Süddeutsche Zeitung

Lyrik:Schlafes Schwester

Die Lyrikerin Augusta Laar hat sich von durchwachten Nächten zu einem erhellenden Gedichtband inspirieren lassen.

Von Antje Weber, München

Wer kennt sie nicht, die unfreiwillig durchwachten Nächte, in denen man sich von links nach rechts wälzt und wieder zurück, den Stress achtsam wegzuatmen versucht und schließlich doch seufzend aufsteht und den Wecker wegdreht, auf dem die Ziffern geradezu höhnisch die Uhrzeit 3:44 anzeigen? Wer sie nicht kennt, diese Nächte, kann die Lektüre dieses Artikels sofort einstellen. Alle anderen werden sich wiederfinden in Augusta Laars Gedichtband "Mitteilungen gegen den Schlaf". Und ermuntert, erheitert, getröstet fühlen.

Die in München und Wien lebende Lyrikerin, bekannt auch für ihr unermüdliches Engagement für das Schamrock-Festival der Dichterinnen - in diesem Herbst wieder vom 4. bis 6. November im Werksviertel geplant -, hat bereits etliche Gedichtbände vorgelegt, und vielleicht ist dieser Konzeptband ihr schönster. Fast hätte man Konzeptalbum geschrieben, denn die Musik spielt in diesem durchkomponierten Buch eine große Rolle, nicht nur angesichts vieler Zitate aus Songs, die neben Schriftstellerzitaten unten auf den Buchseiten einen Sub-Text zu den Gedichten darüber liefern. "Nachts ist die mitte der ort in dem ich schlafe", heißt es da zum Beispiel von den Einstürzenden Neubauten.

Schlaftorten werfen - ein Versuch?

Was aber tun, wenn das Ich nachts seine Mitte nicht findet? Dann sucht das lyrische Ich oder Du von Augusta Laar "in alten ordnern nach dem / abiturzeugnis den randbemerkungen der lehrer", sucht "nach zen-übungen nach filmen / die du alle schon kennst", liest alle dreizehn Bände der "Recherche" von Marcel Proust und wagt sich an noch schmerzlichere Aktionen: "in der wachphase: / du versuchst das delfin-tattoo / das du nicht mehr magst mit bimsstein / abzuschrubben". Das mag immerhin gut sein gegen "nervöse impulse", gegen manches Zittern vor Müdigkeit.

Das bekämpft diese vielseitige Künstlerin auch mit Zeichnungen. Neun davon sind über das Buch verteilt, wahrscheinlich kichernd "angefertigt unter Verwendung von Eyeliner und Wimperntusche im Dunkeln und mit der linken Hand". Spaß ist eben, wenn man trotz Schlafmangel lacht. So lustig manches daherkommt, so melancholisch sind andere Betrachtungen über die Vergänglichkeit. Kurze Nachtskizzen wechseln sich ab mit längeren Gedichten und Zyklen, in der Form variabel, oft sprachspielerisch, so frei schwingend wie die mäandernden Gedanken vor dem Morgengrauen.

Was also tun, "halbwach im schlafkarussell nachts"? Vielleicht Augusta Laars "Anweisung zur Schlafhygiene" befolgen: "schlaftorten werfen (an schlafwände, in schlafgesichter)", oder "vom schlafbaum fallen", oder "schlafschatten an der wand nachzeichnen" oder "die schlaftreppe zertrümmern im schlafhaus". Oder dieses Schlafbuch lesen. Zeit, sich hin und her zu wälzen, hat man ja danach immer noch.

Augusta Laar: Mitteilungen gegen den Schlaf. Träume, Lieder, Skizzen. Edition Melos 2021, 22 Euro

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