Asylsuchende in München:Flüchtlinge ziehen ins Eine-Welt-Haus

Asylsuchende in München: Mit Sack und Pack: Die Flüchtlinge verlassen das Gewerkschaftshaus und gehen zunächst ins Eine-Welt-Haus.

Mit Sack und Pack: Die Flüchtlinge verlassen das Gewerkschaftshaus und gehen zunächst ins Eine-Welt-Haus.

(Foto: Robert Haas)

Die protestierenden Asylbewerber verlassen die Räume des Deutschen Gewerkschaftsbundes in München. Sie wollen aber weiter in der Stadt für Bleiberecht und die Abschaffung der Residenzpflicht kämpfen.

Von Bernd Kastner

Sie halten Wort. Es ist kurz vor elf am Sonntagvormittag, da setzt sich eine kleine Karawane in Gang. Dutzende Flüchtlinge verlassen, wie sie es versprochen haben, das Gewerkschaftshaus, Schlafsäcke und Isomatten unterm Arm, und ziehen weiter.

Aber erst mal nur hundert Meter, ins Eine-Welt-Haus. Dort setzen sich die Asylsuchenden im großen Saal zusammen und beraten, wie es weitergeht. Die Nacht auf Montag wollen sie dann in kleinen Gruppen bei verschiedenen Unterstützern verbringen. Der Protest soll weitergehen, daran lassen sie keinen Zweifel.

Gelöst ist die Stimmung jetzt an der Schwanthalerstraße. Matthias Jena ist gekommen, der bayerische DGB-Chef, dem nicht immer wohl war in den vergangenen eineinhalb Wochen. Die "Non Citizens", wie sich die Gruppe nennt, weil sich die protestierenden Flüchtlinge grundlegender bürgerlicher Rechte beraubt fühlen, hatten sich spontan im Keller des Gewerkschaftshauses einquartiert, nachdem sie aus Würzburg und Bayreuth nach München marschiert waren.

Verheerendes Szenario

Heftig haben die Gewerkschafter diskutiert, wie sie umgehen sollen mit dieser Situation, schließlich taugt ein Bürogebäude nicht für einen langen Aufenthalt. Das Haus räumen lassen? Verheerend wäre dieses Szenario gewesen, zumal der DGB die meisten Forderungen der Flüchtlinge ja unterstützt: Weg mit den Essenspaketen, weg mit der Residenzpflicht, für eine menschenwürdigere Unterbringung.

Auf keinen Fall wollte man einen Polizeieinsatz, sagt Jena. Andererseits sei die Okkupation des Gewerkschaftskellers auch nicht in Ordnung. Also haben sie lange miteinander geredet, Gewerkschafter und Flüchtlinge, immer wieder, um Verständnis füreinander zu schaffen. "Sehr anstrengend" seien diese Tage gewesen, sagt Jena.

Er raucht eine Zigarette, während die etwa 50 Flüchtlinge ihre Sachen nach oben tragen. Dann betont der DGB-Chef noch, wie "hervorragend" er mit der Polizei zusammengearbeitet habe. Ständig in Kontakt seien sie gewesen, die Beamten hätten sich angenehm zurückgehalten und ihm versprochen, dass die Flüchtlinge eine Art freies Geleit bekommen, das DGB-Haus also ungehindert verlassen dürfen, um neue, geeignetere Quartiere aufzusuchen.

Ungewissheit für die Flüchtlinge

Auch die Polizei hält Wort an diesem Sonntag. Jene Polizei, auf die die Flüchtlinge gar nicht gut zu sprechen ist. Weil sie auf ihrem Weg nach München immer wieder kontrolliert wurden, weil es dabei unschöne Szenen auf den Straßen gab, weil einige Asylsuchende, die ohne Erlaubnis ihren "Heimat"-Bezirk verlassen haben, zurückgebracht wurden.

Die Stimmung war aufgeheizt, als sie am 3. September in München ankamen. Und die Gefahr, dass sich alles aufs Neue aufschaukelt, besteht weiterhin. Wie lange werden die Behörden den "Ungehorsam" der Flüchtlinge dulden? Wann wird die Polizei wieder kontrollieren, ob jemand gegen die Residenzpflicht verstößt? Was passiert mit einem "Wiederholungstäter"? Polizeisprecher Wolfgang Wenger gibt zu verstehen, dass die Polizei einem fortdauernden Rechtsbruch nicht zuschauen dürfe.

Zunächst aber wollen die Flüchtlinge diskutieren über dieses bayerische Recht. Am Dienstag sind sie mit Landtagsabgeordneten verabredet, das gab es noch nie. In einer Demo wollen sie zum Maximilianeum ziehen, um ihre Forderungen den Politikern direkt mitzuteilen. Ghlam Vali, einer der Sprecher der Asylsuchenden, ist weiter voller Hoffnung, dass dieses Gespräch etwas bringt, obwohl kein Abgeordneter eine der Hauptforderungen der Flüchtlinge erfüllen kann, nämlich ihnen dauerhaftes Bleiberecht zugestehen.

Klein beigeben wird die Gruppe kaum. Zu viel haben sie schon gemeinsam durchgestanden, viele waren beim Hungerstreik auf dem Rindermarkt dabei, seit Wochen schlafen sie auf dünnen Matten. "Wir sollten nicht die Hoffnung verlieren", sagt Vali. "Sie können uns nicht stoppen." Er meint Politik und Polizei. Jetzt aber bedankt er sich erst mal bei Matthias Jena. Beide versichern, weiter zu kämpfen für eine andere Asylpolitik, beide auf ihre Art. Dann umarmen sie sich zum Abschied.

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