Audi:14 Jahre basteln fürs eigene Rennauto

Audi: Seine größte Leidenschaft: Klaus Rath in seinem Rennwagen.

Seine größte Leidenschaft: Klaus Rath in seinem Rennwagen.

(Foto: Hartmut Pöstges)
  • Klaus Rath hat durch Zufall einen Urquattro in einer Scheune entdeckt - und ihn nach langen Verhandlungen gekauft.
  • Seit nunmehr 14 Jahren arbeitet er an und mit dem Auto, das inzwischen ein Bolide mit 750 PS ist.
  • Rath fährt mit seinem Audi regelmäßig Rennen, doch dabei läuft nicht immer alles glatt.

Von Konstantin Kaip

Klaus Rath, 51, trägt keinen ölverschmierten Blaumann, sondern Jeans und Pulli. Sein über der Stirn licht gewordenes Haar ist zu einem Pferdeschwanz gebunden, ein schmaler, sorgsam getrimmter Bart umrahmt sein Lächeln. 2017 könnte ein gutes Jahr werden für ihn und sein Auto, sagt er. "Die Testfahrt war durchaus vielversprechend."

Gut, als er seinen Audi im vergangenen September nach dem jüngsten Komplettumbau auf den Salzburgring schickte, gingen die Zündspulen immer wieder aus. "Aber in der Zeit, wo er gefahren ist, war ich der Schnellste im Feld", sagt Rath. Auf 289 Stundenkilometer sei er gekommen. "Aber da ist noch Potenzial." Sein Ziel, Meisterschaftssieger beim Histo-Cup-Austria zu werden, könnte er dieses Jahr also verwirklichen. "Wir sind momentan auf einem guten Weg", sagt er.

Es ist zunächst nicht ganz klar, wen er mit dem Plural meint. Denn zu den Amateur-Rennen auf dem Salzburgring, dem Red-Bull-Ring, dem Slovakiaring und dem Pannoniaring, an denen er regelmäßig teilnimmt, begleiten ihn zwar seine Frau Sandra, seine tschechoslowakische Wolfhündin Feebie und stets ein paar seiner Kumpel, wie er sagt. Anders als die meisten Fahrer hat er aber keinen Sponsor und kein Team aus Mechanikern an seiner Seite.

Klaus Rath hat sein Auto in seiner Werkstatt im Gewerbegebiet des Geretsrieder Ortsteils Gelting komplett selbst gebaut. Dort kann man einiges über die Anatomie von Autos lernen. Unter der Decke hängen derzeit zwei Porsche-Karosserien, die er komplett entkernt und vom Lack befreit hat. Die bloßgelegten Skelette zeigen, dass sich der Karosseriebauer aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen gerne mit längerfristigen Projekten befasst.

Kein Auto aber hat ihn so lange beschäftigt wie der mattschwarze, sehr tief liegende Audi mit seinem riesigen Spoiler, der daneben steht. Anders als bei den Porsches handelt es sich dabei nicht um einen Kundenauftrag. Das Unikat ist Raths eigener Wagen. Er hat sich aus einem Audi Quattro von 1981 einen Furcht einflößenden Boliden gebaut, in mittlerweile 14-jähriger Eigenarbeit. Und nicht nur das: Er jagt das Auto auch regelmäßig selbst über die Rennstrecke. Ein Regalbrett im Büroraum seiner Werkstatt ist bis zum letzten Zentimeter mit kleinen Pokalen vollgestellt, die er als Amateurrennfahrer gewonnen hat.

4000 Arbeitsstunden stecken in dem Auto

Im Laufe der Jahre hat er aus einem Urquattro für die Straße ein 750 PS-starkes Rennauto gemacht: Alle Teile der Karosserie hat er in der eigenen Firma selbst aus Kohlefaser gefertigt, auch Motor, Getriebe und den kompletten Antriebsstrang, alles nach seinen Vorstellungen. Die Reifen sind profillose so genannte Slicks, die "praktisch an der Fahrbahn kleben", wie Rath sagt.

