasse aus auch den Park sehen zu können, erweckte keinerlei Diskussionsbedarf. Angetan waren alle Parteien vom Vorhaben des Architekten, abgedeckte Dachfenster zu öffnen, möglichst viel Tageslicht in die Räume fließen zu lassen und so auch die düstere Mittelhalle zu "erhellen".

Ebenso unkritisiert blieben Chipperfields Vorschläge, mehr öffentliche, ohne Eintritt zugängliche Räume wie etwa ein zusätzliches Restaurant zu schaffen und Platz für "Artists in Residence" zur Verfügung zu stellen, denen Besucher bei der Arbeit über die Schulter schauen könnten.

Forderungen wie die von Isabell Zacharias (SPD) nach mehr sichtbaren - verkürzt gesagt - Entnazifizierungs-Zeichen an der Fassade entkräftete der Direktor des Hauses der Kunst, Okwui Enwezor, in seinem Schlusswort. "Was mich an Chipperfields Ansatz begeistert: Er will nicht durch irgendeine oberflächliche Angeberei zeigen, seht her, wir sind jetzt ja so demokratisch und brandmarken das Haus als Nazikunsttempel! Wer darüber nachdenkt weiß, so etwas dient selbst nur der Camouflage."

Was jedoch niemandem bei dieser Ausschusssitzung verborgen blieb, versuchte Kultusminister Ludwig Spaenle möglichst diplomatisch so zu formulieren: "Wir werden über die bisher zur Verfügung stehenden 80 Millionen Euro zur Finanzierung reden müssen." Mit anderen Worten: Die genügen keinesfalls.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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