Aubing:Vom Regen in die Traufe

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65 Kindergartenkinder und ihre Eltern sind verzweifelt: Erst muss ihr altes Domizil an der Freienfelsstraße wegen Schimmels abgerissen werden, dann finden sich im Ausweichquartier an der Pretzfelder Straße Luftschadstoffe

Von Ellen Draxel, Aubing

Bis Ende kommender Woche müssen sich die 65 Kinder des städtischen Kindergartens an der Pretzfelder Straße wohl noch gedulden. Dann sollen ihre Eltern von den Leiterinnen der Einrichtungen an der Wiesentfelser und der Ehrenbürgstraße erfahren, wann ihre Töchter und Söhne wieder in die für sie errichteten Container zurück dürfen. "Solange die Messwerte nicht hundertprozentig in Ordnung sind, wird der Kindergarten an der Pretzfelder Straße nicht wieder eröffnet", kommuniziert Stadtrat Johann Sauerer (CSU) eine Order von Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. "Das gebietet uns die Fürsorgepflicht", ergänzt der Leiter der Abteilung Umweltschutz im Referat für Gesundheit und Umwelt, Rudolf Fuchs.

Erfreut sind die Eltern über diese Prognose nicht. Sie haben genug von dem ständigen Hin und Her. Am 30. Mai erst ist der Kindergarten aus seinem alten Domizil an der Freienfelsstraße in das Ausweichquartier an der Pretzfelder Straße 33 umgezogen. Die Haus an der Freienfelsstraße soll abgerissen und neu gebaut werden, in ihm wuchert der Schimmel. Die Pavillons an der Pretzfelder Straße waren als Interims-Kindertagesstätte für die Bauzeit gedacht, doch auch diese Räumlichkeiten mussten die Kindergartengruppen, diesmal unvorbereitet, Ende Juni verlassen: Eine Raumluftmessung hatte im Bereich der flüchtigen organischen Stoffe einen erhöhten Wert der Substanz 2-Butanonoxim ergeben. Der Stoff kommt in Fugenmitteln vor, statt eines tolerablen Werts von bis zu 60 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden in unterschiedlichen Zimmern der Container-Anlage zwischen 66 und 76 Mikrogramm ermittelt.

"Normalerweise erfolgen diese Messungen vor dem Einzug", sagt Fuchs. Es habe aber bei der Pretzfelder Straße "innerhalb der Stadtverwaltung schlichtweg Fehler gegeben". Bei Messungen im März, erklärt seine Kollegin vom Baureferat, Beate Steier, hätten die Werte noch gepasst. Danach seien aber beispielsweise noch die Sockelleisten verfugt worden. "Und es stimmt", gibt sie zu, "in meiner Abteilung hat ein Mitarbeiter irrtümlicherweise gedacht, vier Wochen reichten zum Ausdünsten der Fugenmasse".

Dass die Firma, die mit der Ausführung beauftragt wurde, zudem Kartuschen verwendete, die auf dem städtischen Index stehen, ist ein zweiter gravierender Mangel. Stoffe, die 2-Butanonoxim enthalten, sind zwar gesetzlich zugelassen, man kann sie in jedem Baumarkt kaufen. "Aber bei uns sind sie seit Jahren generell verboten", sagt Bauökologin Beate Bartl vom Baureferat. Die Handwerker wüssten das, "sie bekommen Listen, auf denen die Stoffe stehen, die nicht verwendet werden dürfen". Ob das Unternehmen die falsche Fugenmasse nun bewusst oder aus Versehen benutzte - "zivilrechtliche Konsequenzen" werde der Fehler auf jeden Fall haben, meint Fuchs.

Inzwischen hat die Stadt die Verfugungen an den Sockelleisten entfernen lassen. Laut Messinstitut müssten die Zahlen jedoch niedriger sein, als sie sind - weshalb die Gutachter vermuten, dass es weitere Quellen für die ausdampfenden Gase gibt. An den Fensterfugen etwa. "Leider sind die Materialproben noch nicht ausgewertet", erklärt Fuchs. "Wir können daher jetzt noch nicht guten Gewissens eine Wiedereröffnung der Pretzfelder Straße zulassen."

Lange allerdings, betonen die Eltern, dürfe sich die Notlösung mit der Unterbringung der Kinder in Einrichtungen an der Wiesentfelser und an der Ehrenbürgstraße nicht mehr hinziehen - zu groß sei die psychische Belastung für die Kleinen. "Meine fünfjährige Tochter", berichtet eine Mutter, "ist eine total Robuste. Aber im Moment klebt sie an mir, ist regelrecht verängstigt". Die Jüngeren seien wirklich am Ende, bestätigt eine Erzieherin.

Die Betreuerinnen, lobt Elternbeiratsvorsitzende Stephanie Nebel, machten wirklich "einen tollen Job". Sie kümmerten sich rührend um die Kinder, gingen mit ihnen raus, wann immer es das Wetter erlaube. "Wir versuchen, unsere gesamte positive Kraft einfließen zu lassen", sagt eine zweite Erzieherin. "Aber wir wünschen uns auch, dass alles erledigt ist, wenn wir zurückkehren in die Pavillons. Selbst wenn das noch ein wenig Zeit kostet."

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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