Gastronomie:Diese Architekten treffen Münchens hedonistischen Lebensstil

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Auch das Restaurant Rocca Riviera am Wittelsbacherplatz wurde von Daniela Wilke und Daniel Hildmann eingerichtet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Deshalb haben Daniel Hildmann und Daniela Wilke weit mehr als ein Dutzend Münchner Restaurants und Bars gestaltet.

Von Franz Kotteder

Gute Geschichte! Das mit der Kaffeekanne von Alessi. Daniel Hildmann war jung, hatte Spaß am Kreativsein und machte ein Praktikum bei einem Fotografen. Bei dem sah er ein Exemplar ebenjener Kaffeekanne, bis heute eine Design-Ikone, und war von ihrer perfekten Form sofort begeistert. "Die hat ein Architekt entworfen", sagte der Fotograf, und damit war dem jungen Daniel klar, was er einmal werden wollte: "Wenn Architekten solche Dinge machen", sagte er sich, "dann will ich einer werden".

Daniel Hildmann will damit nur sagen, dass er Architektur nicht nur deshalb studiert hat, weil das ein kreativer Beruf ist. "Wenn man etwas baut", sagt er, "dann will man etwas machen, was einen gewissen Öffentlichkeitsbezug hat". Sprich: Es soll gut benutzbar sein, zugleich aber auch hohen ästhetischen Ansprüchen genügen, und wenn beides zusammentrifft, dann hat man ein beinahe ideales Gebäude geschaffen. Oder, im Falle der Innenarchitektur oder des Interior Designs, um es international auszudrücken: eine ideale Umgebung, in der man sich gerne aufhält. Und wo halten sich Menschen, insbesondere in München, gerne auf: in Lokalen, Cafés, Wirtshäusern, Restaurants zum Beispiel. "Zum Well-Being beizutragen", sagt Hildmann, sei ein wichtiges Ziel von Architektur, und deshalb hat er genau das jetzt auch auf die Homepage seines Studios geschrieben.

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Koi, Fugazi, Roxy: Die beiden Architekten sind gefragt.

Daniel Hildmann und seine Partnerin Daniela Wilke haben mit ihrem Studio hildmannwilke einen großen Anteil daran, dass sich Münchner in Restaurants wohlfühlen. Wenn es um Lokale mit ambitionierter Innenarchitektur geht, dann steckt in den meisten Fällen ihr Büro dahinter, obwohl Innenarchitektur neben Neubauten nur eine Hälfte ihres Arbeitsvolumens umfasst, und die Liste ist lang. In den letzten Jahren waren das etwa am Wittelsbacherplatz das Koi und das Rocca Riviera, das Restaurant im Nationalmuseum oder die Umgestaltung des Alois im Feinkosthaus Dallmayr und das Bad an der Theresienwiese. Derzeit arbeitet das Team am neuen Café Roma an der Maximilianstraße. Gabriel Lewy will dort seit Jahren sein ehemaliges Roma ein Haus weiter aufleben lassen. Das denkmalgeschützte Gebäude, das der Stadt gehört, hat allerdings seine Tücken. Weil die Statik marode war, musste es erheblich nachgerüstet werden, etwa durch ein dichtes Gewerk von Stahlträgern.

Lewy ist überhaupt eine Art Geburtshelfer des Studios hildmannwilke gewesen, was deren innenarchitektonisches Wirken in der Gastronomie angeht. "Das allererste Projekt war das Café Atlas", sagt Daniel Hildmann, "danach habe ich noch einmal zwei Jahre in London studiert, bevor wir uns 2000 wieder getroffen haben." Da suchte Gabriel Lewy jemanden, der ihm sein News-Café in der Leopoldstraße ausgestaltete. Hildmann war zur Stelle, Lewy sehr zufrieden, und so folgten weitere Aufträge: im Jahr darauf die Vanilla Lounge, 2002 die Neugestaltung des Roxy. So wurden die, die in der Münchner Gastro-Szene ein großes Rad drehten, aufmerksam auf Hildmann und Wilke. Marc Uebelherr etwa und Uli Springer, zwei Szene- und Multigastrounternehmer, oder auch Konstantin Wahl. So zeichnen Hildmann und Wilke also auch verantwortlich für das Ocui, das Fugazi, für Le Copain und den Tegernseer im Tal - Wirtshaus können sie also auch.

Daniel Hildmann ist jemand, der sich über seine Arbeit viele Gedanken macht und über die Wirkung, die sie erzielt. Wie gestaltet man Räume "in einer Stadt wie München, wo es sehr um Hedonismus pur geht"? München, Kitzbühel, Ibiza: Das sind Orte für einen Lebensstil, der natürlich auch Ausdruck findet in der Innenarchitektur, in den Möbeln und in den Produkten, die dort angeboten werden. Zugleich sieht er auch den sich abzeichnenden Wandel: Man zeigt sein Geld auch an diesen Orten halt doch nicht mehr so offensiv wie noch vor 20 oder 30 Jahren.

Daniel Hildmann und seine Partnerin Daniela Wilke gründeten ihr Studio hildmannwilke, gemeinsam arbeiten sie an deutschlandweiten und internationalen Aufträgen. (Foto: privat)

Freilich: Auch Innenarchitektur muss letztlich das ausdrücken, was Bauherr und Nutzer sich vorstellen. Das macht ihren Erfolg aus - auch und gerade dann, wenn der Architekt längst sein Honorar erhalten hat. Hildmann sagt, ihn habe besonders beeindruckt, dass ein Café im Pariser Flughafen Charles de Gaulle nach der Umgestaltung durch hildmannwilke seinen Umsatz verdoppeln konnte, obwohl sich am gastronomischen Konzept nichts geändert hatte. So etwas kann man zwar nicht planen. Aber es ist interessant, dass es funktioniert.

Hildmann, sagt, er lasse sich schon beim ersten Baustellenbesuch mit dem Bauherrn inspirieren und fertige dort erste Skizzen an. Eine sehr ungewöhnliche Vorgehensweise für einen Architekten. Aber es helfe ihm, die Planung zu entwickeln.

Es folgt dann oft ein langwieriges Spiel mit Materialien, Stoffen, Holz und Formen. Dafür gibt es im Studio hildmannwilke ein eigenes Materiallager. Daniela Wilke ist hier besonders engagiert, sagt Hildmann, "sie macht das aus einem tiefen, inneren Antrieb heraus". Er selbst legt großen Wert auf die Haptik, wie sich die Materialien anfühlen, und dass sie auch einen natürlichen Alterungsprozess durchmachen, durch den sie nur noch schöner werden. "Die große Theke im Rocca Riviera haben wir zum Beispiel aus Onyx gemacht", erzählt er, "und die Ecken auf Gehrung gesägt" - also im spitzen Winkel aneinandergefügt. "Klar, dass das leicht bricht, aber das lässt das Riesending erst leben."

Sein Faible für Material und Patina rührt wohl daher, vermutet er, dass er in Feldkirchen in einem der ältesten evangelischen Pfarrhäuser Bayerns aufgewachsen ist, sein Vater war dort Pfarrer. Das Haus wurde um 1830 herum gebaut, und das sah man den vielen Details im Inneren sehr wohl an. Seither, sagt Hildmann, weiß er um die Bedeutung von Materialien: "Darüber diskutieren wir in unserem Team sehr lange." Es komme schon auch mal vor, "dass wir auch noch auf der Baustelle komplett gegen die eigene Planung arbeiten".

Klingt anstrengend, auch für den Bauherrn. Aber es braucht eben keiner zu glauben, es sei ein leichter Weg, bis man den Zustand des "Well-Being" erreicht hat.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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