Süddeutsche Zeitung

Aubing:Ein Haus zum Ankommen

Die Stadt will in der Siedlung an der Gilchinger Straße in einigen Jahren einen Nachbarschaftstreff errichten. Um das bisher erreichte Miteinander nicht zu gefährden, wird jetzt der Ruf nach einer Interimslösung laut

Von Ellen Draxel, Aubing

Die Siedlung an der Gilchinger Straße soll langfristig einen Nachbarschaftstreff bekommen. Das Amt für Wohnen und Migration im städtischen Sozialreferat hat eine entsprechende Bitte des Regionalen Netzwerks für soziale Arbeit (Regsam), des Aubinger Bezirksausschusses und der SPD-Fraktion im Rathaus aufgegriffen und eine Beschlussvorlage erarbeitet, die Mitte Dezember dem Sozialausschuss des Stadtrats vorgelegt werden soll.

Geplant ist demnach der Bau eines solitären Gebäudes auf dem Areal der Gewofag-Wohnanlage am Rande Altaubings, allerdings erst von 2024 an. Weil die 2017 begonnene Schwerpunktarbeit von Regsam in diesem Gebiet aber inzwischen beendet ist, fordern Aubings Lokalpolitiker eine Interimslösung, um die mittlerweile entstandenen Projekte nicht zu gefährden und das Engagement der Bewohner weiter aufrechtzuerhalten. "Dass wir 2024 einen Festbau kriegen, ist in keinster Weise realistisch, da brauchen wir uns nichts vorzumachen", meint die Regsam-Beauftragte im Stadtteilgremium, Dagmar Mosch (Grüne). Schließlich müsse dieser Treff ja erst noch genehmigt, finanziert und realisiert werden. "Wir wären aber froh, wenn wir in zwei oder drei Jahren dort zumindest einen Container stehen hätten."

Dass solch einen Anlaufstelle in dem Quartier dringend nötig ist, darüber sind sich alle einig. Rund 1400 Menschen leben in den 424 Sozialwohnungen der Hochhaussiedlung, darunter Familien unterschiedlichster Nationalitäten mit vielen Kindern, die ihren engen Radius kaum verlassen. Für sie braucht es wohnortnah Angebote, sich zu vernetzen, an Veranstaltungen teilzunehmen, sich in die Gemeinschaft zu integrieren. "Vorurteile und Ängste sollen abgebaut und ein gegenseitiges Kennenlernen gefördert werden", heißt es in dem Papier des Sozialreferats.

Zwar gibt es im Stadtbezirk bereits eine soziale Infrastruktur, die Kinder- und Jugendfreizeitstätte Aubinger Tenne an der Ubostraße etwa oder das Alten- und Servicezentrum am Aubinger Wasserturm. "Aber da gehen nur wenige hin, weil das zu weit weg ist und die Fahrtkosten zu hoch sind", haben die Regsam-Mitarbeiter inzwischen festgestellt.

Dank des Sozialnetzwerks ist in den vergangenen Jahren dennoch schon einiges passiert an der Gilchinger Straße. Es gab Spielangebote in den Oster-, Pfingst- und Herbstferien sowie Förderangebote für Kinder und Jugendliche. "Dieses Jahr haben wir zum Beispiel mit Kindern Grasköpfe angepflanzt und sind mit dem Bund Naturschutz den Autobahnwall an der A 99 entlangmarschiert", erzählt Dagmar Mosch. 2019 fand ein Straßenfest mit einem Kulturprogramm statt, das von Einrichtungen und Vereinen aus dem gesamten Stadtbezirk mitgestaltet wurde. Anwesend waren damals nicht nur Bewohner der Hochhaussiedlung, sondern auch Aubinger aus den benachbarten Einfamilienhäusern - zuvor hatten sich diese Nachbarn kaum getroffen. Das Fest hätte eigentlich auch heuer stattfinden sollen, musste wegen der Pandemie dann aber abgesagt werden.

Außerdem läuft inzwischen ein Pilotprojekt namens "Lernfrühstück". Jede Woche treffen sich Eltern in der Aubinger Tenne zum Familiencafé, um über Erziehungs- und Bildungsfragen zu debattieren. Gerade dieses auf Regelmäßigkeit angelegte Projekt ist aus Regsam-Sicht "ungemein wichtig, da im Umfeld der Wohnanlage kein Familienzentrum oder ähnliches existiert". An diesen Vormittagen, weiß Bürgervertreterin Mosch, "erfahren die Leute erst, was es bei uns Stadtbezirk alles gibt, ein Bildungslokal zum Beispiel. Vorher wussten sie das nicht".

Der jetzt geplante Nachbarschaftstreff soll dazu dienen, solche Aktivitäten weiterzuführen und sie um weitere wie etwa Sprachkurse, Gymnastik- und Tanzangebote, Vorträge oder Infoveranstaltungen zu ergänzen. Auch das Mieten von Räumlichkeiten für private Feiern und Veranstaltungen ist bei der sogenannten Quartierbezogenen Bewohnerarbeit des Sozialreferats denkbar. Kommendes Jahr, sagt Dagmar Mosch, wolle sich Regsam auf jeden Fall noch einmal einbringen - mit Kinderaktionen und, sofern coronabedingt machbar, auch mit der Organisation eines weiteren Straßenfestes. "Vorausgesetzt, die Bewohner wollen das."

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SZ vom 13.11.2020
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