Ausbaupläne für die U9:Münchner Traumstrecken

Busse und Bahnen sind zum Ärger der Passagiere oft überfüllt. Die Stadt denkt deshalb über eine neue U-Bahnstrecke nach. Zudem soll das Trambahnnetz erweitert werden.

Dominik Hutter

In der Münchner Innenstadt könnte erstmals seit den 1980er Jahren wieder eine neue U-Bahnstrecke entstehen. Die rot-grüne Rathauskoalition will den Bau neuer Röhren zwischen Implerstraße, Hauptbahnhof, Pinakotheken und Münchner Freiheit prüfen lassen - das Projekt läuft MVG-intern unter der Bezeichnung U9. Zudem soll das Trambahnnetz erweitert werden, unter anderem durch den Bau der umstrittenen Westtangente in der Fürstenrieder Straße.

Ausbaupläne für die U9: Neue Schienen für München: Die rot-grüne Rathauskoalition will mit einer "ÖPNV-Offensive" den Nahverkehr ausbauen. Geplant sind eine neue U-Bahn- und drei neue Trambahnstrecken.

Neue Schienen für München: Die rot-grüne Rathauskoalition will mit einer "ÖPNV-Offensive" den Nahverkehr ausbauen. Geplant sind eine neue U-Bahn- und drei neue Trambahnstrecken.

(Foto: Foto: SZ-Grafik)

Auslöser der am Freitag vorgestellten "ÖPNV-Offensive" sind neben der Klima- und Schadstoffdebatte die wachsende Bevölkerungszahl im Raum München und die zunehmende Überlastung der bestehenden MVV-Verbindungen. Mit der Idee einer weiteren U-Bahnlinie durch die Innenstadt vollziehen SPD und Grüne eine grundsätzliche Wende in der Verkehrspolitik. Die Debatte um den Metro-Ausbau beschränkte sich in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die Verlängerung bestehender Strecken.

Nach Einschätzung von SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hat die "mitmenschliche Nähe" in den Zügen aber inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass eine Entlastung der zentralen Achsen dringend notwendig erscheint - vor allem bei der U3/U6 zwischen Goetheplatz und Münchner Freiheit sowie der U2 zwischen Kolumbus- und Scheidplatz fühlen sich die Fahrgäste oftmals wie die Sardinen.

Zusätzlicher Wiesn-Stopp

Ob eine vierte U-Bahn-Querung des Stadtzentrums sinnvoll und wirtschaftlich ist, müssen die Untersuchungen ergeben, die Planungen stehen noch ganz am Anfang. Den Überlegungen zufolge soll die neue Strecke an der Implerstraße aus dem bestehendem U3/U6-Tunnel ausgefädelt und unter der Theresienwiese hindurch zum Hauptbahnhof geführt werden. In diesem Bereich existiert bereits eine den meisten Fahrgästen unbekannte Betriebsstrecke, die möglicherweise für die U9 mitgenutzt werden könnte. Denkbar wäre auch ein zusätzlicher Wiesn-Stopp, um den Bahnhof Theresienwiese zu entlasten.

Am Hauptbahnhof müsste eine komplett neue Station gebuddelt werden - was wohl auch technisch möglich wäre, wie MVG-Chef Herbert König auf SZ-Anfrage bestätigte. Eine Mitnutzung der bestehenden Streckentunnel und Bahnhöfe von U1/U2 oder U4/U5 schließt König aus, die nördlich anschließende Trasse durch die Maxvorstadt und Schwabing wäre also ebenso ein Neubau wie die Verknüpfungsstation mit der U3/U6 an der Münchner Freiheit, die wohl unterhalb des bestehenden Bahnhofs Platz finden könnte.

Die Schienen könnten dann ein Stückchen weiter nördlich in die U6-Röhre gen Fröttmaning münden und somit, quasi als willkommenen Nebeneffekt, die schon länger diskutierte Direktverbindung zwischen der Fußballarena und dem Hauptbahnhof schaffen. Auch erste Überlegungen für Betriebskonzepte existieren schon. So könnte die U9, vielleicht sogar als Expresslinie, zwischen Harras, Hauptbahnhof, Münchner Freiheit und Fröttmaning pendeln und damit die oftmals völlig überfüllten Umsteigebahnhöfe Sendlinger Tor und Odeonsplatz entlasten.

