Auf dem kurzen Weg zwischen der Friedenheimer Brücke und dem Rotkreuzplatz kommen Gegensätze zusammen, das macht den Reiz des Spaziergangs aus: modernste Architektur, früher sozialer Wohnungsbau, gediegene Villen-Bürgerlichkeit und stehen gebliebene Nachkriegs-Provisorien. Los geht es am S-Bahnhof Hirschgarten, der seit 2009 in Betrieb ist. Das nach dem Park benannte Stadtquartier Am Hirschgarten zählt zu den größten innerstädtischen Entwicklungen in München. Auf dem Areal, das sich von der Donnersbergerbrücke bis zum westlichen Ende des Hirschgartens erstreckt, sind Wohnungen für etwa 5000 Menschen entstanden und 5800 Arbeitsplätze geplant.
Wo früher Gewerbe, Post- und Bahnnutzungen dominierten, soll heute innerstädtisches Wohnen im Grünen mit Büros und Läden entlang der Wilhelm-Hale-Straße kombiniert werden. Durch die Erweiterung des Hirschgartens im Südwesten und eine Grünverbindung entlang der Bahn, den so genannten Pionierpark, sind in den vergangenen Jahren viele Freiräume und Erholungsflächen entstanden.
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An der Nordseite der Friedenheimer Brücke befindet sich das Briefsortierzentrum der Deutschen Post für München. Die ehemalige Paketposthalle mit ihrer schwungvollen Bogenkonstruktion wurde zwischen 1965 und 1969 gebaut, sie war damals mit einer Spannweite von 146,8 Metern und einer Länge von 124 Metern die größte freitragende Betonfertigteilhalle der Welt. Daneben, an der Wilhelm-Hale-Straße, befindet sich der Club Backstage, seit einem Vierteljahrhundert das Zentrum der alternativen Kultur- und Musikszene Süddeutschlands. Südlich und östlich des Hirschgartens sind neue Wohnquartiere entstanden. Vorgesehen war ursprünglich ein ganzes Hochhaus-Ensemble, das dann aber politisch nicht durchsetzbar war. Die 53 Meter hohen Friends-Hochhäuschen sind ein Kompromiss.
Von dort führt der Weg die Wilhelm-Hale-Straße entlang über die Kreuzung mit der Arnulfstraße zur Wendl-Dietrich-Straße. Vorbei am sogenannten Amerikanerblock und durch die Siedlung Neuhausen mit ihren aus der Nibelungensage stammenden Straßennamen in Richtung Renatastraße. Hier treffen unterschiedliche soziale Schichten aufeinander, seit mehr als 120 Jahren: die klassische Arbeiterbevölkerung in ihren Mietskasernen und das Großbürgertum mit seinen luxuriösen Villen. Wenn man vom Winthirplatz aus rechts einen Blick in die Straße wirft, steht auf der linken Straßenseite eine Baustelle - hier werden gerade einige Mietshäuser aus dem frühen 20. Jahrhundert durch Neubauten ersetzt. Folgt man der Straße dann links, jenseits des Winthirplatzes, ist man in einer anderen Welt. Die Villenkolonie Neuwittelsbach könnte sich auch in Bogenhausen oder Grünwald befinden. Hier kann man hervorragend eine Weile herumschlendern.
Stößt man dann irgendwann an einer beliebigen Stelle auf den Nymphenburger Kanal, wendet man sich nach rechts und geht am Kanal entlang, bis man auf die Waisenhausstraße trifft - und nach wenigen Metern das 2002 eröffnete Haus der Architektur sieht. Auf demselben Grundstück befindet sich die historische Postvilla des Architekten Max Littmann, in dem die Bayerische Architektenkammer ihren Sitz hat. Für die vielen Seminare und Veranstaltungen wurde ein Ergänzungsbau für die Fortbildungsakademie notwendig. Den von der Kammer ausgelobten Wettbewerb gewann das Büro Drescher Kubina mit einem klar strukturierten Entwurf, der einen konsequenten, aber zurückhaltenden Kontrast zu dem historischen Nachbargebäude bildet.
