Porträt:Wie Dichten funktioniert

Porträt: "Ich habe immer das gemacht, was ich wollte", sagt die Dichterin und Literaturvermittlerin Alma Larsen.

"Ich habe immer das gemacht, was ich wollte", sagt die Dichterin und Literaturvermittlerin Alma Larsen.

(Foto: Robert Haas)

Alma Larsen ist aus der Münchner Lyrik-Szene seit Jahren nicht wegzudenken. Nun hat die vielseitige Autorin ihren achten Gedichtband veröffentlicht.

Von Sabine Reithmaier, München

"es sind nie gedanken allein:/ daneben arbeiten beständig / die sinne an einem gedicht,/ dessen wörter sich ohne ihre / eindrücke langweilen würden ..." Alma Larsen hat in ihrem Gedicht "Kopf & Bauch" exakt beschrieben, wie das Dichten bei ihr funktioniert. Eben hat die Münchner Autorin ihren achten Lyrikband veröffentlicht. "Augenblicke nach innen" (Spielberg Verlag) hat sie ihn genannt.

Eigentlich hätte sie den Titel "Schnappschüsse nach innen" bevorzugt. Genau das seien ihre Gedichte nämlich, sagt sie. Aber das Wort "Schuss" missfiel ihr stark, so entschied sie sich für Augenblicke. Gegliedert hat sie die knapp 100 Gedichte in sieben Abschnitte, verbunden durch kurze lyrische Prosatexte ohne Punkt und Komma, alles in konsequenter Kleinschreibung. Jeder Abschnitt stehe für zehn Jahre ihres Lebens, sagt sie. Entsprechend breit hat Alma Larsen die Themen gewählt, sie beobachtet genau, Erotisches genauso wie Politisches. "haben wir die besten / die uns regieren sollen / in zeiten des behagens / was fehlt uns dann zum Glück?" fragt sie in "Überfluss". "oder suchen wir phantasten / die uns wohlergehn versprechen / wenn natur aus grauem himmel / ihre rechnung präsentiert?" Oft übersetzt sie ihre Beobachtungen mit viel Humor in Worte.

Larsen, Jahrgang 1945, ist aus der Münchner Lyrik-Szene seit Jahren nicht wegzudenken, nicht nur ihrer Gedichte wegen, sondern auch aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten als Literaturvermittlerin. Jahrelang hat sie auch Veranstaltungen organisiert. Initiierte beispielsweise die inzwischen eingestellten "Cafe-Sätze", monatliche Literaturgespräche in der Seidlvilla, oder konzipierte Veranstaltungen für die Gedok München.

Nach München zog sie "wegen eines ganz blöden Arguments"

Berlin, die Stadt, in der sie aufwuchs, verließ sie bereits 1967. Ihr Vater war früh gestorben, die Tochter hatte keine Lust aufs Abitur. Sie zog nach München "wegen eines ganz blöden Arguments", wie sie heute findet: Die Stadt sei einen Tag näher an Italien gelegen als Berlin. "Und ich war doch so ein Italienfan." Sie holte das Abi nach, studierte Politische Wissenschaft und begann Mitte der Siebzigerjahre zu schreiben. Feministische Protestgedichte natürlich. Eines davon schickte sie an den Stern, der es prompt abdruckte. "und traben traben im takt / zwo drei / und knie auf die brust / und kopf in den Sand / wer das nicht kann / der wird kein mann ..." zitiert Larsen ihr "Männerlied". Dass es mit dem Abdruck so schnell klappte damals, sei ihrer weiteren Entwicklung nicht förderlich gewesen, sagt sie dann. "Ich war anschließend davon überzeugt, das geht so einfach weiter."

