Armut:Obdach für die Obdachlosen

Die Zahl der Übernachtungen im Kälteschutzprogramm wächst

Von Sven Loerzer

Rund 3400 Menschen haben in diesem Winter über das Kälteschutzprogramm der Stadt einen Schlafplatz für die Nacht erhalten. Erstmals blieben die Räume in der Kälteschutzperiode, die am 31. März endet, auch in den Nächten mit Temperaturen von mehr als null Grad geöffnet. Dadurch stieg die Zahl der Übernachtungen deutlich an, erwartet werden nun mehr als 30 000, im Vorjahr waren es knapp 20 000. Die Armutszuwanderung habe sich zwar verstärkt, zog Sozialreferentin Brigitte Meier eine erste Bilanz, "aber in einem Maß, das die soziale Infrastruktur der Stadt noch verkraften kann". Allerdings wäre es beinahe eng geworden, als 450 Menschen im Kälteschutz nächtigten, der über 480 Plätze verfüge.

Das Programm, das nun im dritten Jahr lief, habe sein Ziel voll erreicht, sagte Gordon Bürk, Geschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks: "Kein obdachloser Mensch ist während der kalten Jahreszeit in München zu Schaden gekommen." Und auch Wohnungsamtschef Rudolf Stummvoll betonte, dass er diesen Winter ruhig habe schlafen können - anders als noch vor vier Jahren, als es das Programm noch nicht gab und Hilfe improvisiert wurde.

Bürk lobte die Entscheidung des Stadtrats, die Null-Grad-Grenze auszusetzen. Dies habe der vom Hilfswerk im Auftrag der Stadt betriebenen Einweisungs- und Beratungsstelle "Schiller 25" die Arbeit erleichtert und die Versorgung der Menschen verbessert. Sieben Sozialpädagogen und 25 Ehrenamtliche, die insgesamt 15 verschiedene Sprachen beherrschen, kümmern sich um die Hilfesuchenden, erklärte Andrea Betz, Bereichsleiterin beim Hilfswerk.

Die Leiterin der Stelle, Andrea Unturu, trat Befürchtungen entgegen, der Kälteschutz werde ausgenutzt. 60 Prozent der Menschen, die dort übernachtet haben, sind maximal neun Tage in der Bayernkaserne geblieben. "Die Menschen versuchen, hier Fuß zu fassen, um zu arbeiten." Sobald ihnen das gelinge, suchten sie sich Plätze in Wohnheimen und anderen Quartieren. 24 Prozent der im Kälteschutz untergebrachten Menschen kamen aus Rumänien, 23 Prozent aus Bulgarien. An dritter Stelle standen mit rund zehn Prozent Deutsche, die keinen Anspruch auf Unterbringung in der Wohnungslosenhilfe haben. Danach folgten Menschen aus Italien, Ungarn und Polen. Aus den südlichen Ländern kämen zudem oft Menschen, die dort Asyl erhalten haben, aber wegen miserabler Lebensumstände weiterzögen.

Für Familien mit Kindern unterhält das Hilfswerk seit diesem Winter ein eigenes Angebot in der Rosenheimer Straße. Dort betreuen drei Fachkräfte und 20 Ehrenamtliche insgesamt 53 Familien. Um sie nach Ende des Kälteschutzes nicht wieder auf die Straße setzen zu müssen, seien individuelle Lösungen gesucht worden. 24 Familien bringt das Wohnungsamt unter, bei sechs Familien geschieht dies über die Jugendhilfe. Vier Familien sind zur Rückreise bereit, bei zwölf Familien sorgen Caritas und Diakonie für die Unterbringung. Nur bei sieben Familien mit insgesamt 16 Kindern sei es noch unklar, wie es weitergeht. Bürk sagte, er hoffe, dass sich auch für diese Familien weiterhin ein Schlafplatz finde, zumal sie alle bereits gut integriert seien: "Die Kinder gehen zur Schule oder in den Kindergarten, die Väter und Mütter arbeiten."

Auch im nächsten Winter soll es das Kälteschutzprogramm wieder geben, mit ein paar Plätzen mehr, zur Sicherheit. Dass die Zahl der Hilfesuchenden noch dramatisch ansteigt, glaubt Bürk indes nicht. Vom 1. April an sind die Mitarbeiter von "Schiller 25" auf der Straße, in Parks und an der Isar unterwegs und kümmern sich um die wild Campierenden, die es in Hoffnung auf Arbeit nach München zieht. "Sobald das Klima mild ist, werden wieder billige Arbeiter gesucht." Der Lohn für solche Jobs aber sei, sagt die Sozialreferentin, "nicht auskömmlich für München".

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