Falsche Rechnungen:Ärzte und Patienten betrügen gemeinsam Krankenkassen

Mediziner

Der Schaden, den Ärzte mit falschen Rechnungen anrichten, ist groß. Die Ermittlungen sind oft schwierig.

(Foto: dpa)
  • Eine Ärztin und ein Masseur haben gemeinsam mit ihren Patienten zwanzig Jahre lang falsche Rechnungen an eine private Krankenversicherung geschickt.
  • Innerhalb von fünf Jahren sei so ein Schaden in Höhe von einer halben Million Euro entstanden.
  • Die Zahl solcher Fälle nimmt rapide zu. Mittlerweile arbeiten zehn Staatsanwälte daran, Betrug im Gesundheitswesen zu verfolgen.

Von Pia Ratzesberger

Es klingt nach einem Betrug, der eigentlich nicht funktionieren kann. Man arbeitet nicht, stellt trotzdem eine Rechnung und bekommt diese Rechnung dann auch noch bezahlt. Im deutschen Gesundheitssystem aber funktioniert das offenbar. Eine Ärztin und ein Masseur haben so gemeinsam mit ihren Patienten 20 Jahre lang eine private Krankenversicherung betrogen. Allein innerhalb von fünf Jahren ist so ein Schaden in Höhe von einer halben Million Euro entstanden, teilte das Polizeipräsidium München am Mittwoch mit. Die Ärztin und der Masseur sind zudem nicht die einzigen, die an falschen Rechnungen verdient haben. Momentan gebe es immer mehr solcher Fälle in der Medizin und in der Pflege, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft München I. "Wenn Sie die Schwachstellen des Systems kennen, ist das eine Goldgrube", sagt Oberstaatsanwalt Richard Findl.

Mittlerweile arbeiten zehn Staatsanwälte daran, Betrug im Gesundheitswesen zu verfolgen, denn die Zahl der Verfahren nimmt rapide zu. Momentan sind 188 Verfahren offen, davon kommen 93 aus der Stadt München. Im vergangenen Jahr kam man mit den abgeschlossenen Verfahren in ganz Bayern auf einen entstandenen Schaden von 5,8 Millionen Euro. Doch die Zahl sei "lächerlich, bei dem, was da gerade stattfindet", sagt Findl. Zum einen seien viele Verfahren noch offen, zum anderen gebe es eine hohe Dunkelziffer. Die Fälle sind nur schwer aufzudecken, da nur diejenigen wissen, was wirklich passiert ist, die kein Interesse daran haben, davon zu erzählen. Im Fall der Ärztin und des Masseurs zum Beispiel haben beide 20 Jahre lang Rechnungen für Behandlungen geschrieben, die es nie gab. Die Rechnungen haben 24 Patienten, meistens aus dem Bekanntenkreis, dann bei einer privaten Krankenkasse eingereicht - die aber kann nicht überprüfen, ob eine Behandlung tatsächlich stattgefunden hat. Die Kasse überwies also das Geld und die Patienten teilten sich den Gewinn jeweils mit der Ärztin und dem Masseur. Am Ende flog der Betrug nur auf, weil der Ehemann einer Patientin Anzeige gegen seine Ehefrau erstattet hatte, der dem Ganzen nicht länger zusehen wollte.

Zwölf Patienten sind bereits verurteilt worden, die Strafen reichen von sechs Monaten bis hin zu drei Jahren Haft. Die Urteile für die Ärztin und den Masseur stehen noch aus, doch die meisten ihrer Geschäfte sind verjährt - verfolgt werden können nur Fälle aus fünf von zwanzig Jahren. Die Verfahren, an denen die Staatsanwaltschaft München I arbeitet, ziehen sich durch das gesamte Gesundheitswesen: Bei den gesetzlichen Krankenkassen haben es Betrüger sogar noch leichter, falsche Rechnungen zu stellen, da der Patient in der Regel nicht zu sehen bekommt, was der Arzt abgerechnet hat. Auch Apotheker versuchten mit falschen Rezepten die Kassen zu prellen, sagt Oberstaatsanwalt Findl, und Pflegedienste stellten ebenfalls falsche Abrechnungen. Dabei geht es vor allem um Pflegedienste, die Patienten 24 Stunden betreuen und sich dann zum Beispiel auch um deren künstliche Beatmung kümmern - und dafür eigentlich gut geschultes Personal schicken müssten. In Wahrheit kommen aber nur gering qualifizierte Leute bei den Patienten vorbei, die weniger verdienen, und der Pflegedienst streicht den Gewinn ein. In der Intensivpflege gehe es schnell um Kosten zwischen 20 000 und 50 000 Euro im Monat, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft.

Den Patienten, die mit der Ärztin und dem Masseur ihre Kassen hintergangen haben, droht abseits der Strafe des Gerichts im Übrigen noch eine zweite: Versichert sind sie bei ihrer Krankenkasse nun nicht mehr.

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