Süddeutsche Zeitung

Ausbau des Münchner Flughafens:Seehofer verbietet Äußerungen zu dritter Startbahn

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Von Franz Kotteder, Frank Müller und Kassian Stroh, München

Ministerpräsident Horst Seehofer zieht im Streit über die dritte Startbahn am Münchner Flughafen parteiintern die Notbremse. Er untersagte seinen Funktionären beim kleinen CSU-Parteitag in Bamberg jede weitere Meinungsäußerung zur Frage "Startbahn - Ja oder Nein", bis das noch ausstehende letzte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den Bau vorliegt.

Er bestehe darauf, dass die Partei, wie zugesagt, nach dem Urteil offen über die Frage mit den Betroffenen diskutiere. "Wer will noch ernsthaft reden im Herbst oder Sommer, wenn vorher schon alles zerredet ist?", fragte Seehofer erregt.

Welche zwei Debatten Seehofer beenden will

Der Ministerpräsident nahm damit Bezug auf gleich zwei Startbahn-Debatten: Zum einen, ob das Nein der Stadt zur dritten Piste durch eine Änderung der Rechtsform der Flughafengesellschaft (FMG) in eine Aktiengesellschaft ausgehebelt werden könnte. Und zum anderen zur Debatte, ob es eine bayernweite Volksbefragung zu dem Thema geben soll, mit der das negative Votum der Münchner quasi überstimmt werden könnte. Sie hatten 2012 in einem Bürgerentscheid den Bau abgelehnt.

Seehofer beobachtet offenbar mit Missvergnügen, wie sein Kabinett in dieser Frage auseinander fällt: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist für die Startbahn, Umweltministerin Ulrike Scharf, die in der Region wohnt, sagt Nein. Und Aigners Staatssekretär Franz Pschierer hat vergangene Woche eine Volksbefragung gefordert - gegen die Linie seiner Chefin und der Landtags-CSU.

Seehofer sagte in Bamberg über die Startbahn: "Das ist vom Grundsatz her mit die wichtigste Infrastrukturmaßnahme, die in Bayern zu entscheiden ist." Deshalb wolle er "mit allen Beteiligten nach der Gerichtsentscheidung reden, die Situation analysieren und anschließend entscheiden". Wer sich vorab äußere, führe eine unselige und unsinnige Diskussion. Er selbst habe nie gesagt, dass er für eine Volksbefragung zu der Frage sei.

Welche Überlegungen für eine AG es in Berlin gibt

Allerdings hatte der CSU-Chef vor gut zwei Jahren dieses Instrument überhaupt erst unter Verweis auf die Startbahn ersonnen. Seehofer erbat in Bamberg, dass ein Antrag der Jungen Union pro Startbahn nicht behandelt wurde.

Zugleich war auf dem Parteitag zu erfahren, dass es zumindest im Bundesverkehrsministerium offenbar bereits Gespräche über eine Umwandlung der FMG von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft gegeben hat. In einer solchen gälte das Mehrheitsprinzip; bisher hat die Stadt München, auch wenn sie nur 23 Prozent der FMG-Anteile hält, bei der Frage des Flughafenausbaus ein Vetorecht. In einer AG könnte sie womöglich von den anderen Anteilseignern, dem Bund und dem Freistaat, überstimmt werden.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betrachtet es "zumindest als kleinen unfreundlichen Akt, wenn hinter dem Rücken der anderen Gesellschafter ein Gutachten über die Umwandlung der Rechtsform in Auftrag gegeben wird". Er warte nun darauf, dass er offiziell informiert werde, sagte er am Sonntag. Grundsätzlich werde er alles tun, um die "gute Rechtsposition der Stadt" beizubehalten. "Wer auch immer versucht, diese zu ändern, muss mit deutlichem Widerstand rechnen", sagte Reiter am Sonntag der Süddeutschen Zeitung.

Unklar ist, ob eine Umwandlung in eine AG gegen den Willen der Stadt möglich wäre. Laut der seit 2011 gültigen Fassung des Gesellschaftsvertrags zwischen Bund, Freistaat und Stadt, muss jede Änderung am Vertrag von den Gesellschaftern einstimmig beschlossen werden. Flughafen-Chef Michael Kerkloh indes scheint seit Längerem den Plan einer AG-Umwandlung vorzubereiten: Als im Dezember bekannt wurde, dass intern gar von einem Börsengang die Rede ist, ruderte er auf Druck des Aufsichtsrats zurück: Dieser sei nicht geplant. Er halte aber daran fest, dass die FMG "kapitalmarktfähig" werden müsse.

Was der Grüne Christian Magerl fordert

Das ist die übliche Umschreibung für die Umwandlung einer Firma in eine Aktiengesellschaft. Ein FMG-Sprecher wollte am Sonntag zu all dem nicht Stellung nehmen: Die Gesellschafter müssten eine Umwandlung beschließen. Der Flughafen-Gesellschaft lägen "aktuell keine Hinweise auf ein solches Bestreben" vor. Finanzstaatssekretär Johannes Hintersberger hatte noch vor drei Wochen in einer Landtagsdebatte gesagt, "Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu Umwandlung und Börsengang stehen derzeit nicht an". Umso erboster ist nun der Grünen-Abgeordnete Christian Magerl: Die Regierung lüge und täusche, "jetzt muss die Wahrheit auf den Tisch". Er wolle das Thema diese Woche in den Landtag bringen.

Finanzminister Markus Söder (CSU), zugleich Chef des FMG-Aufsichtsrats, betrachtet die Frage der Rechtsform offenbar als nicht einmal zweitrangig. Sollte das Gericht den Bau erlauben, müsse der Staat mit "höchster Sensibilität vorgehen", sagte Söder der SZ. "Es muss dann ein Konzept aus einem Guss sein und kein Stückwerk", sagte der Finanzminister.

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SZ vom 23.03.2015
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