Süddeutsche Zeitung

Aubing:Die Kultur wird ins Werk gesetzt

Die Mineralölfirma Allguth will das alte Heizkraftwerk in Aubing zu einer monumentalen Kulturstätte mit überregionaler Strahlkraft umgestalten. Das Konzept sieht einen Konzertsaal und spektakuläre Ausstellungsräume vor, in denen auch unbekannte Künstler eine Bühne erhalten sollen

Von Ellen Draxel, Aubing

Aubings ehemaliges Heizkraftwerk soll zum Kulturtempel umgestaltet werden. Seit Jahren pilgern Fotoabenteurer und Ruinenliebhaber zu diesem "Lost Place" an der Rupert-Bodner-Straße - das Zutrittsverbot macht den von 1940 bis 1942 errichteten Ziegelbau als Ziel urbaner Jugendkultur nur umso interessanter. Doch damit dürfte bald Schluss sein.

"Unser Ansinnen ist es, dort einen Ort zu schaffen, der für jedermann zugänglich ist", sagt Allguth-Geschäftsführer Michael Amberger. Geplant ist eine neue Destination für Kunst und Kultur im Münchner Westen, die Strahlkraft über die Region hinaus entfaltet. "Uns schwebt eine Kulturstätte vor, wo Kunst diskutiert, ausgestellt und präsentiert wird, wo aber auch Events und Gastronomie möglich sind." "Kunstkraftwerk" haben die Eigentümer Christian und Michael Amberger ihr Vorhaben getauft. Der Bauantrag dafür liegt seit Dezember bei der Lokalbaukommission.

2005 bereits hatte die Mineralölfirma und Tankstellenbetreiberin Allguth das Gelände von der damaligen Bahngesellschaft Vivico erworben. Sie wollte dort zunächst ihren Firmensitz errichten, entschied sich dann aber doch für ein anderes Gebäude. "Verliebt" hätten sie sich in die Immobilie aber schon damals, sagt Michael Amberger. Der "Brückenschlag" zum Kulturzentrum, in dem viele Nutzungsarten verzahnt werden, sei gelegt worden, als der unter Denkmalschutz stehende Kubus als Interimsspielstätte der Münchner Philharmoniker für die Zeit des Gasteig-Umbaus gehandelt wurde. "Wir sind nie angetreten, einen Konzertsaal zu errichten." Doch die Idee einer kulturellen Nutzung hatte Charme, "und inzwischen pocht unser Herz dafür". Auch wenn es aus Unternehmersicht wirtschaftlichere Projekte gebe.

Das Konzept, das das Münchner Architekturbüro Stenger in den vergangenen eineinhalb Jahren für das verwilderte Areal am Stadtrand erarbeitet hat, sieht einen behutsamen Umgang mit dem historischen Erbe vor. Das ehemalige Kraftwerk wurde in der Zeit des Nationalsozialismus errichtet; die Pläne stammen aus den Jahren zuvor. "Das ist wichtig, weil die Fassade nichts mit dem Nazi-Regime zu tun hat", betont Architekt Markus Stenger.

Der monumentale Industriebau, so die Idee der Eigentümer und Planer, soll auch in Zukunft die Optik des Ortes dominieren. Man will ihm aber einen "dienenden, untergeordneten Neubau" zur Seite zu stellen. Das kompakte, im Vergleich zum Heizkraftwerk nur halb so hohe Nebengebäude soll Platz für ein als Konzertsaal nutzbares Auditorium mit 200 Sitzplätzen bieten und gleichzeitig Raum schaffen für Ausstellungen und Events. Auch Büros für Kreativagenturen und ein Foto-Studio sollen dort unterkommen können. Dieses ergänzende Gebäude sei wichtig, damit sich der Standort rechne, erklärt Stenger. "Denn die Halle selbst ist schwierig als Kulturraum nutzbar, das muss man schon mal sagen."

Das ehemalige Heizkraftwerk ragt 25 Meter in die Höhe. Wenn man es betritt, sagt Stenger, überkomme einen dasselbe Gefühl wie beim Pantheon in Rom: "Man muss den Kopf in den Nacken legen, um die Decke sehen zu können." Der bislang leere Raum ist das Herz der neuen Kulturstätte. Seine Wirkung zu erhalten und die Horizontale dennoch erlebbar zu machen, war von Anfang an Leitidee des Entwurfs. Eingebaut werden sollen daher lediglich ein Technikblock zur Versorgung eines Bistros und eines Restaurants im Erdgeschoss sowie eine Treppe in der Mitte der Halle, die zu einer Rundum-Galerie auf Höhe des ersten Stocks und zu zwei Ausstellungsräumen in den oberen Etagen führt. Ansonsten soll im Foyer die Weite des Raumes bestehen bleiben. Steger weist noch auf einen großen, "spektakulären Ausstellungsraum" im Untergeschoss des Heizkraftwerks hin, ein besonderes Zuckerl für Kreative.

Die Brüder Amberger wollen, das stellen sie in ihrem Konzeptpapier ausdrücklich klar, mit dem "Kunstkraftwerk" auch unbekannten Künstlern eine Bühne bieten, um den Münchner Kunstmarkt zu beleben. Abseits von klassischen Galerien und Kunstmessen. "Dafür werden wir sicher eine Vielzahl an Kuratoren einbinden, die auch schon in den Startlöchern stehen", sagt Michael Amberger. Noch will er dazu nicht mehr verraten, "dafür ist es ohne endgültige Baugenehmigung noch zu früh". Ebenso wichtig ist es den Eigentümern aber auch, das Haus mit dem Viertel zu verbinden. Geplant ist eine kulinarische Erlebniswelt samt Restaurant mit Terrasse und Biergarten. "Das", sagt Michael Amberger und lächelt, "gehört zum Münchner Leben einfach dazu".

Dass die Bauherren trotz wirtschaftlichen Denkens auch noch Fauna und Flora im Blick haben, hat Stadt und Naturschützer bereits für das Projekt eingenommen. Schon bevor sie den Bauantrag einreichten erhielt die Allguth GmbH vom Referat für Gesundheit und Umwelt und dem Landesbund für Vogelschutz eine Auszeichnung für ihr Engagement zum Schutz der Mopsfledermaus. Diese seltene Tierart hatte sich im Keller des Heizkraftwerks einquartiert und wird dort auch beheimatet bleiben. "Überwältigt und geplättet" sind außerdem Aubings Lokalpolitiker. Sie haben dem Vorhaben erfreut zugestimmt.

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SZ vom 23.02.2018
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