Über die moderne Herz-Jesu-Kirche in der Lachnerstraße geht es schließlich zum Rotkreuzplatz, von wo aus man die beiden letzten Stationen des Spaziergangs betrachten kann: das Gasthaus Jagdschlössl und das Hochhaus der Schwesternschaft. Die Schönheit des Platzes selbst erschließt sich auf den ersten Blick nicht unbedingt. Doch er hat Charakter, und für die Bewohner Neuhausens ist er der zentrale Treffpunkt. Früher bezeichneten ihn die Münchner als Stachus von Neuhausen. Seinen richtigen Namen erhielt der Platz, der eigentlich eher eine Straßenkreuzung ist, 1903 vom Rotkreuzkrankenhaus, das elf Jahre zuvor in Betrieb genommen worden war. An der Stelle des prägenden Hochhauses stand einst das Jagdschloss. Nahezu die gesamte Bebauung des Platzes fiel dem Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Mit der Zerstörung des neoromanischen Prunkbaus der Winthirapotheke verlor das Viertel damals ein weiteres Wahrzeichen.
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1. Wohntürme Friends
Warum es sich lohnt innezuhalten: Das neue Wohngebiet am Hirschgarten wirkt zwar noch recht steril, obwohl längst Leben eingezogen ist. Auch die beiden 53 Meter hohen Zwillingswohntürme mit dem Marketingnamen "Friends" sind mittlerweile bewohnt. Sie ziehen nicht nur wegen ihrer Höhe die Aufmerksamkeit auf sich. In den mittleren und oberen Stockwerken falten sich die Gebäudehüllen in freien Variationen zu Erkern, deren Ausbuchtungen den Fassaden eine ganz eigene Struktur geben. Die reliefartigen Gebäudehüllen unterscheiden sich so von den üblichen glatten Fassaden der Hochhäuser und geben dem Viertel eine eigene Prägung. Für die Bewohner sind die Erker auch als Balkonersatz gedacht - viel zu zugig wäre es in der Höhe draußen. Wer es sich leisten konnte, in den Türmen eine Wohnung zu kaufen, kann nun dank der Erker trotzdem quasi aus dem Haus heraustreten, Panoramablick über die Stadt inklusive.
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2. Siedlung Neuhausen
Warum es sich lohnt innezuhalten: Die Siedlung ist eine der ersten Großsiedlungen, die zwischen 1928 und 1930 im Auftrag der neu gegründeten städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag errichtet wurde. In den 1920er-Jahren setzte sich der Zeilenbau durch, da er im Gegensatz zur Mietskaserne eine gleichmäßige Belichtung und Belüftung aller Wohnungen erlaubte und außerdem eine "Klasseneinteilung" zum Beispiel nach Vorderhaus und Hinterhaus vermied. Die charakteristische Blockrandbebauung im vorderen Teil am Steubenplatz wird "Amerikanerblock" genannt, weil amerikanische Kredite bei der Finanzierung eine Rolle spielten. Eine Besonderheit ist der Künstlerhof zwischen Arnulf- und Karl-Schurz-Straße. Hier liegen mehrere ebenerdig angelegte Künstlerateliers an einem schmalen Innenhof - eine malerische Idylle in der Großstadt.
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3. Villenkolonie Neuwittelsbach
Warum es sich lohnt innezuhalten: Weil man sich beim Spaziergang durch solche Viertel so schön vorstellen kann, wie es wäre, selbst in einer hochherrschaftlichen Villa auf einem bis zu 2400 Quadratmeter großen Grundstück mit parkähnlichem Garten zu wohnen. Das vornehme Quartier erstreckt sich südlich des Nympenburger Kanals zwischen Renata- und Hubertusstraße und zwischen Prinzen- und Nibelungenstraße, einschließend Lachnerstraße, Aiblingerstraße, Flüggenstraße und Abschnitten der Romanstraße, Montenstraße und Prinzenstraße mit dem Rondell Neuwittelsbach als Mittelpunkt. Die Siedlung, die von 1880 an und bis zum frühen 20. Jahrhundert entstand, steht nicht nur als Ensemble unter Schutz; die meisten der Häuser sind auch als Einzelbau denkmalgeschützt. Allein in der Flüggenstraße sind es beispielsweise 15 von 16 Villen.
