Süddeutsche Zeitung

Augustinum-Seniorenstifte:Streit um einen ungeschriebenen Brief

  • Die Zukunft des Seniorenstiftbetreibers Augustinum steht auf dem Spiel: Das Münchner Unternehmen hatte viele seiner Häuser verkauft und wieder zurückgemietet.
  • Das Augustinum lieh dem Käufer die nötigen Millionen, um das Geschäft abzuwickeln.
  • Seit gut einem Jahr läuft ein Ermittlungsverfahren gegen vier Beteiligte des ungewöhnlichen Deals.

Von Bernd Kastner und Klaus Ott

Vordergründig geht es vor dem Oberlandesgericht (OLG) nur um einen Brief und die Frage, ob er geschrieben werden darf oder nicht. Im Hintergrund aber tobt ein gewaltiger Streit, bei dem sehr viel auf dem Spiel steht: Die Zukunft des Seniorenstiftbetreibers Augustinum. Das Münchner Unternehmen hat viele seiner bundesweit 23 Häuser an die kleine Firma Nordic Kontor (NK) verkauft und von ihr wieder zurückgemietet, man wollte die Bilanz auf diese Weise aufhübschen. Weil NK kaum Geld hat, lieh das Augustinum dem Käufer gleich noch die nötigen Millionen. Der gesamte Deal hat ein Volumen von 728 Millionen Euro. Heute hält das Augustinum um Geschäftsführer Markus Rückert all das für einen großen Fehler: Man sei von Managern im eigenen Haus und von den Käufern betrogen worden. Der Konzern erstattete Strafanzeige.

Seit gut einem Jahr läuft ein Ermittlungsverfahren gegen vier Beteiligte des ungewöhnlichen Deals, die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht des Betrugs und der Korruption nach, illegale Provisionen in zweistelliger Millionenhöhe sollen geflossen sein. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Zudem laufen ungezählte Zivilverfahren. Eines davon liegt jetzt in zweiter Instanz beim OLG München.

Das Augustinum hat die Verträge gekündigt

Die Richter haben zu entscheiden, ob NK die Bewohner des Stifts in Aumühle bei Hamburg darüber unterrichten darf, dass das Augustinum das Haus nicht weiter nutzen dürfe und das Gebäude räumen müsse. Und dass nach Ansicht von NK auch die Bewohner als Unter-Untermieter "räumungspflichtig" seien.

Das Augustinum hatte nämlich nach Start der Ermittlungen die Miet- und Darlehensverträge mit NK gekündigt und auch keine Miete mehr bezahlt. Deshalb wiederum sieht sich NK berechtigt, die Räumung zu verlangen. Ein entsprechendes Schreiben an die Senioren aber will das Augustinum mit aller Macht verhindern: Man befürchtet noch mehr Unruhe als ohnehin schon. NK wiederum will die Senioren aufklären, damit diese selbst entscheiden können, ob sie weiter ihre Miete ans Augustinum zahlen.

Dieser bislang ungeschriebene Brief ist nur ein "Marginalteil" in dem komplexen Ringen um 14 Seniorenstifte, wie der Vorsitzende des 7. Zivilsenats feststellte. Bei dieser Marginalie dürfte das Augustinum wohl erneut gewinnen, das war in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch herauszuhören. Schon das Landgericht hatte NK in einer einstweiligen Verfügung untersagt, die Bewohner über die anhängige Räumungsklage zu informieren. Die erste Instanz lehnte sich weit aus dem Fenster: Das Gericht bezeichnete das Agieren von NK als "verwerflich" und "sittenwidrig". Die Käuferfirma wolle nur die Bewohner beunruhigen, um Druck aufs Augustinum auszuüben. Weil der Konzern "arglistig getäuscht" worden sei, so das Landgericht, sei er weiterhin als Eigentümerin des Anwesens anzusehen.

Die Eigentumsfrage bleibt offen

Das OLG ist da viel vorsichtiger. Viel zu komplex sei der Vorgang, als dass sich die Eigentumsfrage im Rahmen eines Verfügungsverfahrens klären lasse, sagte der Vorsitzende. Diese Bemerkung dürfte das Augustinum schmerzen: Bislang hat man die Landgerichtsentscheidung vorgezeigt als gewichtiges Indiz dafür, dass bald alles beim Alten sei. Dass alle verkauften Stifte wieder ins Eigentum des diakonischen Sozialkonzerns zurückkämen. Das OLG aber lässt die Eigentumsfrage bewusst offen.

Sollte das Augustinum den aktuellen Marginal-Streit um den Brief dennoch gewinnen, dürfte das andere Gründe haben, wie das OLG andeutete. Ein Brief mit der Ankündigung der Räumung würde den Betrieb der Häuser stören. Und außerdem liege das eigentliche Räumungsverfahren seit Monaten auf Eis. Das Landgericht Lübeck will den Ausgang des Strafverfahrens abwarten, und das dürfte noch dauern. Am Mittwoch, 12. August, will das OLG seine Entscheidung im Brief-Streit verkünden.

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SZ vom 06.08.2015/vewo
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