Im Inneren gibt es nur das Nötigste: einen Fahrersitz mit Lenkrad, das man beim Einstieg abnehmen kann, und den Schaltknüppel. Die selbst modellierte Karosserie ist komplett aus Carbon und federleicht. Wenn Rath die Motorhaube abnimmt, kann er sie mit einer Hand halten. "Sicher 4000 Arbeitsstunden" habe er mittlerweile in den Audi gesteckt, sagt er. Seine Frau hat nicht nur zwei Kinder in die Ehe gebracht, die inzwischen längst erwachsen sind. Sie hat auch in all den Jahren viel Verständnis für seine Leidenschaft gezeigt.

Schon die Eltern fuhren Autorennen

Die Phrase, er habe Benzin im Blut, hat Rath schon oft gehört. Aber sie trifft eben nur auf wenige Menschen so zu wie auf ihn. Schon seine Eltern haben sich beim Autorennen kennengelernt, beim Slalom, wie Rath erzählt. "Meine Mutter ist mit einem Käfer gefahren, und mein Vater mit einem Zweinuller BMW." Später haben sie eine Tankstelle mit Werkstatt betrieben, erst in Gräfelfing, dann in Ismaning. Dort habe er schon als kleiner Bub mitgeholfen und sich sein Taschengeld verdient, erzählt Rath. Und weil er praktisch schon alles über Autoreparaturen wusste, entschied er sich 1982 für eine Lehre im Karosseriebau - "um etwas Neues zu lernen".

Seinen ersten Wettbewerb fuhr Rath dann mit Mitte 20, beim Stock-Car-Rennen. "Weil das damals bezahlbar war", sagt er. "Du kaufst dir irgendein Schrottauto für 300 Mark, nimmst alles raus, was kaputt gehen könnte und schweißt einen Bügel aus alten Wasserrohren rein." Rath erinnert sich an zahlreiche Eigenbauten, die so entstanden sind. "Da hab' ich das Spinnen angefangen", sagt er und lächelt.

Drei Jahre fuhr er für den Stock-Car-Club München die beliebten Crash-Rennen, nahm an den bayerischen Meisterschaften teil und stand insgesamt sechsmal auf dem Podium. 1997 ist er dann nach einem Fahrerlehrgang beim Motorsportclub München auf die Rennstrecke umgestiegen. Sein erstes Auto war ein VW Scirocco, den er von 130 auf 190 PS aufmotzte, danach fuhr er unter anderem BMW und Toyota.

Das Auto war ein Zufallsfund - und ein Schnäppchen

Seinen Audi Quattro fand Rath erst 2002, aus "reinem Zufall", wie er erzählt: Er wollte einen Audi 90 in Münsing kaufen, als er beim Verkäufer den Urquattro, wie das Modell heute genannt wird, in einer Scheune entdeckte - damals noch knallrot und mit Motorschaden. Rath wusste sofort: Er wollte dieses Auto. Der Audi Quattro war der erste serienmäßig gebaute Pkw mit Allradantrieb in Deutschland, wurde von 1980 bis 1991 in einer offiziellen Stückzahl von 11 451 Exemplaren gebaut und galt bei seiner Einführung als Sensation.

"Zu meiner Lehrzeit war das ein Traumauto", sagt er - aber bei einem Preis von circa 100 000 Mark mit einem Lehrlingsgehalt von 270 Mark im Monat "unerreichbar". Jahre später war das anders, auch wenn Rath von "harten Verhandlungen" mit dem Besitzer spricht. Der hat ihm das Auto nach einem halben Jahr verkauft - für 1400 Euro. "Aus heutiger Sicht ist das ein Schnäppchen."

Im Laufe der Jahre baute Rath das Straßenfahrzeug dann sukzessive zum Rennwagen um: Er stattete es mit einem Fünfzylinder-20V-Motor aus, den er mit der Zeit durch größere Turbolader, neue Kolben, Pleuel und Kurbelwellen von 350 auf 550 PS aufmotzte. Und er nahm immer wieder Änderungen an Bremsen, Fahrwerk und Karosserie vor.

