Eigene Stärke zeigen, präsent sein und dabei auch ungewöhnliche Pfade betreten, all diese Eigenschaften sind Annika Juds, 39, vertraut. Denn die Künstlerin mit einer Vorliebe für naturverbundene und farbenfrohe Motive ist eigentlich Rechtsanwältin. "Oft werde ich gefragt, wie beides zusammenpasst. Aber da gibt es mehr Gemeinsamkeiten, als man denkt. Beides ist oft Projektarbeit, die viel Planung und Leidenschaft für ein gutes Produkt, aber auch Kreativität erfordert."
Die 24 Bilder ihrer Ausstellung "Faces Uncovered" zeigen ausnahmslos Frauenporträts. Auf einem der Werke blickt die Protagonistin mit sehnsuchtsvollen Augen Richtung Meer. "Be.Somewhere.Else" lautet der Titel und beschreibt damit jene Alltagsmomente, in denen sich die eigenen Gedanken an ferne Orte träumen. Auch Juds kennt diese Momente, in denen sie am Schreibtisch ihrer Kanzlei sitzt und der Blick durch das Fenster in die Weite schweift. Die Gesichter der Frauen sind ausdrucksstark. Ihre auratischen Augen richten fragende, teils suchende Blicke in den Raum, ohne dabei verloren zu wirken. Im Gegenteil. Durch die willkürlich gesetzten Akzente in Neonfarbe und die filigranen Details des Edding-Filzers entsteht etwas Kraftvolles und Aufstrebendes.
Entstanden sind alle Werke in den vergangenen fünf Monaten und haben somit durchaus einen aktuellen Bezug. Denn unbedeckte Gesichter zu sehen ist im momentanen Alltag nicht mehr selbstverständlich. Dabei entscheidet eine Zehntelsekunde über den ersten Eindruck: Unsere Mimik ist Entscheidungsträger für Erkennen, Sympathie, Wahrheit und Vertrauen. Somit sind die Bilder zugleich eine "Hommage an die Ausdruckskraft unserer Gesichter und der nonverbalen Kommunikation", sagt Juds.
Vier Formate sind in Zusammenarbeit mit ihrer Künstlerkollegin und Freundin Ivonne Petzold entstanden. "Diese Herausforderung mussten wir einfach annehmen. Unsere künstlerischen Stile sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können". Petzold verwandelt Farbe in Strukturen, Juds vereint diese mit Gesichtern, die Wirkung zeigen. Die Basis der Bilder ist Holz, ein Naturmaterial. Erst durch die folgenden Schichten aus Acryl, Filzstift oder Tinte, kombiniert mit grellen Farben, erhalten die Bilder eine künstliche Optik. Ein besonderes Faible hat die Autodidaktin für die Verwendung von Epoxidharz entwickelt. In unzähligem Experimentieren - mischen, erwärmen und erkalten lassen - gibt dieser Kunststoff den Werken eine spiegelnde Oberfläche. Das Zwei-Komponenten-Harz, das normalerweise zur Versiegelung von Böden oder im Schiffsbau Verwendung findet, ist nur für rund 30 Minuten im flüssigen und somit verwendbaren Zustand.
Annika Juds spricht lebhaft und schnell, als sie von der komplexen Mischtechnik erzählt - man spürt die sprudelnden Gedanken und Ideen, die sich in ihrem Kopf tummeln. Woher nimmt sie nur die Zeit für dieses kreative Schaffen? Ihren Job in einer großen Kanzlei hat die Wahl-Münchnerin Anfang Februar gekündigt. "Was gibt es noch im Leben, und wie möchte ich meine Zeit verbringen?" Diese Fragen haben sie dazu ermutigt, sich in den nächsten Monaten ausschließlich ihrer Kunst zu widmen.
Annika Juds selbst kehrte gerade frisch aus ihrem Heimaturlaub von der Insel Rügen zurück. Man hat den Eindruck, ihre ansteckende positive Energie hat sich dort aufgeladen, bei ausgiebigen Blicken auf das weite Meer.
"Faces Uncovered", von Annika Juds, Vernissage an diesem Donnerstag, 13. August, 19 Uhr, in der "Be Art Galerie" (vormals Kunstgaleriebar), Oefelestraße 6, bis zum 6. September, Öffnungszeiten: mittwochs bis sonntags, von 14 bis 22 Uhr.