Prozess am Landgericht München:Die Halsschlagader nur um einen Millimeter verfehlt

Prozess am Landgericht München: Das Landgericht München I verhandelte wegen versuchter Tötung.

Das Landgericht München I verhandelte wegen versuchter Tötung.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein Streit zwischen zwei Familien in einem Haus eskaliert, am Ende kommt es zu einer Messerattacke. Nun muss der Angreifer sechs Jahre in Haft - ein vergleichsweise mildes Urteil.

Von Susi Wimmer

Der Angeklagte hat den hängenden Kopf auf den Arm gestützt, seine Familie weint, dabei fällt das Urteil der 2. Strafkammer am Landgericht München I gemessen am möglichen Strafrahmen noch relativ milde aus: Wegen versuchter Tötung muss Moustafa A. für sechs Jahre ins Gefängnis. "Es ging um Millimeter", sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann. Genau genommen um einen einzigen: Denn bei dem Messerstich gegen den Hals des 20-jährigen Omar A. verfehlte die Klinge die Halsschlagader nur ganz knapp.

Omar A. ist bis heute gezeichnet, körperlich und seelisch. Narben ziehen sich über Kopf und Hals, er lebe seit dem Angriff "in Angst", sagt er vor Gericht. Und er habe auf der linken Hals-, Gesichts- und Brusthälfte kein Gefühl mehr.

Die Familien des Angeklagten und des Opfers leben in einem Haus nahe dem Westpark. Am Anfang verstand man sich gut, "dann kam es zu Streit, Beleidigungen und Tätlichkeiten", berichtet Riedmann. Was Stein des Anstoßes war, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Am 4. Februar 2022 wollte Omar A. zum Sport, stieg in den Aufzug in Richtung Tiefgarage, im Hochparterre kam Moustafa A. dazu und zündete sich eine Zigarette an.

Unten im Tiefgeschoss versperrte er Omar A. den Weg, der musste sich vorbei drücken und Moustafa A. stieß ihm den Ellenbogen in den Bauch. Es kam zum Gerangel. Dann zog A. ein Klappmesser und stach zweimal "mit enormer Wucht" auf Kopf und Hals von Omar A. ein. Der Schwerverletzte konnte sich aus der Tiefgarage retten. Der 45-jährige Moustafa A. fügte sich laut Gericht selbst Schnittverletzungen zu, wählte den Notruf und behauptete, Omar A. habe ihn angegriffen.

Die 2. Kammer beurteilt die Aussage des Geschädigten als konstant, er habe sich an stimmige Details erinnern können. Moustafa A. hatte zum Prozessauftakt geschwiegen, später eingeräumt, dass er den anderen verletzt habe. Seine Aussagen seien aber "in weiten Teilen immer noch nicht nachvollziehbar" gewesen, erklärt Riedmann. Moustafa A. habe auf "höchst gefährdete Bereiche am Körper" eingestochen und den Tod des anderen billigend in Kauf genommen. Ob die Verteidiger Thomas Novak und Benedikt Stehle das Urteil anfechten, stand nach Verkündung noch nicht fest.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlinikum rechts der Isar
:Nachts, wenn die Patienten stören

Ein 26-jähriger Pfleger gesteht zum Prozessauftakt am Landgericht, mehreren Menschen Beruhigungsmittel gespritzt zu haben, zwei starben. Er wollte "dieses Doktor-Feeling" genießen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: