Asylsuchende Chinesin:Eingesperrt, geschlagen und ausgebeutet

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Eine asylsuchende Chinesin gerät in die Fänge eines skrupellosen Landsmannes, wird zur Prostitution gezwungen und durchleidet ein unbeschreibliches Martyrium.

Susi Wimmer

Für sie sollte Deutschland ein "sicherer Hafen" sein, wo sie für sich und ihre Familie eine bessere Zukunft erarbeiten könnte, stattdessen begann hier ihr unbeschreibliches Martyrium: Ein noch unbekannter Mann hat eine 38-jährige Chinesin in München verschleppt, sie an einem unbekannten Ort in ein kleines Zimmer gesperrt, sie geschlagen, mit dem Tod bedroht und zur Prostitution gezwungen - eineinhalb Jahre lang. Jetzt fahndet die Polizei nach den Tätern und dem Haus, in dem vermutlich mehrere Frauen gefangen gehalten wurden.

Wer kennt das Haus? Hier wurde die Frau 17 Monate gefangen gehalten. (Foto: Foto: oh)

Es ist ungewöhnlich still in der Pressekonferenz, während Polizeihauptkommissar Ralph Irlbauer den jahrelangen Leidensweg der Chinesin schildert. So einen Fall, sagt er, hatte er noch nie. Die damals 36-Jährige zahlte Schleusern rund 3000 Euro, um mit gefälschten Papieren aus China zu flüchten. Der Mutter dreier Kinder drohten Zwangssterilisation und andere Sanktionen, "wegen der Ein-Kind-Regelung", erzählt Irlbauer. Sie fliegt nach Frankfurt, ihr Asylbewerberantrag wird in Karlsruhe aufgenommen, dann weist man ihr das Heim an der Baierbrunner Straße in München zu.

Kaum dort angekommen, spricht sie am 13. März 2007 auf der Straße in der Nähe des Heims ein Chinese mit nordchinesischem Akzent an: Er könne ihr eine seriöse Arbeit vermitteln, mit gutem Verdienst, sie solle in sein Auto einsteigen, er werde ihr helfen.

Der Mann ist etwa 40 Jahre alt, wirkt gepflegt, sportliche Figur, trägt an der Hand einen goldenen Ring mit eckiger Form. Die Frau glaubt ihm. Der Wagen fährt los, "durch die Stadt mit relativ viel Stadtverkehr, der dann schwächer wurde. Am Anfang waren auch viele hohe Häuser eng nebeneinander. Später waren viele kleine Häuser, die frei gestanden sind", erzählt die Chinesin später der Polizei. An einer breiten Straße deutet der Mann auf ein Restaurant "mit langen Holzbänken und Tischen, wo man typisch bayerisch essen kann, etwa Schweinshaxe".

Nach "30 bis 60 Minuten" hält das Auto an einem freistehenden Haus mit Garten. Dieses Haus sollte die Frau eineinhalb Jahre lang nicht mehr verlassen. Kaum tritt die 36-Jährige über die Schwelle, ist es mit der Freundlichkeit des Chinesen vorbei. Er prügelt die Frau, sperrt sie in ein kleines Dachgeschosszimmer mit Bett, Tisch, Dusche und kleinem Waschbecken: ihr Gefängnis. Wenn sie nicht tue, was er sagt, müssten sie und ihre Familie sterben, droht er.

Er misshandelt und bedroht die Frau permanent, nach etwa einer Woche zwingt er sie zur Prostitution. "Mehrere Freier pro Tag, zumeist Asiaten, aber auch Europäer", sagt Kriminalkommissar Stefan Süß, der den Fall bearbeitet. "Irgendwann", so erzählte sie später Stefan Süß, "ist man nur noch Hülle."

"Qiang ge" muss sie ihren Peiniger nennen, was so viel heißt wie "großer Bruder". Er bringt ihr das Essen, er ist - abgesehen von den Freiern - der einzige Mensch, den sie zu Gesicht bekommt. Allerdings folgert die Polizei auch aus den Schilderungen der Frau, dass es mehrere Täter sein müssen, und dass die Chinesin nicht ihr einziges Opfer ist. Von ihrem Dachfenster aus sieht sie auf einen verwilderten Garten mit schlampig gestapelten weißen Plastikstühlen. Und auf das nach hinten versetzte Nachbarhaus: Dort wohnt eine junge Familie mit einem drei- bis fünfjährigen Kind.

Im August 2008 gelingt der Frau die Flucht. Wie, das will die Polizei nicht sagen. Tage später stellt sie in Karlsruhe erneut Asylantrag - und erzählt nebenbei, dass sie als Prostituierte habe arbeiten müssen. Die Polizei wird eingeschaltet. Monatelang kann die Frau nicht vernommen werden. Sie ist schwer traumatisiert, "seelisch und körperlich", sagt Irlbauer. Sie werde psychologisch betreut.

Ihr Antrag auf Asyl wurde genehmigt, das Strafverfahren gegen sie wegen der illegalen Einreise eingestellt. Bis heute hatte die Frau nicht den Mut, mit ihrer Familie in China Kontakt aufzunehmen. "Wenn die erfahren, dass sie eine Prostituierte war, verliert sie ihr Gesicht."

© SZ vom 12.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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