Auktion im Fundbüro:"1 x Nippes, nicht näher bezeichnet"

Auktion im Fundbüro: Hubertus Busch, Leiter des Fundbüros, gibt den Zuschlag.

Hubertus Busch, Leiter des Fundbüros, gibt den Zuschlag.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei der Versteigerung im Fundbüro wechseln schon mal Säcke voller Klamotten den Besitzer, ohne dass der Bieter den Inhalt genau kennt. Die Profis wissen, wie man Schnäppchen macht.

Von Birte Mensing

In München hat jemand eine Bibel aus dem Jahr 1877 verloren. Ein anderer hat sie im Fundbüro abgegeben. Und ein Dritter hat sie soeben für 20 Euro ersteigert. Sie ist an diesem Tag der erste von knapp 300 Posten, die feilgeboten werden. Vor der Versteigerung haben die Interessierten Zeit, die Angebote genauer zu betrachten. Eine Frau zeigt ihrem Mann einen Sack voller Trachtenjanker: "Das ist ein guter." Was genau sich sonst noch in dem Sack befindet, sieht sie nicht, "das ist ein bisschen wie Weihnachten". Das Paar ist eigens aus Regensburg gekommen.

Im Multifunktionsraum des Kreisverwaltungsreferat riecht es nach Klamotten, die ein bisschen zu lang rumlagen. Auf die Bibel folgen Plastiksäcke voll Kinderkleidchen, Damenblusen und Herrenjacken, später Fahrräder, Handys, Kameras und Werkzeugkoffer. Auf den türkisfarbenen Stühlen sitzen 80 Frauen und Männer jeden Alters, die sich als Bieter registriert haben.

Dem Mann aus Regensburg treiben die Aufregung und die Hitze den Schweiß ins Gesicht. Für manche Tüten zahlt er 20 Euro, für andere bis zu 135 Euro. "Bei einem guten Stück lohnt sich das", sagt er. "Man darf nicht drüber nachdenken, ob sich das rechnet", sagt dagegen seine Frau. Die beiden müssen mit einem großen Auto gekommen sein, kein Kleinwagen könnte all die ersteigerten Tüten und Kisten fassen. Alles für den Eigenbedarf, wie der Mann sagt. Er besucht nach eigener Aussage zwei bis drei Versteigerungen in der Woche.

Auch ein älterer Herr mit wenig Haaren und viel Bauch schleppt sich immer wieder mit schweren Klamottensäcken ab. "Ich schau, was mir passt, und ich hab ein große Familie", behauptet er. Ein Mitarbeiter organisiert ihm einen Rollwagen, denn den Sack voller Wolljacken kann der Bieter kaum anheben. Der Leiter des Fundbüros spricht später von Stammkunden und Händlern, die zu jeder der halbjährlich stattfindenden Versteigerungen kommen.

In den Wochen vor der Versteigerung haben die Mitarbeiter des Fundbüros Schmuck auf Echtheit überprüfen lassen und Kleinkram in Kisten verpackt. "1 x Nippes, nicht näher bezeichnet" steht dann im Versteigerungskatalog. Bei manchen Kisten deutet die Ausschreibung an, welche Schätze sich darin verbergen: 1 x Wandtattoo, 1 x Eierkocher, 1 x Teller Oktoberfestmotiv. Ein paar Münchner Abiturienten machen sich einen Spaß aus der Auktion - einer bietet bei einer Tüte Sonnenbrillen mit, steigt dann aber aus. Ein anderer ersteigert zwei Handys. Seine Freunde klatschen, als der Moderator den Hammer auf Redepult schlägt und ihm den Zuschlag erteilt.

Beim Auktionspunkt "Diverse Münzen Fremdwährung" hat eine junge blonde Frau ihren ersten Auftritt, sie wird später drei Pappschachteln Modeschmuck gekauft haben. Beim Schmuck kommt Dynamik in die Versteigerung. Wo am Anfang noch locker mitgeboten wird und die Preise nicht so hoch sind, wird die Versteigerung jetzt zum Profibusiness. Der Aufrufpreis für die Modeschmuckkartons liegt bei 50 Euro.

Während Gegenstände am Ende für weniger Geld den Besitzer wechseln, treiben beim Modeschmuck ein paar Bieter die Preise in die Höhe. "Oh Gott, ihr macht mich fertig", sagt der Moderator und versichert sich kurz - ab 500 Euro geht es in 25-Euro-Schritten in die Höhe. Rund 1700 Euro zahlt die Frau am Ende für die drei unscheinbaren Pappschachteln. Ein Schmuckhändler aus Frankfurt sagt: "Gleich übernimmt sicher ihr Chef." Und richtig, die Frau gibt einem Mann in engen Jeans und gestreiftem Hemd das verbleibende Geld in einem Umschlag.

Dieser Mann kauft später fast alle Schmuckposten: Silber, Gold, Uhren. Lässig zückt er immer wieder die Karte mit seiner Bieter-Nummer, zwischendurch springt er auf, um die Kostbarkeiten vor der Ersteigerung mit seiner Lupe zu inspizieren. Wie viel Geld er dabei hat, sagt der Händler aus Frankfurt nicht, nur so viel: "Man darf nicht zu wenig haben." Er gibt an diesem Tag kaum etwas aus: "Ich weiß, was die Sachen wert sind. Der Münchner Kollege musste sein Revier verteidigen." Das Geld, das die Käufer bar bei einem Fundbüromitarbeiter zahlen, fließt in den Haushalt der Stadt München. Allein der Schmuckkäufer trägt an diesem Vormittag mehr als 15 000 Euro bei.

Nach viereinhalb Stunden Versteigerung geht den Leuten das Geld langsam aus, die Geduld ist ausgereizt, der Hunger treibt die Leute zum Essen. Der Saal leert sich. Der Moderator kann kaum noch reden, und klägliche acht Bieter sitzen noch auf den Stühlen. Die zwei Golftaschen, die in der ersten Runde keinen Abnehmer gefunden haben, kauft dann doch noch ein junger Mann. Für insgesamt zwei Euro.

Die nächste Versteigerung findet am 29. November statt.

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