Auschwitz-Prozess-Ausstellung:"Ich war ja nur ein Befehlsempfänger"

Angeklagte spielten ihre Beteiligung am größten Massenmord der Geschichte herunter, Opfer mussten ihnen in die Augen sehen: den Auschwitz-Prozess dokumentiert nun eine Ausstellung.

Alexander Krug

Wie viele Menschen der Sanitäter und SS-Oberscharführer Josef Klehr in Auschwitz mit einer Phenol-Spritze in den Herzmuskel ermordet hat, wusste er selber nicht mehr. ,,So 250, 300 werden es meinetwegen schon gewesen sein'', antwortete er gereizt auf Nachfragen der Richter. Als Klehr am 29. Januar 1964 diesen Satz aussprach, war der Prozess im Frankfurter Schwurgericht in seinem Anfangsstadium.

Keinerlei Schuldeinsicht

Quälende Monate sollten noch folgen, in denen die 22 Angeklagten keinerlei Schuldeinsicht zeigten und ihre Beteiligung am größten Massenmord der Geschichte bestritten oder herunterspielten. Der erste Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965 war nicht nur der bis dahin größte Strafprozess der jungen Bundesrepublik. Er war auch der erste Versuch einer öffentlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und des Holocausts.

44 Jahre später ist das Verfahren mit dem Aktenzeichen 4Ks2/63 nun als Zeitdokument in München angekommen: Zur Eröffnung der Ausstellung im Justizpalast am Donnerstag würdigte Landgerichts-Präsidentin Constanze Angerer den Auschwitz-Prozess als ,,Meilenstein in der Strafrechtsgeschichte''.

Am 20. Dezember 1963 begann im Frankfurter Schwurgericht der Prozess gegen zunächst 22 Angeklagte, allesamt Mitglieder des Lagerpersonals in Auschwitz. Der Prozess dauerte 20 Monate, 357 Zeugen wurden gehört, 211 davon waren Überlebende des KZ. Nach 183 Verhandlungstagen wurden sechs Angeklagte wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, elf Männer bekamen wegen Beihilfe Haftstrafen zwischen dreieinhalb und 14 Jahren, drei wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zwei Angeklagte waren schon während des Prozesses ausgeschieden.

Maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Prozesses hatte der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Das nach ihm benannte Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt nahm den Prozess Jahrzehnte später zum Anlass, eine Ausstellung zu konzipieren, um den Prozess, seine Hintergründe und seine Folgen zu beleuchten. Als zentrales Dokument dient dabei der 340-stündige-Tonbandmitschnitt des Verfahrens, von dem Teile später transkribiert wurden. Die damaligen Aussagen der Überlebenden stehen auch im Mittelpunkt der Ausstellung im Justizpalast.

Über Lautsprecher können Besucher in sechs Holzkabinen ihren bedrückenden Schilderungen lauschen. Darunter ist auch die Aussage des Zeugen Jan Weis, der miterleben musste, wie sein Vater in der Krankenbaracke von Klehr ,,abgespritzt'' wurde. Klehr habe zu seinem Vater gesagt, er bekomme jetzt eine ,,Spritze gegen Thyphus''. Sekunden später war sein Vater tot.

Den Peinigern ins Auge zu sehen

Erst der Auschwitz-Prozess habe den Opfern wieder eine Stimme gegeben, meinte Bayerns Justizministerin Beate Merck. Die überlebenden Zeugen seien die ,,eigentlichen Helden'' des Prozesses gewesen, denn ,,sie hatten den Mut, ihren Peinigern ins Auge zu sehen''. Den Schrecken der Apokalypse wieder zu durchleben war das eine, das andere war es zu ertragen, von rücksichtslosen Verteidigern bloßgestellt zu werden oder mitanzusehen, wie Polizisten in Sitzungspausen den nicht inhaftierten Angeklagten den militärischen Gruß entboten.

Die Öffentlichkeit war damals auf Seiten der Täter. Einer Umfrage im Oktober 1963 zufolge forderten 54 Prozent der Befragten, endlich einen ,,Schlussstrich'' zu ziehen. Genau diesen ,,Schlussstrich'' dürfe es niemals geben, sagte Merck, ,,wir müssen am Gedenken arbeiten''.

SS-Scharführer Klehr stritt bis zuletzt jede Verantwortung für sein Handeln ab. ,,Ich war ja nur ein Befehlsempfänger'', sagte er in seinem Schlusswort am 12. August 1965. ,,Ich als kleiner Mann war kein Herr über Leben und Tod. Ich hatte keine andere Wahl.'' Sein Urteil: lebenslang.

Die Ausstellung ist bis zum 13. Juli im Lichthof des Justizpalastes (Prielmayerstraße 7) zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 10-18 Uhr, Freitag 10-14 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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