Zu dieser Zeit hatte der Platz schon einen großen Teil seiner merkantilen Bedeutung eingebüßt. Den Wandel hatte König Max I. Joseph am 10. März 1807 eingeleitet, als er per allerhöchster Entschließung verfügte, den Markt auf den Hof des Heiliggeistspitals zu verlegen. Damit reagierte der Monarch auf das zunehmende Chaos, mit dem Händler und Bürger zu kämpfen hatten. Wie es seinerzeit zuging, steht in einem Bericht von 1797 zu lesen: "Am letzt verflossenen Samstag sah ich in München eine sehr große Schranne, die bis zum schönen Turm hinaufreichte, aber auch zugleich ein so großes Gedräng an Wagen und Pferden, und vermischtes Gewühl von Menschen", hieß es da.
"Es kann manchmal wohl nicht anders ablaufen, als dass an diesen Schrannentagen große Unglücke entstehen müssen, und unbehülfliche Alte und die kleinere Jugend darf sich an diesen Tagen wohl in Acht nehmen, um nicht niedergefahren zu werden, und sich Arme und Beine entzwei rädern zu lassen." Nach dem königlichen Machtwort verlagerte sich das Marktgeschehen auf das Heiliggeistgelände (Viktualienmarkt) und die 1853 fertiggestellte Schrannenhalle.
Der Marienplatz als Baustelle um 1970 - die U- und S-Bahnröhren entstehen.
(Foto: Fritz Neuwirth)Die nächste große Veränderung brachte der Bau des Neuen Rathauses mit sich, der zwischen 1867 und 1909 in drei Abschnitten vonstatten ging. Insgesamt 21 Bürgerhäuser, deren Laubengänge und feine Stuckfassenden den Marienplatz bis dahin geprägt hatten, mussten dem neugotischen Koloss des Architekten Georg von Hauberrisser weichen.
Im Zweiten Weltkrieg gingen dann auch die historischen Gebäude auf der Südseite verloren, darunter auch der "Peterhof" mit seiner feinen Giebelfassade, der, so schreibt der Architekturhistoriker Erwin Schleich, durchaus hätte gerettet werden können. Die Architektur der Neubauten ist, um es gnädig zu formulieren, bescheiden. Richtig auffällig ist hingegen der 1972 eröffnete Kaufhof, den der Münchner Baumeister Josef Wiedemann konzipiert hat. Mittlerweile hat das von Anfang an umstrittene Gebäude einige Freunde gefunden, man findet aber auch Beifall, wenn man ihm den Charme einer Trutzburg unterstellt. Dass man dafür das sehr ansehnliche Kaufhaus Roman Mayr niedergerissen hatte, wirft ein düsteres Licht auf die damaligen Verantwortlichen.
In den 1970er Jahren wurde der Marienplatz zur Fußgängerzone
Auf alten Fotos, die um 1900 aufgenommen wurden, ist zu sehen, wie Pferdetram, Droschken und die ersten Autos über den Marienplatz rollen. Und ältere Münchner erinnern sich noch, wie sie in den Sixties mit dem Auto bis zum Rathaus fahren konnten. Damit war Schluss, als der Platz Anfang der Siebzigerjahre zur Fußgängerzone wurde. Zuvor war er Gegenstand ausgiebiger Wühlarbeiten, die der Eröffnung der U- und S-Bahnstation Marienplatz vorausgingen.
Auch wenn der Verkehr verschwunden ist: Eine Piazza von italienischer Qualität ist der Marienplatz nicht unbedingt. Aber er ist attraktiv genug, um sich wohl zu fühlen, wenn man an heißen Tagen auf dem Rand des Fischbrunnens Platz nimmt und den Touristen zusieht, wie sie dem Rathaus-Glockenspiel zusehen. Dass immer derselbe Ritter gewinnt, müssen sie ja nicht wissen.