Süddeutsche Zeitung

Ausbildung:Miteinander gegen die Ego-Monster

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Prominenter Führungswechsel an der Hochschule für Fernsehen und Film: Julia von Heinz und Marcus H. Rosenmüller übernehmen die Leitung des Studiengangs "Regie Kino- und Fernsehfilm" erstmals als Doppelspitze

Von Josef Grübl

Momentan geht es ruhig zu in der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF), vor dem Gebäude im Münchner Museumsviertel liegen junge Menschen im Gras. Es sind Semesterferien, doch für das bevorstehende Herbst- und Wintersemester stehen große Veränderungen an: Julia von Heinz und Marcus H. Rosenmüller übernehmen die Leitung des Studiengangs Regie Kino- und Fernsehfilm. Damit gibt es zum ersten Mal eine Doppelspitze in der bekanntesten Abteilung der Hochschule, damit steht auch erstmals eine Frau an deren Spitze. Von Heinz und Rosenmüller sind zwei viel beschäftigte Filmemacher: Sie feierte große Erfolge mit dem Kinofilm "Ich bin dann mal weg" (nach dem Buch von Hape Kerkeling) und dem Fernseh-Biopic "Katharina Luther", gerade eben wurde sie mit ihrem Spielfilm "Und morgen die ganze Welt" in den Wettbewerb des Festivals in Venedig eingeladen. Er wurde mit bayerischen Kinokomödien wie "Wer früher stirbt, ist länger tot" oder "Sommer in Orange" bekannt, sein Dokumentarfilm "Dreiviertelblut - Weltraumtouristen" ist erst vor ein paar Tagen in den Kinos angelaufen.

Die beiden Mittvierziger treten die Nachfolge von Andreas Gruber an, der im Oktober in den Ruhestand geht. Der Österreicher leitete die Abteilung 18 Jahre lang, er führte eine ganze Regie-Generation in den Beruf, einige der Studenten drehen heute große Filme oder Serien. In derselben Zeit machte er auch vereinzelt eigene Filme, zuletzt das Kinodrama "Hannas schlafende Hunde" (2016). Es ist eher unwahrscheinlich, dass das neue Duo ebenso lange im Amt sein wird. Die HFF spricht von einer "Vertretungsprofessur", ihr Vertrag ist auf zwei Jahre befristet, kann danach aber verlängert werden. Das hat nichts mit mangelndem Vertrauen in die Fähigkeiten der beiden Neuen zu tun (die bereits an der Hochschule unterrichteten), sondern mit dem Wunsch, schneller auf den Wandel in der Film- und Medienbranche reagieren zu können. Branchenvertreter wie Constantin-Chef Martin Moszkowicz hatten vor einigen Jahren wiederholt kritisiert, dass die HFF "immer noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen" sei: Man hänge dem Bild des Siebzigerjahre-Autorenfilmers hinterher, es gebe zu wenig Austausch zwischen Hochschule und der Film- und Fernsehbranche. Seit einem Jahr ist Moszkowicz selbst HFF-Professor, er leitet die Abteilung Produktion und Medienwirtschaft.

Die 1966 gegründete Hochschule schmückt sich gerne mit großen Namen, die Liste der prominenten Absolventen ist schier endlos lang, einige der ehemaligen Studierenden kehrten später als Lehrende zurück, unter anderem Doris Dörrie, Ulrich Limmer oder Wim Wenders (als Honorarprofessor). Auch Marcus H. Rosenmüller ist HFF-Absolvent, bei einem Treffen am Rande der Münchner Filmkunstwochen erzählt er: "Auf Lehre hatte ich schon immer Lust, ich mag den Austausch und will den Studierenden helfen, sich und ihre Stimme zu finden." Er unterstütze es auch, wenn sie experimentieren und sich ausprobieren würden, das helfe ungemein - später im Beruf sei das ja kaum noch möglich. Julia von Heinz sieht das ganz ähnlich. Bei einem Telefonat erzählt sie vom großen Konkurrenzdenken in diesem Beruf, das beginne oft schon im Studium, das müsse offen angesprochen werden. Wichtig ist ihr zudem die Vielfalt: "Es gibt immer noch ein starkes Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Filmemachern." Da wolle sie gegensteuern. "Wir möchten auch andere Perspektiven sehen." Es verändert sich gerade viel, selbst in Hollywood führen immer öfter Frauen, Schwarze oder Vertreter ethnischer Minderheiten Regie. Auch sonst stehen die Zeichen auf Veränderung: Galt lange Zeit der Kinofilm als Königsdisziplin, wollen die Studierenden von heute vielseitig sein, für Fernsehen, Kino oder Streaming-Plattformen arbeiten. Die Anforderungen an den Episodenregisseur einer Netflix-Serie (der umsetzt, was Autoren und Showrunner vorgeben) sind andere als an die Regisseurin eines Fernsehfilms oder einer internationalen Kinokoproduktion. "Filmisches Handwerk kann man auch in der Oper oder am Theater brauchen", behauptet Rosenmüller. Interdisziplinäres Arbeiten heißt das Stichwort, auch damit wird sich die neue Doppelspitze beschäftigen.

Die Zeit der Ego-Monster auf den Regiestühlen ist vorbei, man muss sich besser vernetzen, an der Hochschule mit Abteilungen wie Bildgestaltung, Montage oder Creative Writing. Auch so soll der Filmnachwuchs an das Miteinander des Marktes herangeführt werden. Natürlich ist es kein Zufall, dass sich Hochschulleitung und Ministerium für Julia von Heinz und Marcus H. Rosenmüller entschieden haben. Mit diesen Namen kann man sich schmücken; viel wichtiger aber ist, dass die beiden weiterhin Filme machen - und so die akademische und die berufliche Welt verbinden. Deswegen auch die Doppelspitze, anders wäre der Job nicht machbar. "Wir werden uns ergänzen und abwechseln", sagt von Heinz, die für 2021 ein neues Filmprojekt vorbereitet. Ihr neuer Kollege kommt ihr sogar zuvor: Rosenmüller dreht noch diesen Herbst eine Kinokomödie.

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SZ vom 10.08.2020
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