Aubing:Jetzt reden die Anwälte

Die Anwohner an der Kastelburgstraße überlegen, gegen die geplante Erweiterung des Notquartiers zu klagen

Von Ellen Draxel, Aubing

Für die Stadt und die Politik ist das Thema Kastelburgstraße abgehakt, nicht aber für die Anwohner. Sie überlegen jetzt, gegen die geplante Erweiterung des Notquartiers gegenüber ihrer Reihenhaussiedlung zu klagen. "Wir fühlen uns von der Politik der etablierten Parteien regelrecht veralbert", sagt Anliegerin und Ex-SPD-Stadträtin Ida Hochstätter. Von der Stadtverwaltung seien Beschlüsse hinter dem Rücken der Bürger gefasst und von der Politik genehmigt worden - um Beschwerden der Anwohner auszuschalten. "So kann man kleine Kinder behandeln", ärgern sich die Nachbarn, "aber nicht mündige Bürger und Wähler hinters Licht führen." Diese Entscheidung werde Wählerstimmen kosten.

An der Aubinger Kastelburgstraße soll, andockend an eine bereits bestehende Notunterkunft für 180 alleinstehende Frauen und Familien, ein vierstöckiger Neubau für wohnungslose ältere Menschen entstehen. Die Anwohner intervenierten, kaum dass die Pläne bekannt wurden: Sie gaben zu bedenken, dass sich im Umkreis von wenigen hundert Metern schon mehrere Wohnungslosen- und Asylbewerberunterkünfte befänden und eine zusätzliche Einrichtung den "sozialen Frieden" in ihrem Quartier gefährden würde. Sie sprachen auch für die Bewohner der Kastelburgstraße 56-60, um deren Integration sie sich seit Jahren bemühen.

Es nutzte nichts: Das Sozialreferat und die Stadtspitze in Person von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) haben den Neubau inzwischen befürwortet, der örtliche Bezirksausschuss stimmte der Planung in modifizierter Form ebenfalls zu. Lange erhielten die Anlieger mit ihrer Forderung nach einem Alternativstandort Rückendeckung von den Lokalpolitikern. Doch als klar wurde, dass die Stadt von der Kastelburgstraße nicht abrücken will, erwirkten die Stadtteilvertreter zumindest einen Kompromiss.

Gegen diese Lösung, die aus ihrer Sicht keine ist - mit 230 statt 270 Betten für Alt- und Neubau, mit Spielplatz auf dem östlich benachbarten Grundstück und der Betreuung beider Häuser durch nur einen Träger - wollen die Anwohner nun voraussichtlich den Rechtsweg beschreiten.

Das Schreiben ihrer Anwälte ging bereits an die Lokalbaukommission. Der Vorbescheid, heißt es in dem Brief an die Genehmigungsbehörde, sei aus mehreren Gründen "rechtswidrig": Weder sei die künftige Nutzung des Gebäudes aus dem Bauantrag ersichtlich, noch würden Abstandsflächen eingehalten oder seien ausreichend Stellplätze ausgewiesen. Durch das Bauvorhaben müssten mehrere geschützte Bäume weichen, ohne dass Ersatzpflanzungen gefordert würden. Und die aus den Bauplänen ersichtliche, karg ausgestattete Spielfläche auf dem Grundstück genüge keineswegs der Münchner Freiflächengestaltungssatzung.

Das Sozialreferat hat zwar inzwischen eine große Spielzone auf dem Nachbargrundstück zugesagt. Doch abgesehen davon, dass die Kinder dafür eine "bereits jetzt hoch frequentierte Straße" queren müssten, was allein schon rechtlich problematisch sei, könne diese Fläche an der Kronwinkler Straße auch nicht langfristig gesichert werden. Denn dieses Areal ist für die neue Brandwache der Feuerwehr vorgesehen.

Am gewichtigsten aber wiegt für die Juristen das Argument, dass sich hier auf sehr kleinem Radius eine Vielzahl an Unterkünften findet. Eine Lastenverteilung sei damit nicht gegeben. Aufgrund dieser extremen Verdichtung sei es "auch ohne Bedeutung, wenn das Sozialreferat zu einer positiven Bewertung der Sozialverträglichkeit des Vorhabens unter Betrachtung der im 22. Stadtbezirk bereits bestehenden sozialen Einrichtungen gelangt". Durch die extreme Verdichtung werde ein "sozialer Brennpunkt" mit vorhersehbaren Konflikten erst geschaffen. Im Übrigen komme es durch den Neubau zu einer Versiegelung fast des gesamten Grundstückes - untypisch für Aubings sonstige Bebauung. Die Häuser in der Umgebung haben alle Gärten und Grünflächen.

Das Bauvorhaben, resümieren die Anwälte im Namen ihrer sechs Mandanten und "einer großen unterstützenden Anzahl von Anwohnern", sei also bereits wegen des Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot "unzulässig". Eine Klage ist mit dem Schreiben bis jetzt nicht verbunden, sondern nur die Bitte um eine Stellungnahme. Das weitere Vorgehen halten sich die Anwohner offen.

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