Au:Stabile Seitenlage und eine warme Decke

Am Maria-Theresia-Gymnasium sind gut ausgebildete Schulsanitäter im Einsatz. Das geht nicht ohne Handy

Von Uli Ertle, Au

Pauls Auge - nennen wir ihn einfach Paul - Pauls Auge tut weh. Es ist rot und tränt. Schuld war ein Stift eines Mitschülers. Paul hat Fechten gespielt - und verloren. Er sitzt vor dem Sekretariat und blinzelt angestrengt. Jetzt wird dringend ein Schulsanitäter benötigt. Ein Schulsanitäter? Was ist das denn?

"Schulsanitäter", erklärt Ewa Schimmer, "sind Schüler, die eine intensive Ausbildung in Erster Hilfe bekommen haben." Ewa Schimmer ist Lehrerin am Maria-Theresia-Gymnasium. Sie unterrichtet Biologie, Chemie und Schwedisch - und bildet Schulsanitäter aus. Es gibt einen Grundkurs, den macht man in der achten Klasse. Danach folgen in jedem Jahr Aufbaukurse. 25 Ersthelfer hat das Maria-Theresia-Gymnasium im Sanitätsteam. Sie werden alarmiert, wenn einem Mitschüler schwindlig oder übel ist, wenn er sich beim Klettern im Pausenhof verletzt hat, wenn er sich beim Sport wehgetan hat - oder wenn er beim Fechten einen Stift ins Auge bekommen hat.

Eigentlich läuft bei Schulsanitätern alles genau so ab wie bei den "echten" Sanitätern. Sie werden angerufen, wenn etwas passiert ist, behalten idealerweise einen kühlen Kopf, leisten Erste Hilfe und entscheiden sofort, was zu tun ist: Rettungsdienst rufen, Krankenwagen holen oder die Eltern verständigen. Oder der Patient erholt sich nach einer kurzen Behandlung wieder. "Das kommt am häufigsten vor", sagt Schimmer. Schulsanitäter tun alles, was Ersthelfer auf der Straße oder etwa im Sportverein auch machen. Nur sind es in diesem Fall Mitschüler, die sehr schnell da sein können, um Hilfe zu leisten. Mitschüler wie Isabell Reis, Pauline Platzer, Gabriel Betz, Luka Zivkovic oder Alexandra Paal.

Au: Isabel und Gabriel zeigen an Luka die korrekte Seitenlage.

Isabel und Gabriel zeigen an Luka die korrekte Seitenlage.

(Foto: Uli Ertle)

Alexandra ist 17 Jahre alt und geht in die elfte Klasse des Maria-Theresia-Gymnasiums. In der achten Klasse schon kam sie dazu, heute ist sie ein Mitglied des Leitungsteams. "Meinen ersten Einsatz werde ich nie vergessen", sagt Alexandra. Sie hat kurze, fast weiß blondierte Haare, roten Lippenstift aufgelegt und trägt eine Lederjacke. Bei ihrem ersten "Ernstfall" war sie erst seit zwei Monaten ausgebildet. Sie wurde damals verständigt, weil ein Junge auf dem Weg zum Unterricht von seinem Fahrrad gestürzt war. Beide Hände taten ihm weh. "Ich habe mit ihm gesprochen, habe eine Decke geholt, dann den Krankenwagen rufen lassen." Der Arzt im Krankenhaus hat dann festgestellt, dass sich der Bub beide Handgelenke gebrochen hatte. "Gut, dass ich das damals nicht wusste", schmunzelt sie.

Pauline hat schon in der siebten Klasse mit dem Sanitätsdienst angefangen. "Freundinnen von mir hatten damals immer wieder Kreislaufprobleme - und da ist es einfach gut, wenn man weiß, was man tun kann." Was macht man in so einem Fall? "Stabile Seitenlage", kommt es ohne Zögern zurück. So nennt man das, wenn man einen Verletzten auf eine Seite dreht und mit einem Bein und einem Arm eine Art Plattform bildet, damit sich der Patient nicht umdrehen und aufs Gesicht oder den Rücken legen kann. "Meistens sind die Lehrer ja ganz froh, wenn jemand da ist, der kompetente Hilfe leisten kann", sagt Gabriel. Gabriel, der schon bald Abi macht, gehört ebenfalls zum Leitungsteam.

Au: Auch Verbinden will gelernt sein. Handschuhe sind dabei Pflicht.

Auch Verbinden will gelernt sein. Handschuhe sind dabei Pflicht.

(Foto: Uli Ertle)

Aber auf welchem Weg erfahren die Sanitäter, dass einem Mitschüler etwas passiert ist? Handys sind doch in der ganzen Schule verboten. Und im Unterreicht erst recht. "Die Sanitäter werden in Teams eingeteilt, die dann für eine gewisse Zeit Bereitschaftsdienst haben", sagt Pauline Platzer. In einem Dienstplan sind die Dreierteams eingetragen - zwei erfahrene und ein Sanitäter-Anfänger. Diese drei Schüler haben ein besonderes Privileg: Schulsanis, wie sie selbst sich nennen, sind die einzigen Schüler, die in der Schule ein Handy haben dürfen. Und kein Lehrer kann sie schimpfen, wenn es mitten in der Stunde klingelt.

Das passiert gar nicht so selten: Im Schnitt zweimal pro Woche klingelt bei einem der Diensthabenden das Telefon. Die Sekretärin der Schule verständigt die Ersthelfer. Wenn er gerade keine Schulaufgabe schreiben muss, verlässt der Sanitäter sofort die Klasse und eilt zum Verletzten. "Dann wird entschieden, was zu tun ist", sagt Luka Zivkovic, 16 Jahre alt. Manchmal kommen alle drei zum Unfallort, manchmal kann auch nur einer der Diensthabenden in diesem Moment helfen. Im Fall des Schülers, dem es ganz plötzlich ganz furchtbar schlecht wurde, war Luka der einzige, er war auf sich gestellt. Der Schüler wollte auf die Toilette. Luka wartete. Aber der Junge kam nicht wieder. "Da wurde ich ziemlich nervös", erzählt der Sani. Er rannte von Toilette zu Toilette, riss die Türen auf, rief nach dem Mitschüler - aber der blieb verschwunden. Panisch rannte Luka zurück zum Sekretariat. Man überlegte gemeinsam, suchte den Verletzten überall. "Nach einiger Zeit haben wir herausgefunden, dass der Mitschüler nach dem Besuch auf der Toilette einfach nach Hause gegangen war."

Genau wie Paul an diesem Vormittag. Noch bevor die Sanitäter eingreifen konnten, wurde er von seiner Mutter abgeholt und direkt zum Augenarzt gebracht.

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