Asylbewerber in München:Flüchtlinge ohne Zuflucht

Asylbewerber in München: Flüchtlingsunterkunft in der Bayernkaserne. Hier wurden nun Notunterkünfte für Flüchtlinge aufgebaut.

Flüchtlingsunterkunft in der Bayernkaserne. Hier wurden nun Notunterkünfte für Flüchtlinge aufgebaut.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Zustände in der Bayernkaserne sind chaotisch, in der Münchner Erstaufnahmeeinrichtung wurden Asylbewerber kurzfristig in Garagen untergebracht. Das hat auch den politischen Streit wieder angefacht. Warum jetzt gerade so viele Flüchtlinge nach München kommen - und wie sie betreut werden. Fragen und Antworten.

Von Bernd Kastner

Die chaotischen Zustände in Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der Bayernkaserne haben auch den politischen Streit wieder angefacht. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter attackiert Ministerpräsident Horst Seehofer. Innenminister Joachim Herrmann sieht dagegen den Bund in der Pflicht. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zur aktuellen Lage.

Welche Flüchtlinge werden in der Bayernkaserne untergebracht?

Flüchtlinge, die in Bayern Asylantrag stellen, werden zunächst in einer der beiden bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen einquartiert, also in Zirndorf bei Nürnberg oder in München. Wer sich in Südbayern an Behörden oder die Polizei wendet, wird in der Regel in die Bayernkaserne in München-Freimann geschickt. Eine ganz fixe Aufteilung gibt es aber nicht: Oft ist es laut der Regierung von Oberbayern davon abhängig, wo noch Betten frei sind. Auch in ein bundesweites Verteilungssystem ist München eingebunden. Weil die Bayernkaserne überfüllt war, wurde München in der vergangene Woche vorübergehend aus diesem System herausgenommen.

Woher kommen die Flüchtlinge?

Um die Asylanhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu erleichtern, bemüht man sich, die Neuankömmlinge nach Nationalitäten zuzuordnen . In München werden demnach vor allem Flüchtlinge aus diesen Ländern untergebracht: Afghanistan, Pakistan, Irak, Russland, Somalia, Eritrea, Sierra Leone, Nigeria, Senegal und Syrien. Einige davon sind aktuell Krisenländer, entsprechend groß ist die Zahl der Flüchtlinge.

Wie kommen sie nach München?

Auf vielen, oft verschlungenen Wegen. Die meisten "schaffen es irgendwie über die Grenze", wie es Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat formuliert. Zu Fuß bei Nacht über die Grenze, versteckt im Kofferraum eines Autos oder auf der Ladefläche eines Lastwagens. Oft ist dies lebensgefährlich. Andere versuchen es mit dem Zug oder in einem Fernbus und hoffen darauf, nicht kontrolliert und gleich nach Österreich oder Italien zurückgeschickt zu werden. Manche Flüchtlinge, gerade Syrer, landen auch mit dem Flugzeug in München, offiziell mit einem Visum ausgestattet. Andere sind sogenannte Transitabspringer: Sie nutzen einen Zwischenstopp im Erdiger Moos, um Asyl zu beantragen. Nach deutschen Gesetzen reisen die meisten Flüchtlinge illegal nach Bayern, einen legalen Weg aber gibt es kaum. Die meisten kommen ohne Papiere hier an, um nicht so einfach abgeschoben werden zu können. Viele greifen auch auf die Dienste von Schleppern zurück, die die Reise mehr oder weniger organisieren, dafür aber viel Geld verlangen. Im Nordirak haben sich sogar spezielle "Flüchtlingsbüros" etabliert.

Warum kommen gerade jetzt so viele Flüchtlinge in München an?

Die Flüchtlingszahlen steigen seit Jahren, ein Ende des Anstiegs ist auch nicht in Sicht. In den vergangenen Tagen kamen viele Menschen aus Syrien und Afrika. Zwar tobt in Syrien der Bürgerkrieg schon seit drei Jahren, doch um eine Flucht - meist über die Türkei und Griechenland - zu organisieren, dauert es Monate. Viele Afrikaner wählen den Weg mit Booten über das Mittelmeer und reisen dann von Italien aus weiter nach Deutschland. Diese Route ist wetterabhängig: Im Frühjahr und Sommer ist die Überfahrt etwas weniger riskant als im Herbst und Winter. Auch der Schnee in den Alpen wirkt sich auf die Zahl der in Bayern Ankommenden aus. Italien schickt inzwischen viele Afrikaner, die es nach Lampedusa oder Sizilien geschafft haben, mit ein wenig Geld weiter in Richtung Norden, wo sie dann ein paar Wochen später ankommen.

Was geschieht in einer Erstaufnahmeeinrichtung?

Die Zentrale der Münchner Anlaufstelle für neu ankommende Flüchtlinge ist in der Bayernkaserne an der Heidemannstraße. Dort bleiben die Asylsuchenden derzeit bis zu sechs Wochen und sind vor allem mit Bürokratie beschäftigt. Sie werden registriert, bekommen ein Bett in einem Zimmer mit anderen Asylbewerbern zusammen oder, neuerdings, in einer alten Fahrzeughalle. Man stellt ihre Identität, bei jugendlichen Flüchtlingen auch oft das Alter offiziell fest und untersucht sie medizinisch. Asylanhörungen finden meist erst in der Gemeinschaftsunterkunft statt, in die Flüchtlinge nach ein paar Wochen verlegt werden.

Werden die Neuankömmlinge ausschließlich in der Bayernkaserne untergebracht?

Zur Bayernkaserne gehören zwei Dependancen: Die Unterkunft in der St.-Veit-Straße in Berg am Laim, die aus etwa 20 Jahre alten Containern besteht und wegen unhaltbarer Zustände vor Jahren schon geschlossen werden musste. In der Baierbrunner Straße in Obersendling war früher die Zentrale der Erstaufnahme, sie wurde aber zu klein, außerdem gilt das Haus ebenfalls als marode, trotzdem leben dort Hunderte. Zwischendurch werden Neuankömmlinge auch immer wieder in Hotels untergebracht, am Wochenende waren es knapp 90. Das geht aber nur, wenn Kapazitäten frei sind, während großer Messen oder gar des Oktoberfestes ist dies kaum möglich. Die Bayernkaserne war Ende 2010 als Provisorium für sieben Monate eröffnet worden - und für 400 Flüchtlinge. Daraus wurde eine Dauereirichtung, heute ist sie für 1600 Personen ausgelegt, mit den Notunterkünften wurde die Kapazität auf 2100 erweitert.

Wie werden die Flüchtlinge betreut?

Der Sozialdienst der Inneren Mission (IM) ist dafür zuständig. Obwohl ein Betreuungsschlüssel von eins zu hundert vorgesehen ist, hat die IM nur etwa acht Stellen in der Erstaufnahme, davon etwa 6,5 in der Bayernkaserne. Eigentlich sollten es mehr als 20 Betreuer sein. Die wenigen Mitarbeiter können sich nur um das Nötigste kümmern: Um Anträge auf Familienzusammenführung, um schwer Kranke oder um Minderjährige, die von den Behörden als volljährig eingestuft wurde.

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