Ausbau der S8:Tunnelblick auf dem Weg zum Flughafen

Unter oder über der Erde? Die S8 soll ausgebaut werden - aber wie? Die SPD und CSU bestehen darauf, einen Tunnel zu bauen, aber es gibt auch Befürworter der oberirdischen Variante.

Marco Völklein

Der Vorschlag, beim geplanten viergleisigen Ausbau der S8-Trasse im Münchner Osten auf einen Tunnel zu verzichten und die Lärmschutzbauten durch großzügige Grünflächen und Schutzwälle zu kaschieren, hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Angelika Pilz-Strasser (Grüne), die Chefin des betroffenen Bezirksausschusses Bogenhausen, lehnte den Vorschlag am Sonntag als "Flickwerk" ab. Auch trotz der vorgeschlagenen Maßnahmen werde eine "massive Schneise"' durch die Viertel im Münchner Osten geschlagen.

S-Bahn in München, 2008

"Eine städtebaulich spannende Variante": Die Planungen zum Ausbau der S8 laufen.

(Foto: lok)

SPD-Stadträtin Claudia Tausend erklärte, ihre Fraktion werde weiterhin den Tunnel fordern. Auch Josef Schmid, Fraktionschef der CSU im Rathaus, hält nach wie vor an dem Tunnel fest: "Das sind wir den Bürgern im Münchner Osten schuldig." Grünen-Stadträtin Sabine Nallinger dagegen wollte die Ideen nicht sofort ablehnen. Sie sprach von einer "städtebaulich spannenden Variante".

Wie berichtet, hatten Freistaat und Stadt eine Studie in Auftrag gegeben, die klären sollte, wie sich der geplante Ausbau der S8-Trasse zwischen Daglfing und Johanneskirchen mit einem wirksamen Lärmschutz für die Anwohner verbinden lässt. Derzeit kommen sich auf der Trasse die Züge der S8 und die Güterzüge, die von der Rosenheimer Bahnstrecke zum Bahn-Nordring wollen, immer wieder in die Quere.

Um irgendwann einmal Express-S-Bahnen zum Flughafen schicken zu können, müsste der Bereich von derzeit zwei auf vier Gleise erweitert werden. Die Anwohner allerdings befürchten dadurch noch mehr Lärm oder zumindest eine Zerschneidung ihrer Viertel, wenn hohe Lärmschutzwände entlang der Trasse errichtet würden.

Der Stadtrat hatte daher 2009 den Freistaat aufgefordert, den viergleisigen Ausbau mit einem Tunnel zu verbinden. Die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, lehnt einen Tunnel aus Kostengründen ab. Eine komplette Untertunnelung des Abschnitts würde bis zu 670 Millionen Euro kosten; davon müsste die Stadt 500 Millionen Euro übernehmen, weil der Freistaat den gesetzlichen Vorgaben nach nicht zu einem Tunnel verpflichtet wäre. Würde man nur einen Teil der Strecke unter die Erde verlegen, würde das laut der Studie je nach Variante 530 bis 625 Millionen Euro kosten.

Um dennoch die Anwohner vor Lärm zu schützen und zugleich eine trennende, mehrere Meter hohe Lärmschutzmauer quer durch das Stadtviertel zu verhindern, schlägt die Studie vor, die Lärmschutzbauten in die Landschaft zu integrieren und sie durch "großzügige Grünverbindungen" quasi zu kaschieren. Die begrünten, mit flachen Hängen geneigten Lärmschutzwälle sollen dabei "fließend in die Umgebung übergehen". Fußgänger und Radfahrer sollen die Trasse über Brücken queren können - das soll ihnen "neue Perspektiven auf die Umgebung" sowie "ein anderes Landschaftserlebnis" ermöglichen. Der die Trasse querende Autoverkehr soll unter den Gleisen hindurchgeführt werden.

"Immense Flächenverluste"

Zudem sehen die Fachleute - insbesondere an den Bahnhöfen - zusätzliche Gebäuderiegel vor, die so konzipiert sind, dass sie als Lärmschutz dienen; entlang des Mittleren Rings wurden solche Häuser schon gebaut. Die Kosten schätzt die Studie auf 300 Millionen Euro - etwa 100 Millionen mehr als bisher veranschlagt.

Für die Stadtviertelpolitikerin Pilz-Strasser sind die Vorschläge allerdings allenfalls "Reparaturen im Rahmen einer riesigen Maßnahme". In vielen Bereichen des Abschnitts stünden die Häuser heute bereits dicht neben den Bahngleisen. "Dort ist für Lärmschutzwälle mit flachen Hängen gar kein Platz.'' Und selbst da, wo Platz wäre, gäbe es "immense Flächenverluste", sagte SPD-Expertin Tausend. CSU-Mann Schmid forderte, "solche Verkehrsprojekte gründlich anzugehen, sodass sie auch in die Zukunft tragen".

Ein Tunnel auf der Strecke sei zwar teuer, die Stadt sollte dennoch ihren Teil beitragen. Östlich der bestehenden Trasse soll in den nächsten Jahrzehnten ein Neubauviertel mit 10.000 Wohnungen entstehen. Die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen könnte die Stadt in den Tunnel investieren, so Schmid.

Grünen-Stadträtin Nallinger forderte, die Stadt solle sich mit den Ideen der Studie "ernsthaft auseinandersetzen". Sie warnte ihre Stadtrats-Kollegen davor, "sich zu früh auf eine Variante festzulegen" - am Ende könnte man dann erneut mit leeren Händen dastehen.

Mit einem Tunnel würde man zudem Standards setzen, die dann auf andere Projekte zum Ausbau des Schienenverkehrs (etwa dem Bahn-Südring) ebenfalls angewandt werden müssten. Letztlich wäre dann wegen der hohen Kosten keines dieser Projekte realisierbar.

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