Süddeutsche Zeitung

VR-Krimi:Entscheidende Fragen

Das Staatstheater Augsburg baut seine Digital-Sparte weiter aus. Nun ist die erste Folge einer interaktiven Krimi-Serie für Virtual Reality erschienen.

Von Yvonne Poppek, Augsburg

Soll das Verhör mit dem Wachmann fortgesetzt werden? Oder ist es besser, Annette Herzog zuzuhören, Chefin des Hightech-Konzerns Golden Mind? Sie wirkte nervös, beinahe ängstlich, als sie gerade um ein Gespräch bat. Aber die Details zum Mord in Herzogs Büro, die der Wachmann beobachtet haben könnte, wären sicher auch interessant. Kommissarin Alina Decker blickt einen abwartend an. Was nun? Eine Entweder-Oder-Frage drängt sich dem Zuschauer auf, eine, bei der er wenig verlieren kann. Schlimmstenfalls erwischt er einen langweiligeren Erzählstrang. Das wäre dann schon irgendwie Pech.

"Solo", so heißt die interaktive Krimiserie, die das Staatstheater Augsburg als Virtual-Reality-Produktion herausgebracht hat. Die VR-Sparte hat das Theater kontinuierlich ausgebaut. Vor allem Anfang des Jahres, im Lockdown, hatte Augsburg hier bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Es ist sozusagen die virusfeste Variante eines Live-Erlebnisses, die Augsburg immer weiter entwickelt hat. Nun hat Sebastian Klauke einen Krimi geschrieben, interaktiv inszeniert von David Ortmann für Bühne und VR gleichermaßen. Das Publikum bestimmt den jeweiligen Verlauf des Abends mit. Bei der VR-Version ist die Zuschauerin oder der Zuschauer naturgemäß allein und blickt in die vom Theater gelieferte VR-Brille. Darin ist die simple Form eines Games zu sehen, transferiert in den Theaterraum und dann übertragen in die virtuelle Realität. Es ist also nichts für jemanden, der rasant zocken will oder die raffiniertesten VR-Lösungen sucht. "Solo" ist ein Theaterkrimi mit verschiedenen Stationen, die sich je nach Entscheidung unterschiedlich zusammensetzen. Game und Theater bedingen sich gegenseitig, das Tempo, das man aus beiden Bereichen kennt, ist nicht Teil des Konzepts.

Die Folge endet mit einem Cliffhanger, im März soll der zweite Teil erscheinen

Die Produktion hat - trotz moderner VR-Technologie - nostalgischen Charme, funktioniert sie doch wie die in den Achtzigerjahren beliebten Spielbücher. Der VR-Zuschauer steht quasi mit auf der Bühne. Dort markieren weiße Streifen auf dem Boden die Büroräume von "Golden Mind", ein paar einzelne Möbel - Schreibtisch, Spind, Sessel - dienen zusätzlich als karge Kennzeichnung. Zu Anfang sieht man eine Leiche, erhält von Kommissarin Decker (Karoline Stegemann) erste Informationen, dann geht die gemeinsame Recherche los, die zur Konzernchefin (Elif Esmen), dem Wachmann (Paul Langemann), dem Assistenten (Anatol Käbisch) und dem Freund des Toten (Julius Kuhn) führen, je nachdem, welche Entscheidung man im Auswahlmenü trifft.

Etwa 45 Minuten dauert das Ganze, Verhör schließt sich an Verhör, ein "Tatort" im reduzierten VR-Theater-Format. Irgendwann endet der erste Teil, natürlich mit einem Cliffhanger, im März 2022 soll es mit Teil zwei weitergehen. "Solo - Folge 1" ist in der VR-Version eine hübsche Unterhaltung, solange es draußen, in der realen Welt, immer weniger zu ermitteln gibt.

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