Event:Wie gemalt

Event: Zwei Dinge stehen bei der Artnight im Mittelpunkt: sich selbst künstlerisch auszuprobieren und dabei Spaß zu haben.

Zwei Dinge stehen bei der Artnight im Mittelpunkt: sich selbst künstlerisch auszuprobieren und dabei Spaß zu haben.

(Foto: Robert Haas)

Selbsterfahrungstrip mit Rundum-Wohlfühl-Paket: Bei den Artnight Events kann man entspannt pinseln und plaudern - und jede Menge Gleichgesinnte kennenlernen.

Von Fiona Rachel Fischer

Farbklekse auf Papptellern, Pinsel, Bleistifte und Staffeleien warten im Frühstücksraum des Hotel schon auf die Teilnehmenden. Das ist Artnight, ein Event, das mit einem künstlerischen Rundum-Wohlfühl-Paket wirbt. Seit 2018 gibt es das Kreativkonzept auch in München. In 48 deutschen und drei österreichischen Städten malen monatlich mehr als 15 000 Menschen bei diesen Events. Hinter dem Konzept steht das Unternehmen Realtainment. Das hat es sich zur Aufgabe gemacht, die alltäglichen, meist digitalen Routinen ihrer Kunden durch etwas zu unterbrechen, was sie CIY-Erfahrungen nennen. CIY, das steht für Create-it-yourself - erschaffe es selbst. Diese Events stehen klar im Schlaglicht der DIY-Selbstgemacht-Trends der sozialen Medien.

Das Motiv des Abends, eine reduzierte Gesichtszeichnung mit Acryleffekten, hat die Künstlerin Astrid Göpfert zuvor aus über 300 Artnight-Vorlagen ausgewählt. Die Illustratorin, Modedesignerin und Werbegrafikerin arbeitet seit etwa drei Jahren bei Artnight. Zu Beginn des Abends verteilt sie eine Vorlage für das Gesicht, das mit Bleistift auf die Leinwand abgepaust wird. Nach der Vorzeichnung wird der Hintergrund mit einer Acryl-Nasstechnik gestaltet.

Trotz Anleitung bemüht sich das Artnight-Konzept um den Spagat zwischen Vorlage und Individualität. Göpfert stellt klar, dass sie viel mehr andere Farben zur Auswahl hat. Der persönliche Spaß sei ihr wichtiger, als auf Regeln zu bestehen. Auch an die Abpausvorlage muss sich niemand halten. Dafür erklärt die Künstlerin knapp die Proportionen des menschlichen Gesichts, ohne sich mit Theoriebegriffen wie dem goldenen Schnitt aufzuhalten.

50 Prozent ist gewollt, 50 Prozent ist Zufall

Danach soll der kreative Fluss, den Artnight seinen Kunden verspricht, beginnen. "Jeder setzt es anders um, jeder hat eine andere Handschrift", sagt Göpfert. Das mache ihr besonders viel Spaß. Für Individualität hilft die Nasstechnik, bei der die Farben ineinanderlaufen "50 Prozent ist gewollt, 50 Prozent ist Zufall", betont Göpfert. "Wir wollen ja keine perfekten Bilder, wir wollen künstlerische", sagt sie, als sie durch die Reihen der malenden Teilnehmerinnen geht und die Fortschritte beobachtet. Mit dieser Einstellung kann praktisch nichts schiefgehen. Wie künstlerisch der Prozess und die Ergebnisse eines Artnight-Events allerdings wirklich sind, ist fraglich.

Tatsächlich kommen einige Teilnehmende, weil sie das Malen lernen wollen. "Ich dachte, ich probiere es mal aus, weil ich kann ja eigentlich gar nicht malen", sagt Zarina Kuhn, die am Mittwochabend das erste Mal ein solches Event besucht. Mit dieser Einstellung ist sie unter den Teilnehmenden nicht alleine. Etwas Neues zu lernen, neue Techniken kennenzulernen und den Horizont zu erweitern, sind häufig genannte Gründe an diesem Abend.

Das Ausgangsmotiv zu hundert Prozent nachzumalen, dazu reicht die Anleitung nicht aus. Doch darum geht es den Teilnehmenden auch nicht. Sie wollen lernen und trotzdem eigenständig arbeiten. "Ich finde einen Leitfaden immer gut, von dem man dann abweichen kann, wie man will", sagt Stammgast Eva Tot. Daraus entstünden laut ihr und ihrer Kollegengruppe erst die wirklich guten Bilder; der viel versprochene kreative Fluss beginnt. Gegenseitige Ermunterung spielt dabei eine wichtige Rolle. Sowohl Göpfert als auch die Teilnehmenden sind voll des Lobes für einander. Kunst wird hier nicht bewertet. Es geht darum, mit einem Pinsel eine positive Zeit zu verbringen.

Event: Es sind überwiegend Frauen, die zu den Artnights kommen. Kursleiterin Astrid Göpfert zeigt wie's geht, lässt den Teilnehmerinnen aber auch viel freie Hand beim Umsetzen der Motive.

Es sind überwiegend Frauen, die zu den Artnights kommen. Kursleiterin Astrid Göpfert zeigt wie's geht, lässt den Teilnehmerinnen aber auch viel freie Hand beim Umsetzen der Motive.

(Foto: Robert Haas)

Begriffe wie Mädelsabend oder kreatives Ausgehen beschreiben das Event wohl am besten. Es sind überwiegend Frauen, die mit ihrer Freundin oder ihren Kolleginnen bei der Artnight gelandet sind. Bei einem Gläschen Wein und Musik wird geplaudert und gepinselt. Hinter der Suche nach einer kreativen, sozialen Beschäftigung steht bei praktisch allen die Entspannung nach der Arbeit. Hier hat die Realtainment ins Schwarze getroffen. Nach einem Tag vor dem Computer verbringen die Gäste ihren Abend lieber vor der Leinwand, als hinter noch einem Bildschirm. Das Ergebnis wird verschenkt oder im eigenen Zuhause und im Büro aufgehängt.

Für den Moment ist der kreative Schaffensprozess für die Malenden wichtiger. Doch schaut man genau hin, bietet die Artnight ein ausgeklügeltes Gesamterlebnis. Die Pausen nutzen die meisten, um die anderen kennenzulernen und Göpfel bietet an, die Teilnehmenden beim Malen in dem schicken Hotel zu fotografieren. Mit Artnight-Schürze und Pinsel posen sie vor der Kamera. Eine Hotelangestellte versorgt die Teilnehmenden fortwährend mit Getränken. Alle sind stolz auf ihre Werke und stoßen an. Eine Artnight ist kein Kunstkurs, sondern eine pittoreske Malparty. Frust gibt es nicht, nur Glitzer auf die Leinwand für die, die wollen.

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