Ausbildung:Lokführer trainieren auf der digitalen Bahnstrecke

Ausbildung: Die Auszubildenden üben mit neuen Simulatoren.

Die Auszubildenden üben mit neuen Simulatoren.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die S-Bahn München sucht ständig neue Triebfahrzeugführer. Ob Anfänger oder Quereinsteiger: Geübt wird mit einer ziemlich realistischen Computersimulation

Von Andreas Schubert

Wenn mal gerade kein Luftballon in der Oberleitung hängt, mal keine Weichen und Signale gestört sind und dazu noch schönes Wetter ist, kann Zugfahren mit der S-Bahn durchaus Spaß machen. Mit 120 Kilometern pro Stunde rauscht die Stadt auf dem Eisenbahnsüdring an einem vorbei, und man bekommt ungewohnte Blicke auf bestimmte markante Gebäude, wie etwa das ADAC-Hochhaus, den Lindwurmhof oder die Braunauer Eisenbahnbrücke. So eine Fahrt fühlt sich ziemlich echt an - beim Selbstversuch im neuen Fahrsimulator der S-Bahn-München.

Denn die Programmierer der Computersimulation haben möglichst viele Details möglichst realistisch für den Simulator im S-Bahn-Werk Steinhausen nachgebaut. Schade nur, dass neben einem der Lokführer-Ausbilder Marc Hildmann steht und immer wieder darauf hinweist, man sei gerade zu schnell unterwegs. "Da vorne kommen Weichen, hier dürfen Sie nur 40 fahren." Spielverderber, denkt man sich da, während man mit der linken Hand den Hebel zum Beschleunigen und Bremsen hin und her bewegt - vor einem ein digitaler Tacho und der Bildschirm, auf dem der Südring zwischen Laim und Ostbahnhof nachgebildet ist.

Das Ganze dient freilich nicht zum Spaß von Journalisten, sondern zur Ausbildung neuer Lokführer. Bis vor Kurzem übten diese auf fiktiven Strecken im Simulator, der im Bahnsprech übrigens "Fahrtrainer-Führerstand" heißt, weil ein Lokführer ja offiziell auch anders heißt, nämlich "Triebfahrzeugführer". Diese können nun auf einer Nachbildung der Stammstrecke und dem Südring üben, bevor sie dann mit echten Zügen fahren dürfen. Da kommt es dann zum Beispiel auch darauf an, in einem Bahnhof richtig anzuhalten und nicht übers Ziel hinauszuschießen, wozu es durchaus Übung braucht. Demnächst kommen noch die Strecken der S 1 und der S 7 dazu, sie werden derzeit noch entwickelt. Die neue Simulation hat rund 200 000 Euro gekostet, etwa die Hälfte davon hat der Freistaat gezahlt.

Die S-Bahn München sucht ständig neue Triebfahrzeugführer. Daniel Fischer absolviert gerade die einjährige Ausbildung für Quereinsteiger und ist bereits im siebten Monat. Ihm passieren bei der Vorführung des Simulators keinerlei Fehler. Schräg hinter ihm verfolgt Ausbilder Rameez Seldmair auf Bildschirmen das Geschehen. Per Mausklick kann er zum Beispiel die Signale steuern, Nebel auf die Strecke zaubern oder einen Alu-Luftballon in die Oberleitung setzen. Dass Ballons im Stammstreckentunnel in der Oberleitung landen und dadurch Kurzschlüsse auslösen, passiert relativ häufig. Jetzt muss Daniel Fischer zeigen, wie er mit so einer Situation umgeht, sofern er einen Ballon noch rechtzeitig entdeckt: Bremsen, Notdienst benachrichtigen, abwarten bis die Kollegen kommen, den Ballon mit einem Blasrohr zum Platzen bringen und entfernen. Währenddessen muss der Lokführer den Fahrgästen per Durchsage mitteilen, warum der Zug gerade steht. Auch das will geübt sein, weshalb das Formulieren verständlicher Ansagen zur Ausbildung gehört. Ein Radiomoderator bringt den angehenden Lokführern die passende Sprache bei, weil das fachliche Eisenbahnerdeutsch, wie Ausbildungsleiter Hildmann einräumt, für Laien zuweilen unverständlich ist.

600 Lokführer arbeiten derzeit bei der S-Bahn München. Und um den Personalbedarf auch in Zukunft zu decken, wirbt die Bahn gezielt Quereinsteiger an. Einerseits gingen in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter in Rente, erklärt S-Bahn-Personalchef Matthias Glaub. Zum anderen stocke man schon jetzt Personal auf in Hinblick auf die zweite Stammstrecke, die in acht Jahren in Betrieb gehen soll. Dann benötige man 40 Prozent mehr Lokführer, sagt Glaub. Etwa zehn Prozent der neuen Kollegen kommen von außerhalb Bayerns, einige werden auch gezielt im Ausland angeworben, etwa in Rumänien oder der Ukraine. Wer als Quereinsteiger bei der Bahn arbeiten will, braucht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung und muss eine medizinisch-psychologische Untersuchung hinter sich bringen. Eine Altersgrenze gibt es laut Glaub nicht. Sofern die Untersuchung positiv verläuft und ein Bewerber oder eine Bewerberin noch alle Sinne beieinander und ein ausreichendes Konzentrationsvermögen hat, kann man sich zum Beispiel auch noch mit Mitte 50 bewerben.

Aktuell verdienen Lokführerinnen und Lokführer je nach Berufserfahrung zwischen 42 000 und 51 000 Euro pro Jahr inklusive Zulagen und Weihnachtsgeld. Azubis bekommen bis zu 1168 Euro im Monat, die Quereinsteiger bekommen in ihrer Ausbildung bereits 2500 Euro monatlich. Der 34-jährige Daniel Fischer hat vorher als Lagerist gearbeitet und von einem Freund gehört, dass die Bahn Quereinsteiger sucht. Er sagt, ihm mache die Ausbildung Spaß. Am Anfang sei es nur ein bisschen ungewohnt gewesen, in den dunklen Tunnel einzufahren.

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