Süddeutsche Zeitung

Augenoptik:Brille? Nicht online!

  • Das Geschäft mit den Brillen läuft gut, der Umsatz in der Branche steigt.
  • Der stationäre Handel ist allerdings erfolgreicher als die Onlineshops - deren Umsatz wächst zwar, aber langsamer als zuvor.
  • Junge Brillenmacher aus München und Umgebung setzen unter anderem deshalb wieder auf den Optiker.

Von Pia Ratzesberger

Er müsse mal kurz Hallo sagen, dem Mann da drüben, Sebastian Wittmann winkt ihn herüber, Händedruck. Aber klar doch, die Geschäfte würden gut laufen, er nickt, die Brillen kämen gut an, auch letztens auf der Messe in Paris. Dieser Mann sei ein Zwischenhändler für Osteuropa, sagt Wittmann, und zu seinem Kollegen Linus Frank dann noch: "Red doch später mal mit dem".

Wittmann trägt ein weißes Hemd, die Haare zum Dutt gebunden und natürlich: Brille, aus Holz. An seinem Stand in der Halle C1, Messe München, liegen Gestelle aus Ahornholz, Kirschholz, Walnussholz und Schwarznussholz, Preis ab 600 Euro, gefertigt in Freising. Die Firma von Wittmann und seinen Kollegen, Freisicht, gehört zu den jungen Betrieben aus München und dem Umland, die den gängigen Unternehmen Konkurrenz machen wollen - gerade auch denen mit den Billigpreisen.

Auf der Messe für Augenoptik, der sogenannten Opti, sind mehr als 550 Aussteller aus 35 Ländern vertreten, manche haben strahlend weiße Showrooms aufgebaut, bieten Brillen an, die an die Masken des venezianischen Faschings erinnern oder an die Musikvideos der 90er Jahre, in den Gängen drängen sich die Besucher, feilschen und notieren. Das Geschäft mit den Brillen läuft, das sieht man auf dieser Messe im Münchner Osten, die vom vergangenen Samstag bis zum gestrigen Montag stattfand.

Die deutschen Augenoptiker machen von Jahr zu Jahr mehr Umsatz, zuletzt waren es dem Branchenverband zufolge etwa 5,8 Milliarden Euro, den Umsatz von Geschäften und Online zusammengenommen; wobei der Umsatz im Internet viel geringer liegt, bei 225 Millionen Euro. Dachte man vor drei Jahren noch, neue Online-Shops wie Mister Spex oder Brille24 könnten den Optiker in seinem Laden ablösen, sieht das mittlerweile nicht mehr so aus: Zwar wächst der Umsatz noch immer, aber viel langsamer als zuvor. Lag das Wachstum von 2013 auf 2014 bei fast 30 Prozent, waren es zuletzt nur noch sieben.

Man müsse sich entscheiden, sagt Sebastian Wittmann an seinem Stand mit den Holzbrillen, entweder man arbeite mit den Optikern zusammen oder man vertreibe seine Brillen online - denn die Optiker hätten nun einmal wenig Interesse an Gestellen, die sich Kunden nach Hause bestellen könnten, ohne zum Geschäft zu gehen. Er und seine Kollegen haben sich für die Optiker entschieden.

Vor Wittmann, auf einem Podest, liegt eine der Holzbrillen, die Bügel nach außen gebogen, trotz des Holzes nämlich seien die Brillen an die Kopfform anpassbar. Auf die Idee mit dem Holz kamen sie damals in der Vorlesung in Weihenstephan, vor drei Jahren, Studium der Erneuerbaren Energien. Wittmanns Brille war kaputt, er und sein Kommilitone überlegten: Müsse es nicht noch was Nachhaltigeres geben als nur Metall und Acetat? Die Familie von Linus Frank fertigt seit mehr als 75 Jahren Musikinstrumente aus Holz, vor einem Jahr haben Frank und er eine GmbH gegründet, um die Brillen aus Holz zu vertreiben, alle selbst im Münchner Norden produziert - deshalb auch der hohe Preis.

Das Gesicht wird eingescannt, die Brille kommt aus dem 3D Drucker

Manche Onlineshops, wie zum Beispiel Ace and Tate aus Amsterdam, bieten Brillen schon ab 98 Euro an, doch mehr und mehr scheinen diese Firmen zu merken, dass sich die Brille im Geschäft leichter verkaufen lässt als virtuell. Ace and Tate aus den Niederlanden zum Beispiel führt mittlerweile ein Geschäft am Gärtnerplatz, auch die Schweizer Brillenmarke Viu, die ihre Brillen aus dem Onlineshop ebenfalls nach Hause schickt, hat gleichzeitig einen "Flagshipstore" in der Reichenbachstraße im Glockenbach. Die Gründerinnen von Iolani, nur ein paar Stände weiter von den Männern aus Freising, wollen deshalb beides: die Optiker und einen Onlineshop. "Online schicken die Brillen zu viele Leute zurück", sagt Maria Ding, Brille, 30 Jahre, früher mal bei Abercrombie & Fitch.

Für den Job kam sie nach München, genau wie Stephanie Hannemann, sie bauten in dem Geschäft in der Sendlinger Straße das Personal auf, sie beide trugen Brillen, bei irgendeinem Mittagessen kamen sie auf das Thema und waren sich einig: es gibt zu viele hässliche Gestelle. Seit mehr als einem Jahr also entwerfen sie ihre eigenen, lassen sie in der Nähe von Karlsruhe produzieren.

Wer bei ihnen eine Brille im Onlineshop kauft, wird die allerdings nicht nach Hause geschickt bekommen, sondern zu ausgewählten Optikern. In mehr als drei Münchner Geschäften werde es ihre Brillen wahrscheinlich nicht geben, sagt Ding, die 20 verschiedenen Fassungen in den drei verschiedenen Farben. Setzen Unternehmen wie Mister Spex oder Brille 24 auf Masse, setzen Ding und Hannemann auf Exklusivität.

"Sorry, sold out"

Bei You Mawo, noch so einem Münchner Brillenmacher auf der internationalen Messe, treibt man das mit der Exklusivität sogar noch weiter, deren Brillen nämlich sind maßgefertigt, dank 3D Scanner und Drucker. Sebastian Zenetti, einer der Gründer, hatte die Modelle auf der Opti im vergangenen Jahr zum ersten Mal vorgestellt, am zweiten Tag waren sie schon ausverkauft und mussten einen Karton aufstellen: "Sorry, soldout", was die Nachfrage nur noch einmal verstärkt hat.

Er trägt ausnahmsweise keine Brille, weil er die gerade verlegt hat und doch keine mehr tragen kann, außer der, die ein Scanner genau auf sein Gesicht zugeschnitten hat. Zenetti und sein Team setzen auf Software, haben ihre eigene entwickelt, um für jeden die passende Brillenform zu finden, doch auch sie arbeiten trotzdem ausschließlich mit Optikern. Onlineshop haben sie keinen.

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