Wettbewerb:Enttäuschung und Leuchtkraft

Wettbewerb: Johannes Obermeier, Lukas Sternath und Junhyung Kim (von links).

Johannes Obermeier, Lukas Sternath und Junhyung Kim (von links).

(Foto: Daniel Delang)

Lukas Sternath gewinnt den ARD-Musikwettbewerb im Fach Klavier vor Johannes Opermeier und Junhjung Kim.

Von Klaus Kalchschmid, München

Eigentlich kann man eine Aufführung des G-Dur-Klavierkonzerts von Ludwig van Beethoven mit einer des eher selten gespielten vierten Konzerts g-Moll op. 40 von Sergej Rachmaninow kaum vergleichen. Und doch war genau dies die Aufgabe beim Finale im Fach Klavier des ARD-Musikwettbewerbs im Herkulessaal für die hochkarätig besetzte Jury mit Michel Béroff, Imogen Cooper, Nikolai Demidenko, Janina Fialkowska, Cyprien Katsaris, Abdel Rahman El Bacha und Ragna Schirmer. Wie im Falle des Streichquartett-Finales wäre ein doppelter erster Preis wohl die gerechteste Lösung gewesen, aber das sehen die Statuten des Wettbewerbs nicht vor.

Junhyung Kim spielte das vierte Beethoven-Konzert mit dem hochinspiriert und hellwach, ja beinahe historisch informiert musizierenden Symphonieorchester des BR unter dem fantastisch umsichtigen Joshua Weilerstein schlicht überwältigend. Schon der ungewöhnlich heikle, weil rein solistische Beginn verzauberte; was folgte, war bereits im ersten Satz in jeder Phrase ungemein fein moduliert, klar und leuchtend. Kim spielte nie zu laut und nie zu leise, sondern immer plastisch ausgeformt. Großartig geriet der langsame Satz, in dem das verträumt vor sich hin sinnierende Klavier immer wieder abrupt vom Orchester gestört wird, bis Beethoven Kollektiv und Solist endlich zusammenführt. Das wurde hier wahrlich zum Ereignis, bevor das Finale noch einmal alle Qualitäten des Südkoreaners vereinte. Bei Mozarts A-Dur-Klavierkonzert KV 488 im Semifinale brauchte er ein wenig Anlauf, aber auch da musizierte er das Finale zusammen mit dem Münchener Kammerorchester unter Leitung seines Konzertmeisters Daniel Giglberger im Prinzregententheater wie aus einem Guss und wunderbar natürlich fließend.

Beim ersten "Rach 4" im Herkulessaal dann ein kleiner Schock, nicht nur weil hier plötzlich ein exzessives Werk auf der Schwelle von Spätromantik zur Moderne in der revidierten Fassung von 1941 zu hören war, sondern auch weil Johannes Obermeier bei einem Werk, das mit so vielen Orchesterfarben prunkt, beinahe den Eindruck erweckte, das Klavier sei hier kaum Solist. So blieb vieles allzu neutral, das Finale wirkte gar wie eine symphonische Dichtung mit obligatem Klavier. Nach etwas unausgeglichenem Mozart (KV 459) im Semifinale eine weitere gelinde Enttäuschung und daher nur der dritte Preis.

Zu bewältigen waren auch rasanteste Etüden mit wilden Cluster-Bildungen

Doch dann spielte der erst 21-jährigen Österreicher Lukas Sternath erneut das Rachmaninow-Konzert. Und mit einem Mal klang alles schlüssig und herrlich verzahnt mit dem Orchester, eben ein "Konzert" für Klavier und Orchester. Was für eine Farbenpracht und Leuchtkraft des Tons, was für ein schöner Einstieg mit dem Thema des langsamen Satzes! Um wieviel mehr an Intensität war hier zu hören und wie herausragend prägnant gelangen im Finale die rhythmischen Impulse. Dafür gab es nicht nur den ersten Preis, sondern auch den Publikumspreis und sogar den für die beste Interpretation des Auftragswerks von Márton Illés, das alle sechs Semifinalisten am Samstag spielen mussten.

"Négy tárgy - Vier Objekte" nennt es der ungarische Komponist; gemeint sind damit Stücke, die "einen kreativen, überzeugend eigenständigen Umgang erfordern mit Klangfarbe, Zeit und verschiedenen Gesten, insbesondere beim Spielen der nicht immer komfortablen Aktionen im Inneren des Klaviers". Das erste ("Windgesten") und das letzte ("Alte Uhr") verzichteten fast ganz auf Tastendruck, vielmehr waren es raffinierte Studien mit gestrichenen und gezupften Saiten, während die beiden Mittelstücke mit den schönen Titeln "Fuchtel-Ehe" und "Geode und Wucherung" rasanteste Etüden mit wilden Cluster-Bildungen auf einem ungemein hohen Energie- und Geschwindigkeitslevel darstellten. Hier nicht einfach nur die vielen Töne richtig zu entziffern und im rasanten Tempo zu treffen, sondern dem Ganzen eine verbindliche Struktur und musikalische Expression zu geben, gelang Sternath phänomenal gut.

Man darf sich also auf den letzten Programmpunkt beim dritten Preisträgerkonzert am 16. September (20 Uhr) im Herkulessaal der Residenz freuen, das auch live auf BR-Klassik und im Video-Stream gesendet wird. Da spielt Lukas Sternath noch einmal Sergej Rachmaninows viertes Klavierkonzert.

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