Aubing/Freiham:Verfahren

Das Rathaus lässt zwei Varianten für die Verkehrsanbindung Freihams an Aubing prüfen, die Bürgervereinigung fordert einen Baustopp im zweiten Abschnitt bis zur U-Bahn-Verlängerung. Die Politiker befürchten eine generell negative Einstellung gegen den neuen Stadtteil

Von Ellen Draxel, Aubing/Freiham

Aubing/Freiham: Die Aubinger Bürger fühlen sich schon jetzt vom Verkehr belastet und befürchten mit Freiham noch mehr. Auf dem Bild ist der Weg über den Aubinger Tunnel zu sehen.

Die Aubinger Bürger fühlen sich schon jetzt vom Verkehr belastet und befürchten mit Freiham noch mehr. Auf dem Bild ist der Weg über den Aubinger Tunnel zu sehen.

(Foto: Robert Haas)

Die Anbindung Freihams an Aubing ist ein heißes Eisen. Aubings Bürger sorgen sich, dass ihr Stadtteil noch mehr Verkehr abbekommt, ist der neue Stadtteil erst einmal bezogen. Das Planungsreferat ist sich dessen bewusst und schlägt deshalb vor, basierend auf den Ergebnissen mehrerer Bürger-Workshops und dem Statement des Aubinger Bezirksausschusses (BA), zwei Varianten näher zu untersuchen: Eine, als Nummer 6 betitelt, die die Haupterschließung durch Altaubing West favorisiert und von der Eichenauer Straße im Norden quer durch eine potenzielle, zwischen Autobahn und Aubings Stadtrand situierte Neubausiedlung mit 1000 Wohnungen führt. Plus eine weitere, die die Tangente Richtung Norden noch verlängert. Für diese Trasse, als Variante 7 bekannt, müsste allerdings eine über dem Aubinger Tunnel angelegte Naherholungsfläche mit Biotop-Verbundachsen und einem Kulturpfad geopfert werden. Der Planungsausschuss des Stadtrats hat nun am Mittwoch einstimmig beschlossen, beide Vorschläge in einer Machbarkeitsstudie vertieft untersuchen zu lassen.

Dem vorangegangen waren jedoch kritische Anmerkungen. Denn die Bürgervereinigung Aubing-Neuaubing, deren Vorsitzende Karin Binsteiner (Grüne) zugleich Chefin des Unterausschusses Verkehrsinfrastruktur im Stadtteilgremium ist, hatte zuvor ein provokantes Schreiben verteilt. An Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) adressiert, fordert die Bürgervereinigung, den zweiten Bauabschnitt des neuen Stadtteils so lange nicht zu realisieren, bis Freiham an das U-Bahn-Netz angeschlossen ist. Außerdem müssten die Kapazitäten der S-Bahn-Linie S 4 noch vor Bezug dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Geplant sind außerdem Expressbusse: Diese sollten bereits eingerichtet sein, bevor die ersten Bewohner kommen. Auch der Ausbau des Autobahnrings A 99 und die Umsetzung eines Radverkehrskonzepts werden vorab gewünscht. Ansonsten, so die Bürgervereinigung, werde Aubing im "Verkehrschaos" versinken.

Aubing/Freiham: Die Aubinger hoffen auf einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die Aubinger hoffen auf einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.

(Foto: Robert Haas)

Ein Szenario, das Stadträten und Lokalpolitikern eindeutig zu weit geht. Das Thema, bestätigte Stadtrat und Bezirksausschussmitglied Johann Sauerer (CSU) bereits bei der Planungsausschuss-Sitzung am Mittwochmorgen, sei zwar "sehr explosiv und schwierig". Umso mehr hätten ihn die Forderungen der Bürgervereinigung "geärgert und verwundert". Sauerer hält den Brief "nicht nur für falsch, sondern auch für sehr gefährlich": Könne die Meinung der Bürgervereinigung doch dazu beitragen, Bürger gegen Freiham aufzubringen. Ziel der Politiker ist es aber, einen harmonischen Stadtteil zu schaffen, ein Miteinander zwischen gewachsenen und neuen Strukturen und zwischen alteingesessenen und neu hinzuziehenden Bewohnern zu ermöglichen.

Unterstützung bekam Sauerer von Kollegen anderer Fraktionen. Katrin Habenschaden, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rathaus und Aubingerin, räumt ein, dass Veränderungen zu spüren sein werden, gleichgültig, welche Variante letztlich zum Tragen kommt. "Die Schlussfolgerung kann aber nicht sein, deshalb jetzt die Planungen für den zweiten Realisierungsabschnitt einzustellen." Stattdessen müsse geprüft werden, wie Schleichverkehr künftig verhindert werden könne. SPD-Stadtrat Christian Müller formulierte es noch drastischer: "Wir können es uns in München einfach nicht leisten, keine Wohnungen zu bauen, indem wir die Planung für Freiham zurückstellen." Im Übrigen sei es "äußerst ärgerlich, wenn der Stadtrat Beschlüsse zugunsten der Bevölkerung fasst, die dann vor Ort so torpediert werden". Auch er, ebenfalls im Münchner Westen zu Hause, bestätigt, dass der Ortskern Aubing bereits jetzt völlig überlastet sei.

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Die Aubinger fürchten viel Verkehr durch den Ortskern.

(Foto: Florian Peljak)

Am Mittwochabend in der Sitzung des Bezirksausschusses kommt das Thema erneut zur Sprache. Mehrere Aubinger monieren die "anscheinend vollkommen außer Kontrolle geratenen Planungen" der Stadt. Sie kritisieren, dass eine "Umgehungsstraße" geschaffen werden solle, die "Anschluss an die Zone 30 in der Eichenauer und Wildenrother Straße bekommt". Diese "Hauptverkehrsachse" führe nicht nur nahe der Grundschule an der Gotzmannstraße vorbei, "deren Schüler schon heute nur unter massivem Einsatz von Schülerlotsen unbeschadet zum Unterricht" kämen. Sie passiere auch einen Hort der Arbeiterwohlfahrt und den Wohnkomplex der Gewofag/Heimag mit 424 Wohnungen und vielen jungen Familien mit Kindern. Vor den Häusern, sagen sie, müsste eigentlich die Infrastruktur geschaffen werden. "Bei uns aber wird das Ganze von der falschen Seite aus aufgezäumt."

Die Lokalpolitiker unterstützen die Bürger, nicht von ungefähr haben sie für die Verlängerung der U 5 bis Freiham gekämpft. Kommende Woche beschließt der Stadtrat die U-Bahn-Planung - "zehn Jahre zu spät, aber immerhin", so Sauerer. Auch die Expressbusse werden laut MVG verfügbar sein. Umgekehrt ist es den Stadtteilvertretern wichtig, dass die Debatte sachlich und inhaltlich korrekt geführt wird. "Unser Problem", betont Sauerer, "ist nicht Freiham. Unser Problem ist der Durchgangsverkehr."

Die Bürgervereinigung trommelt jedenfalls weiter - unter anderem bei einem Infoabend am Donnerstag, 31. Januar, 19 Uhr, im Ubo 9, Ubostraße 9.

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