Zehn Jahre lang fuhr er mit seinem Urquattro Rennen, die er regelmäßig auf dem Podest beendete, zuletzt in der Youngtimer-Klasse. 2015 aber schied er immer wieder vorzeitig aus, weil Kleinigkeiten nicht funktionierten oder versagten, "Kabelschuhe und so etwas". Und dann fuhr ihm auch noch jemand ins Auto. Rath stand am Scheideweg: "Entweder ich gebe das Projekt auf", habe er sich gedacht, "oder ich mache es richtig".

"Es ist schon ein Kick dabei"

Zwei Wochen hat die Bedenkzeit gedauert, dann hat er das Auto "komplett zerrupft". Bilder auf seinem Smartphone zeigen, was übrig blieb: nichts als die Bodengruppe mit ein paar Rahmenteilen und dem Fahrgestell. Den ganzen Rest hat Rath noch einmal modifiziert, den Motor komplett überholt. Erst dachte er, dass er damit über den Winter fertig wird, dann aber reichte es im vergangenen Jahr gerade einmal für eine Testfahrt im Herbst. "Ich muss ja auch noch arbeiten und Geld verdienen", sagt Rath.

Nach einem Jahr ist der Bolide nun gute 150 Kilogramm leichter und noch einmal etwa 200 PS stärker. Derzeit bastelt Rath noch an den Zündspulen und am Lenkrad, das er mit Steuerknöpfen für Licht und Scheibenwischer ausstattet. Mitte April findet das erste Rennen des Histo-Cups auf dem Red-Bull-Ring in der Steiermark statt. "Das wird dann die richtige Probe aufs Exempel."

Es gebe zwar einige Bastler unter den Fahrern. "Aber ich bin schon der größte Exot", sagt Rath. "Das, was andere für viel Geld kaufen, baue ich mir selbst." Obwohl sein Bolide, wie er zugibt, "unterm Strich auch einen Riesenhaufen Kohle gekostet hat". Wie viel er in sein Auto investiert hat? Rath schüttelt nur den Kopf. Seine Frau habe einmal angefangen, den dicken Ordner für die Teile zusammenzurechnen, sagt er.

Rath und sein Bolide pflegen eine Hassliebe

Nach der Hälfte sei sie bei 70 000 Euro angelangt und habe aufgehört. Hinzu kommt die ganze Arbeitszeit. Für eine Stunde verlangt der Karosseriebauer normalerweise 72 Euro von seinen Kunden. "Es ist eine Frage, wie man das sieht", sagt Rath. "Bei den Rennen gibt es nicht wirklich was zu gewinnen, außer dass man Leute kennenlernt und vielleicht Aufträge an Land zieht." Seine Fähigkeiten sind gefragt: Die Porsche-Karosserien in seiner Werkstatt stammen von gut betuchten Liebhabern aus der Histo-Cup-Szene.

Seine Leidenschaft erklärt das nicht. "Es ist schon ein Kick dabei", sagt Rath. "Ein Nervenkitzel, wenn man sich mit den anderen messen kann." Er schaffe die selben Zeiten wie andere mit ihrem Porsche GT3, "und die haben ein Riesenteam". Dann legt er seine Hand auf die Motorhaube seines Audi. "Den habe ich selbst entwickelt, und ich kann sie damit ärgern."

Schließlich wird klar, wen Rath meint, wenn er "wir" sagt: "Wir zwei haben eine Hassliebe", sagt er über sich und sein Auto. Einerseits gebe es diese Zufriedenheit, "wenn man mitfahren kann und vielleicht sogar ein Rennen gewinnt". Andererseits den Frust, "wenn wieder was kaputtgeht und nichts läuft", sagt er. "Aber wenn er die ganze Zeit funktionieren würde, wär's wahrscheinlich auch langweilig."

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