Aubing:Eisige Stimmung

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Mithilfe der "Jungen Aubinger", denen zwei ehemalige Genossen angehören, kann Sebastian Kriesel (CSU) den Vorsitz im Stadtviertelgremium behaupten. Das gibt böses Blut - und sogar eine Entscheidung per Los

Von Ellen Draxel, Aubing

Auf den ersten Blick scheint alles eitel Sonnenschein. Sebastian Kriesel übernimmt erneut den Vorsitz im Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied. Der CSU-Politiker, der die Geschicke des Stadtbezirks bereits in der vergangenen Amtsperiode maßgeblich gelenkt hatte, wurde am Mittwochabend im Großen Sitzungssaal des Münchner Rathauses mit 16 von 23 Stimmen wiedergewählt. Erwartbar auch das Mandat für Boris Schwartz (Grüne): Für den Chef der Münchner Markthallen als Kriesels Stellvertreter votierten 19 BA-Mitglieder, ebenfalls ohne Kampfkandidatur. Wie zerbrechlich die heile Fassade aber in Wahrheit ist und wie dünnhäutig die Bürgervertreter reagieren, offenbarte nach Bekanntgabe des Ergebnisses für Kriesel ein Kommentar von SPD-Fraktionschef Thomas Hampel. Das sei "ja eine sehr seltsame Wahl", monierte der Ingenieur angesichts der Tatsache, dass die sechs Nein-Stimmen gegen Kriesel zu den ungültigen Stimmen zählten, statt explizit als Gegenvotum genannt zu werden.

Spätestens bei der Wahl des zweiten Stellvertreters trat dann offen zutage, was zuvor hinter den Kulissen geschwelt hatte: Ein hitziger Streit um Posten, ausgetragen zwischen der CSU und den "Jungen Aubingern" einerseits, Grünen, SPD und einem Zusammenschluss aus Freien Wählern und ÖDP andererseits. Zwei der drei "Jungen Aubinger", Tamara und Sebastian Kratzer, hatten bis Anfang April noch der SPD-Fraktion angehört, sich dann aber aufgrund von Differenzen von ihren Genossen getrennt und mit Tobias Müller von der FDP eine eigene Ausschussgemeinschaft gegründet. Die Folge war eine Verschiebung der Machtverhältnisse: Hatten sich die Grünen anfangs noch mit Unterstützung der SPD und der FW/ÖDP Hoffnung auf den Vorsitz machen können, hatte nun die CSU mit den Jungen Aubingern mit einer Stimme die Mehrheit.

Noble Kulisse: Nicht wie sonst im Schnitzel- und Hendlhaus, sondern im großen Sitzungssaal des Rathauses tagen diesmal die Aubinger. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sebastian Kratzer sollte auf eigenen Wunsch und den der CSU zweiter stellvertretender BA-Vorsitzender werden, hätte sich aber gegen Roland Jung (FW) behaupten müssen, den Favoriten der anderen Fraktionen. Doch offenbar scherte gleich zweimal hintereinander ein BA-Mitglied aus: Bei Stimmengleichheit entschied schließlich das Los - und Jung hatte das Glück auf seiner Seite. Kopfschütteln bei der CSU, zufriedene Gesichter bei SPD, Grünen und FW/ÖDP.

Fortan waren die Dämme gebrochen, mögliche Absprachen galten nicht mehr, und die ohnehin eisige Stimmung wurde noch unterkühlter. Sebastian Kratzer kandidierte als erster Beisitzer für den Vorstand und gewann mit einer Stimme Mehrheit gegen Brigitta Bacak (SPD) - woraufhin die erfahrene Sozialpolitikerin erklärte, sie stehe für die Wahl des zweiten Beisitzers "nicht mehr zur Verfügung". Diesen Posten hat nun Tobias Müller (Junge Aubinger) inne. Kassier wird Sozialdemokrat Hampel, sodass zumindest alle Fraktionen im Vorstand vertreten sind.

Wiedergewählt: Sebastian Kriesel von der CSU. Die Grünen hatten sich vergeblich Hoffnung auf den Vorsitz gemacht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei der Wahl einiger Unterausschuss-Vorsitzender ein ähnlich dissonantes Procedere: CSU-Fraktionssprecher Manfred Spannagl übernimmt die Leitung des Unterausschusses Stadtbezirksbudget, Kultur, Sport, vertreten wird er von Tamara Kratzer, die das Amt ganz knapp gegen Jung errang. Parteipolitik obsiegte auch bei der Wahl zum Vorsitzenden des Unterausschusses Planen, Bauen, Umwelt. Boris Schwartz (Grüne), lange im Planungsausschuss des Stadtrats aktiv, unterlag mit elf zu zwölf Stimmen Sebastian Kratzer (Junge Aubinger).

Um Soziales, Bildung, Familien, Kinder und Jugendliche kümmert sich künftig Barbara Götz-Schubach (CSU), Sozialpädagogin und Hausleiterin eines Wohnheimes für Männer am Langwieder See. Sie bekam 13 Stimmen, ihre Kontrahentin Anke Roth von der ÖDP, eine Kita-Leiterin, nur zehn. Roth wird nun Stellvertreterin. Und der Unterausschuss Verkehrsinfrastruktur, Verkehrsplanung und Mobilität? Dessen Themen gehören zu den brisantesten im Viertel angesichts des Zuwachses an Einwohnern vor allem durch Freiham. Die Leitung dieses Unterausschusses bleibt in den Händen von Karin Binsteiner (Grüne).

"An diese Art des Umgangs", meinte jedenfalls Boris Schwartz ernüchtert, müsse er "sich erst gewöhnen". Es sei, resümiert Sebastian Kriesel, "demokratisch gelaufen". Jetzt sei es "wichtig, wieder in den Arbeitsmodus zu gehen".

© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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