Süddeutsche Zeitung

ARD-Musikwettbewerb:Auf dem Weg zur Entscheidung

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Bei den Klavierduos steht der Sieger schon fest. Sechs Geigerinnen und Geiger sind hingegen erst im Semifinale des ARD-Musikwettbewerbs angekommen.

Von Harald Eggebrecht und Paul Schäufele, München

Im Fach Klavierduo ist der ARD-Wettbewerb schon entschieden - wenn im Ausgang auch nicht ganz nachvollziehbar. Bei den Geigerinnen und Geigern im Semifinale gab es viel Erfreuliches.

Geschwisterlicher Mozart am Klavier

Zumindest die Auswahl des Stücks war nachvollziehbar. Mozarts Es-Dur-Konzert für zwei Klaviere (KV 365), für sich und seine Schwester komponiert, kann man unbeschadet vier Mal in Folge hören, das Werk sprüht vor pianistischer Energie und gibt den Interpreten Gelegenheit, geschwisterliche Symbiose neben freundlicher Konkurrenz zu zeigen. Dass es auch Schwächen hat, zeigte sich in der Darbietung des Duo Sakamoto. "Zu viele Noten", meinte angeblich Kaiser Joseph II., als er die "Entführung aus dem Serail" hörte. Ja und auch beim Es-Dur Konzert wird manchmal dick aufgetragen, was beim zu einfarbigem Noten-Rattern tendierenden Duo aus Japan nicht von Vorteil ist. Sympathisch ist es trotzdem, weshalb es sich neben dem dritten auch über einen Publikumspreis freuen darf.

Zwei zweite Preise: Einer geht an das kanadische Duo "La Fiammata" (Jingzi Ruan und Charissa Vandakis), das in den Vorrunden überzeugte, aber das Proprium des Mozart-Konzerts nicht ganz traf. Zwar unbegrenzt in seinen technischen Möglichkeiten, wirkte mancher Akzent, der spaßig gemeint ist, ungewollt forciert, das Finale allzu zackig. Das kann dem Duo aus Nika Melnikova und Olesia Morozova niemand vorwerfen. Hier singt jeder Ton, ihnen kann an keiner Stelle ein Lapsus unterlaufen. Das russische Duo strahlt eine Souveränität aus, der man sich anvertraut und spielt mit einer quasi kammermusikalischen Intimität, die ein Publikum fesselt und jede nächste Phrase ungeduldig erwarten lässt.

Umso größer war das Kopfschütteln, als der Jury-Vorsitzende Andreas Groethuysen verkündete, mit dem ersten Preis würde das französische Geister Duo prämiert. Dazu kamen noch Preise für die besten Interpretationen eines Werks von Max Reger und des Auftragswerks von Vassos Nicolaou, die im Semifinale zu hören waren. Gewiss präsentierten auch David Salmon und Manuel Viellard eine glänzende Interpretation des Konzerts - besonders das Finale sprudelte und zeigte Witz, doch in der Frage, ob dieses Duo das künstlerisch reifste ist, streben die Meinungen auseinander.

Sechs farbige Geigen

Vorausgeschickt sei, dass jeder Wettbewerb immer nur eine Momentaufnahme darstellt, und jede jeweilige Jury ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen hat. Alle fünfzehn Kandidaten haben schon Wettbewerbe gewonnen, dennoch konnte die diesjährige Jury unter dem Vorsitz von Mihaela Martin nur sechs weiterlassen. Bei aller Verschiedenheit in Tongebung, rhythmischem Temperament, Klangfarbenbegabung und auch Bühnenperformance stellten sich insgesamt vorzügliche Geiger und Geigerinnen vor. Geboten wurden entweder eine Mozart- oder Beethoven-Sonate, ein gewichtiges Solostück der Gegenwart und eine große romantische Sonate oder ein Werk der klassischen Moderne.

Hier die sechs Semifinalisten: Der junge Koreaner Dayoon You, mit flinken Fingern und einer natürlichen Auffassungsfrische begabt, spielte Beethovens op. 12, 2 hell im Ton und rasch im Tempo, Luciano Berios Sequenza VIII extrovertiert und attackierend und Maurice Ravels Sonate leichtfüßig und mit schönem Vibrato. Die Japanerin Fumika Mohri schreckte vor scharfen Tönen und manchmal einer gewissen Ruppigkeit bei Beethovens op. 30,3 nicht zurück, meisterte George Benjamins drei Miniaturen sicher und geriet bei Sergei Prokofjews 2. Sonate in Lärmgefahr. Ihr Landsmann Seiji Okamoto bot Beethovens op. 12,3 stilsicher mit klarer Artikulation, baute Pierre Boulez' splittriges "Anthemes"-Stück souverän auf und überzeugte mit einer großartig dargestellten d-moll-Sonate von Robert Schumann. Der alles auswendig spielende Russe Dmitry Smirnov ist ein seltsamer Fall, denn einer tonlich ausgedörrten Beethoven-Sonate op. 96 folgte ein fulminanter Boulez und eine von intensiver Klangfarbensuche geprägte Sonate von Claude Debussy. Der Koreaner Alexander Won-Ho Kim experimentierte mit Beethovens op.12,3, spielte Benjamins Miniaturen konventionell und echauffierte sich bei Franz Schuberts schwieriger C-Dur-Fantasie bis ins Schweißnasse. Alexandra Tirsu aus Rumänien spielte Mozarts KV 454 so frei und natürlich, als sei nichts leichter als das. Boulez klang nicht zersplittert, sondern hatte inneren Zusammenhalt. Und Georges Enescus 3. Sonate kann man selten so feurig und doch beherrscht hören.

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