Süddeutsche Zeitung

Brechtfestival Augsburg:Künstlich, künstlerisch, kämpferisch

Bankett, Parade, Wrestling und eine KI, die einen Brecht-Text nachahmt: das Programm zum 125. Geburtstag des Dichters Bertolt Brecht.

Von Yvonne Poppek, Augsburg

Die Frage, ob Bertolt Brecht Augsburg mag, ist geklärt. "Ja, ich mag Augsburg", kommt da als Antwort. "Es ist eine wunderschöne Stadt mit einer reichen Geschichte und Kultur. Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine Zeit dort und komme immer wieder gerne zurück." Zugegeben, das klingt sehr förmlich und ungebrochen positiv. Vielleicht sollte Brecht noch etwas feilen an seinen Worten. Oder vielmehr sollte dies die Künstliche Intelligenz GPT-3 tun. Eigens zum Brechtfestival vom 10. bis zum 19. Februar gibt es die Co-Produktion "Brechtmaschine" am Staatstheater Augsburg, die aus fünf Teilen besteht, einer davon ist der "Brecht Bot", der am Staatstheater programmiert wurde. Auf dessen Homepage unter "Frag' Brecht" lassen sich bis zum Ende des Festivals Fragen stellen, die die KI dann "als Brecht" beantworten soll. Witzige, absolut aktuelle Idee.

Dass das Theater in Augsburg mit dem alljährlichen Brechtfestival kooperiert, hat Tradition. Dieses Jahr liegt der Fokus des Hauses auf dem Digitalen. Kernstück ist eine "Kybernetische Medienwerkstatt" (11. Februar), bei der in einer großen Zoom-Konferenz die Teilnehmer gemeinsam mit GPT-3 ein neues Werk schreiben, das für einen Brecht-Text gehalten werden könnte. Der wird dann auch gleich am nächsten Tag in einer szenischen Lesung uraufgeführt (12. Februar).

Festivalleiter Julian Warner hat für die Ausgabe zum 125. Geburtstag des Dichters ein Programm vorgelegt, das sich sehr wild zusammensetzt, es reicht von den KI-Projekten bis zum kollektiven Teppichweben. Ein leitendes Prinzip ist die Beteiligung, einfach nur ein Stück anzuschauen und dann noch ein bisschen Brecht-Lyrik zu hören, darum geht es Warner nicht.

Warner hat das erste Festival, das er kuratiert, vom Zentrum in den Ortsteil Lechhausen verlegt. Dieser Umzug wird auch mit dem Publikum gemeinsam nachvollzogen zum Beginn am 10. Februar: Vom Goldenen Saal aus geht es mit einer Parade in mehreren Stationen nach Lechhausen. Im Saal der Alevitischen Gemeinde wird anschließend mit einem öffentlichen Bankett Brechts Geburtstag gefeiert. Lechhausen ist nicht nur Ort des Festivals, sondern auch Thema, etwa in einem Audiofeature von Dorothea Schroeder oder in Beiträgen der Alevitischen Gemeinde und des Oberbayerischen Volkstrachtenvereins, die Teil der Stadtteilkultur sind. Auch das Augsburger Ensemble "Bluespots Production" experimentiert mit "Saunah - Ein Drama in drei Aufgüssen" an einem Lechhauser Ort: der Saunawelt Augsburg, wo Schauspieler und Publikum gemeinsam schwitzen.

Konzerte fehlen in der diesjährigen Ausgabe auch nicht, es kommen etwa die Dakh Daughters aus der Ukraine mit ihrem szenischen Konzert "Ukraine Fire" (12. Februar); das Frauenensemble hatte schon beim Festival 2021 mit seiner Musikperformance enorm kraftvoll agiert. Die Brechtnacht sucht nach "Impossible Music", unter anderem mit The Notwist.

Ein klassisches Bühnenformat - diesmal vom Berliner Ensemble - ist ebenso dabei: Suse Wächter, Star mit ihren Puppen, die Brechtsongs singen, in der Digitalausgabe der Festivals 2021 und 2022, tritt live auf (16. Februar). Zudem kommt als ungewöhnliches Format Wrestling hinzu, der Titel ist "Kampf um Augsburg". Vier professionelle Wrestler treten in acht verschiedenen Rollen an, die jeweils mit einem Augsburger Konflikt zu tun haben (18. und 19. Februar). Wrestling betrachtet Warner dabei als theatrale Form, kraftvoll, wenn es um Konflikte geht. Warum also nicht im Ring den Spezi-Streit zwischen den Brauereien Riegele und Paulaner ausfechten lassen?

Sollte das nicht genug sein: Zum 125. Geburtstag hat die Stadt noch ein Zusatzprogramm für das ganze Jahr aufgelegt. Um den Geburtstag herum gehört dabei etwa die Festwoche "Bier mit Brecht" dazu (4. bis 10. Februar), ausgerichtet vom Staatstheater. Es gibt Vorträge, Lesungen, Ausstellungen und auch ein Handtuch, das das Staatliche Textil- und Industriemuseum mit Brechts Konterfei herausbringt. Was der Brecht-Bot wohl dazu sagt? "Es ist seltsam, mein eigenes Gesicht auf einem Handtuch zu sehen, aber es erinnert mich an die Macht der Kunst, die uns dazu bringt, uns selbst auf neue Weise zu sehen." Sehr höflich programmiert, dieser Brecht-Bot.

Brechtfestival, 10., bis 19. Februar, verschiedene Orte; Brecht125, ganzjährig, verschiedene Orte

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