Das tat es nicht. Gedichte ernähren ihren Schöpfer nur selten. Die ersten Jobs, die sie nach dem Studium annahm, gefielen ihr nicht. "Ich war so ungern angestellt." Doch dann entdeckte sie das Fotografieren für sich - "Learning by doing" - und fing an, Kataloge zu gestalten. Erst für den Installationskünstler Samuel Rachl, später auch für andere Künstlerinnen. "Damit habe ich mein Leben finanziert." Abgesehen vom Geld aber war die Kunst der anderen eine wichtige Inspirationsquelle für sie. Ein Beispiel ist der Gedichtzyklus, der zu den Bildern der Malerin Rita de Muynck in zwölf Gedichten entstand, nachzulesen im Katalog "KlangFarbe" (1998).

Larsen hatte immer Lust, neue Formen auszuprobieren. Mit Merve Lowien, der 1992 verstorbenen Berliner Autorin und Verlegerin, entwickelte sie eine "poetische Diagonale". Sechs Jahre (1984 - 1990) schickten sich die zwei Frauen jeden Monat eine Seite Lyrik zu, jede schrieb die Vorlage der anderen weiter. Oft monatelang, bevor sie die Gesamtkomposition bei gemeinsamen Performances in Berlin oder München auf die Bühne brachten - "zu Zeiten, als es noch keinen Poetry Slam gab". Nach dem Tod Lowiens veröffentlichte Larsen die zweite Diagonale mit dem witzigen Titel "Doppel Stier Gymnastik hach!".

Als Kind liebte sie die Reime von Wilhelm Busch, sie kann sie bis heute auswendig

Das Prinzip der wechselseitigen Beeinflussung wollte Larsen auch mit Samuel Rachl wiederholen. Aber der zeichnete alles, was ihm zum Thema einfiel, an einem Tag, Larsen entwickelte die Gedichte später dazu. Trotzdem oder vielleicht genau deshalb ist "Kunst am Bein" (Stora Verlag) ein sehr amüsantes Buch geworden. Die Verse erinnern auch ein wenig an den ersten Dichter, der Larsen inspiriert hat. Ihr Vater pflegte bei Regenwetter seine Kinder regelmäßig mit einer Wilhelm-Busch-Langspielplatte zu unterhalten. Alma Larsen mochte die Reime sehr, kann sie bis heute auswendig. "Obwohl ich in der Schule nicht so ein Fan von Gedichten war, weil sie dort immer zelebriert wurden als etwas Erhabenes." Da gefielen ihr Buschs "Die drei alten Tanten" schon besser. Oder die "Zwei Freunde".

Das Käthchen, die "verschmitzte Dirne", die sich von den Knaben Fritz und Ferdinand eine Sommerbirne klauen lässt, taucht sogar im aktuellen Band auf. Larsen hat im Gedicht "Geschichten" aber nicht nur Busch, sondern auch Fontanes "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" untergebracht sowie ein klebriges Glas Birnenlikör, letzteres eine Erinnerung an die Bildhauerin Louise Stomps (1900 - 1988), mit der Larsen befreundet war. Für deren Freundin Lidy von Lüttwitz (1902 - 1996) gestaltete sie sogar gleich drei Kataloge, schrieb einen biografischen Text über diese Bildhauerin. Und setzte beiden im Gedicht "Alte Künstlerinnen" ein Denkmal.

Ihr Stil habe sich in all den Jahren nicht groß verändert, findet Larsen. "Musikalität ist mir wichtig." Weshalb sie sogar Silben zählt, um Stockungen zu verhindern. Und sie hat es, auch als Lyrikleserin, gern, wenn im Gedicht die schreibende Person spürbar wird. Manche der jüngeren Autoren seien ihr zu abstrakt, sagt sie.

In ihrem Leben habe sich vieles ergeben, ohne dass sie bewusst drauflos gegangen sei, sinniert Larsen. "Ich habe immer das gemacht, was ich wollte, hatte immer mit Menschen zu tun, die nicht nur interessant waren, sondern mit denen mich etwas verband, was über die Arbeit hinausging." Was will der Mensch mehr.

Alma Larsen: Augenblicke nach innen (Spielberg Verlag). Lesung am Sonntag, 23. Okt., 16 Uhr, im Atelier des Bildhauers Jochen Sendler, Flößergasse 8, München

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