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4. Haus der Architektur
Warum es sich lohnt innezuhalten: Der Ort darf schon deshalb nicht fehlen, weil hier die Bayerische Architektenkammer beheimatet ist. Aufgabe der Kammer ist es, den Wert einer geplanten und gebauten Umgebung zu vermitteln, die Wahrnehmung dafür zu schulen und eine Möglichkeit zu bieten, die Gestaltungsprozesse unserer Gesellschaft zu diskutieren. Damit anfangen kann man gleich hier. Das Gebäude, das durch Sichtbeton und horizontal strukturierte Verglasung bestimmt ist, fungiert als modernes Veranstaltungs- und Seminargebäude, das zum Ort der Begegnung für alle am Bauen und Planen Interessierten geworden ist, Profis wie Laien. "Wie man sich unterordnen kann und trotzdem stärker sein, das zeigt dieser Neubau", schrieb der Schweizer Architekt und Journalist Benedikt Loderer im Jahr seiner Fertigstellung. "Das Haus der Architektur ist eines der Hauptwerke der Architektur der prätentiösen Bescheidenheit."
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5. Herz-Jesu-Kirche
Warum es sich lohnt innezuhalten: Nach der Zerstörung der alten Herz-Jesu-Kirche im Zweiten Weltkrieg wurde ein hölzerner Neubau improvisiert, der 1994 abbrannte. Sechs Jahre später wurde die neue Kirche geweiht, über die zuvor kontrovers diskutiert worden war. Die einen waren begeistert, die anderen entrüstet über den einfachen, gläsernen Quader, in dem sich ein weiterer, hölzerner Kubus befindet. Wenn die Tore geschlossen sind, ahnt man nicht, dass es sich um eine Kirche handelt - es könnte auch ein Kunstmuseum oder ein Hangar sein. Kirchen wirken oftmals kalt; diese nicht. Durch mehr als 2000 senkrecht stehende Holzlamellen fällt Licht ein, je nach Sonnenstand unterschiedlich stark. Helles Holz lässt den Raum warm wirken. Das Hauptportal besteht aus 432 blauen Glasfeldern, auf denen in stilisierter Form ein Nagelalphabet - ähnlich einer Keilschrift - den Text der Johannespassion wiedergibt.
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6. Gasthaus Jagdschlössl
Warum es sich lohnt innezuhalten: Vor allem wegen seiner Geschichte - und wegen dem, was nicht mehr da ist. Schon 1875 gab es das Gasthaus "Jagdschloss", benannt war es, na klar, nach dem Jagdschloss, das sich direkt gegenüber befand. Am 7. Januar 1945 fiel es dem Bombenhagel zum Opfer, wie nahezu die gesamte Bebauung des Rotkreuzplatzes. Auch das einst dreistöckige Gebäude der Gaststätte, das bis dahin vom Roten Kreuz genutzt worden war, wurde zerstört. 1947 wurde es durch den bis heute bestehenden Barackenbau ersetzt, dessen Längsseite nun weit in die Leonrodstraße hineinragt. Er ist einer der letzten Behelfsbauten der Nachkriegszeit. In den 1960er-Jahren betrieb der Fußballer Fritz Herdin das Lokal. Das Gasthaus am Rotkreuzplatz, der früher als Stachus von Neuhausen bezeichnet wurde, genießt heute eine Art Kultstatus und zieht ein gemischtes Publikum aus gediegenen Herrschaften und hippem Jungvolk an.
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7. Haus der Schwesternschaft
Warum es sich lohnt innezuhalten: Das Hochhaus ist das auffälligste Bauwerk am Rotkreuzplatz. Im Neuhauser Volksmund heißt es nur "die Schwesternschule", so stand es jahrzehntelang ganz oben auf einem Schild. Seit einigen Jahren steht da: Schwesternschaft. Die Schwesternschaft vom Roten Kreuz war es auch, die dem Platz seinen Namen gegeben hat. Hier, wo sich einst ein kurfürstliches Jagdschlösschen auf einer Wiese befand, baute der "Bayerische Frauenverein vom Roten Kreuz" von 1887 an den Komplex mit Krankenhaus und Schwesternheim. Fünf Jahre später wurde er in Betrieb genommen. Das 54 Meter hohe Hochhaus mit seinen 15 Geschossen wurde zu einem Wahrzeichen für Neuhausen, das 2003 Konkurrenz bekam durch den gläsernen Mercedes-Tower an der Donnersbergerbrücke. 2011 bis 2012 wurde unter anderem die Gebäudehülle saniert. Die vorgehängten kubischen Natursteinplatten blieben dabei erhalten.