Münchner Traumstrecken

Da die U9 Teile des schwächer ausgelasteten Nord- und Südabschnitts der U6 mitbedienen würde, kann sich König zudem vorstellen, die U6 seltener auf die Strecke zu schicken und stattdessen die U3 zu verstärken. Deren Züge könnten dann im Norden abwechseln Richtung Olympiazentrum/Moosach und Feldmoching fahren. Es eröffnen sich also viele neue Möglichkeiten im Münchner U-Bahnnetz.

"Wir setzen auf die Tram"

Forcieren will die Rathauskoalition auch den Tramausbau - vor allem mit dem seit Jahrzehnten in den Schubladen der Planer dümpelnden Projekt einer Westtangente soll es rascher vorangehen. "Wir setzen auf die Tram", betonte Sabine Nallinger, die Verkehrssprecherin der Grünen-Fraktion. Die Westtangente soll entweder vom Lorettoplatz oder, wahrscheinlicher, von der Aidenbachstraße aus durch die Fürstenrieder Straße zur Laimer Unterführung und weiter zum Romanplatz führen, voraussichtlich als Verlängerung der bestehenden Linie 12.

Das Projekt hat vor einigen Jahren für heftige Proteste vor allem der Autofahrer geführt, die nach dem Bau der Gleise Staus in der Fürstenrieder Straße befürchten. Für die Unterquerung der Bahnachse müsste neben der Laimer Röhre ein weiterer Tunnel gebaut werden, den dann auch Busse und Radfahrer mitnutzen können.

Weitere Tramprojekte in der aktuellen ÖPNV-Offensive sind die Strecke von Pasing nach Freiham, für deren Bau ein verbindlicher Zeitplan erarbeitet werden soll, und die Verlängerung der Parkstadt-Tramzur Bayernkaserne, die möglichst gleichzeitig mit den dort geplanten Wohngebieten fertig werden soll. Eine Trambahn, so Nallinger, sei stets attraktiver als ein Bus. Untersuchungen haben ergeben, dass Straßenbahnstrecken um ein Viertel mehr Fahrgäste anziehen, in Extremfällen sogar doppelt so viele, wie ein Bus auf gleicher Trasse.

"Herzliche Allianz mit der bayerischen Staatsregierung"

Ferner wollen die Verkehrspolitiker von SPD und Grünen, dass sich Stadtverwaltung und MVG Gedanken machen, wie die Kapazität der bestehenden U-Bahnstrecken gesteigert werden kann - durch noch dichtere Takte etwa oder auch Konzepte, um das in München im bundesweiten Vergleich doch recht gemächliche Ein- und Aussteigen der Fahrgäste zu beschleunigen. Der lange Aufenthalt der Züge an den Stationen gilt als bedeutender Hemmschuh für noch kürzere Zugabstände - dann stauen sich die nachfolgenden Bahnen nämlich im Tunnel. Mit der ÖPNV-Offensive soll außerdem der Nahverkehrsplan fortgeschrieben und der behindertengerechte Ausbau der Bushaltestellen beschleunigt werden.

Finanzieren will Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) die Projekte über die üblichen Etats bei Bund und Freistaat, aus denen normalerweise knapp 80 Prozent der Investitionen für MVV-Strecken bezahlt werden. Allerdings sollten diese Töpfe zusätzliches Geld aus den Konjunkturprogrammen der Bundesregierung erhalten - ein Vorschlag, den der OB bereits im Bundesfinanzministerium vorgetragen hat und dem Minister Peer Steinbrück (SPD) zumindest nicht abgeneigt gewesen sei. Ude setzt zudem auf die "herzliche Allianz mit der bayerischen Staatsregierung", die seit dem Wechsel an der Spitze des Verkehrsministeriums zügige Verbesserungen der Infrastruktur erhoffen lasse.

Die CSU im Rathaus kritisierte den Vorstoß als "heiße Luft". Die Projekte seien teilweise längst bekannt und reichten nicht aus, um die prognostizierten Verkehrszuwächse zu bewältigen. CSU-Fraktionschef Josef Schmid mahnte an, den Straßenverkehr nicht zu vernachlässigen, und erinnerte an weitere überfällige Investitionen wie etwa den Bau der U5 nach Pasing. Die Trambahn sei vermutlich ungeeignet, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen.

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