Musikkritik:Knappe Entscheidung

Semifinale und Finale beim ARD-Wettbewerb der Streichquartette

Von Harald Eggebrecht, München

Der "Kampf" der Streichquartette beim ARD-Wettbewerb gilt als besonders attraktiv. 17 von 21 gemeldeten Ensembles aus aller Welt traten in München an, sieben trafen im Semifinale im Prinzregententheater aufeinander. Im Finale, auch im Prinzregententheater, waren es dann zwei wunderbar unterschiedliche Ensembles, das japanische Quartet Integra und das international zusammengesetzte Barbican Quartet, bei denen es um Rang eins oder zwei ging. Und gäbe es die Möglichkeit, hätte man beide mit Platz eins auszeichnen können. Das dritte, das Chaos Quartett, schon bei anderen Wettbewerben erfolgreich, hatte in München offenbar nicht seine beste Phase, auch wenn es sich mächtig ins Zeug legte und sogar Ludwig van Beethovens op. 130 mit der großen Schlussfuge bot. Doch wie schon bei Béla Bartóks 4. Quartett geriet die Chaos-Gruppe allzusehr ins Schabend-Graubraune mit sehr wenig Licht. Der Einsatz war lobenswert, doch Heftigkeit und Lautstärke allein wurden weder Bartók noch Beethoven gerecht.

Natürlich lohnt jede Streichquartett-Konkurrenz schon wegen des einzigartigen Repertoires, das von Joseph Haydn bis in die modernste Moderne reicht mit je höchstem Anspruch. Diese Literatur verlangt absolut professionelles Können, weder Haydn noch Wolfgang Rihm, weder Beethoven noch Jörg Widmann, weder Antonin Dvořák noch Arnold Schönberg haben je an Amateure oder Gelegenheitsmusizieren gedacht. Im Semifinale steht die gefährlichste Hürde, Wolfgang Amadé Mozarts Quartette. Hinzu kommt das Auftragswerk, diesmal das leicht kitschgefährdete "The Ear Of Grain", die Kornähre, von Dobrinka Tabakova. Alle sieben boten auch die Fünf Sätze op. 5 von Anton Webern, deren radikale Knappheit konzentrierteste Realisierung erfordert. Das Eden Quartet, das schon bekannte Arete Quartet, beide aus Südkorea, und das koreanisch-amerikanische Risus Quartet spielten durchaus versiert, doch mit allzu flacher Ausdrucksamplitude, was weder Weberns dramatischer Kürze noch gar Mozarts überwältigend komplexen Ansprüchen in jedem seiner Quartette genügen konnte.

Das international besetzte Chaos String Quartet bot einen wie von Mehltau belegten Mozart und einen rauen Webern. Dagegen überraschte das erst seit gut einem Jahr zusammenspielende, noch nicht ganz reife Quartett Hana durch kommunikative Spontaneität untereinander und ansteckende Spielfreude, die sich unmittelbar aufs Publikum übertrug. Dennoch durften die etwas enttäuschenden Chaos-Leute ins Finale.

Die Integra-Gruppe wurde nur Zweitplatzierte - gewann aber noch den Publikumspreis

Doch hier hatte das wie aus einem saftigen Guss musizierende, ebenfalls mehrfach preisgekrönte Barbican Quartet, das auch mit Mozarts D-Dur Quartett KV 575 im Semifinale überzeugt hatte, seinen großen Abend. Bartóks 2. Quartett gelang fein strukturiert und virtuos ausbalanciert, während die Barbicans für Beethovens op. 59, 2 jene Intensität und Inständigkeit aufbrachten, die der langsame Satz molto Adagio so braucht wie die anderen Sätze Freude an Rasanz und Pointenreichtum. Zurecht tosender Beifall. Die auch mehrfach mit Preisen dekorierte Integra-Gruppe zeigte allerdings, welcher enorme Farbenreichtum in tief strukturiertem Quartettspiel möglich sein kann: Bei Beethovens op. 131 waren sie allen Kontrastüberfällen, elegischen Plötzlichkeiten und ironischen Unvorhersehbarkeiten gewachsen und imponierend auf der Hut. Bei Bartóks 6. Quartett bewiesen sie ein Quartettspiel voll Transparenz, blitzender Rhythmik und schlanker Tongebungsvielfalt. Ovationen. Da zu entscheiden fällt schwer und hat mit den Unwägbarkeiten verschiedenen Geschmacks zu tun. Die Jury entschied sich für die "Barbicans", die "Integras" werden den 2. Preis dennoch zu schätzen wissen, nachdem sie auch den Publikumspreis gewonnen haben.

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