Umzug:Licht aus! Spot an!

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Der Bunker an der Blumenstraße beim Viktualienmarkt soll zum Architekturzentrum entwickelt werden. Seit Herbst 2019 kündet die Schrift-Installation: UMWANDELN des Münchner Künstlers Christoph Brech an der Fassade davon, was mit dem Bunker geschehen soll. (Foto: Gustav Götze)

Die Architekturgalerie verlässt nach fast 30 Jahren den Standort im Kunstareal. Jetzt will man sich voll und ganz auf den Blumenbunker beim Viktualienmarkt konzentrieren und daraus in einem demokratischen Transformationsprozess ein Architekturzentrum machen.

Von Evelyn Vogel, München

Etwas Wehmut schwingt dann doch mit in der Stimme von Nicola Borgmann, als die letzte Ausstellung in der Architekturgalerie an der Türkenstraße endet. Auch wenn sie weniger zurück, sondern viel mehr voraus schauen will. Grund, positiv in die Zukunft zu blicken, hat die Leiterin der Architekturgalerie allemal. Zwar gilt für die Türkenstraße nach fast 30 Jahren: Licht aus! Dafür heißt es im Bunker an der Blumenstraße: Spot an! Dieser soll nun systematisch zu einem Architekturzentrum im Herzen der Stadt ausgebaut werden. Damit endet auch die Zweigleisigkeit, die Borgmann zuletzt gefahren war - was teilweise "recht anstrengend" war, wie sie selbst zum Abschied in der Türkenstraße dann auch eingesteht.

Während es im sogenannten Blumenbunker neben dem Viktualienmarkt seit 2016 eine vor allem temporäre Bespielung gab, fuhr Borgmann am angestammten Galeriestandort in der Türkenstraße volles Programm. Und das war in den zurückliegenden drei Jahrzehnten beachtlich. Mehrere Hundert Ausstellungen und mindestens ebenso viele Vorträge, Lesungen, Workshops, Projekte und weitere Veranstaltungen zu Architektur-, Landschafts- und Innenarchitektur- sowie Städtebauthemen hat sie in diesen drei Jahrzehnten in den Räumen im Kunstareal organisiert - ehrenamtlich. Denn hinter der Architekturgalerie steht ein gemeinnütziger Verein, dessen Vorstand Borgmann zwar unterstützt, allen voran Octavianne Hornstein. Aber der Motor und das Gesicht der Architekturgalerie ist Nicola Borgmann. Dafür wurde ihr 2013 der Bayerische Architekturpreis und 2018 der Architekturpreis der Landeshauptstadt München verliehen.

Die Architektin Nicola Borgmann leitete seit 1992 die Architekturgalerie München (hier bei einer Eröffnung in den bisherigen Räumen in der Türkenstraße). (Foto: Saskia Wehler/Saskia Wehler)

Gegründet wurde die Architekturgalerie München 1985 und war damit eine der ersten Institutionen in Deutschland zur Ausstellung und Vermittlung von Themen rund um Architektur, Stadt und Landschaft. Gründungsleiter war Horst Haffner, der später lange Jahre Baureferent in München war. Von den Anfängen am St.-Anna-Platz im Lehel ging's 1992 in die 100 Quadratmeter großen Räume im Hinterhof eines hübschen Backsteinbaus an der Türkenstraße. An dessen Straßenfront lag bis vor kurzem das Ladengeschäft der Buchhandlung Werner und über die erfolgte auch der Zugang zur Architekturgalerie. Als sich vergangenes Jahr abzeichnete, dass die Buchhandlung ihren Mietvertrag kündigen würde, war schnell klar, dass die Architekturgalerie die Räume in der Türkenstraße nicht weiter würde betreiben können. Zu eng waren die Räumlichkeiten verwoben. Werner hat die Türkenstraße mittlerweile verlassen und ist nun, inzwischen im Besitz des Hirmer Verlags, in der Theresienstraße zu finden. Die Räume in der Türkenstraße sollen weiterhin einer Galerie als Heimstatt dienen. Wer das sein wird? Bewerbungen wird es wohl genug gegeben haben. Denn die Lage im Kunstareal gegenüber dem Museum Brandhorst ist seit Jahren von Galeristen gesucht.

Mit dem Umzug in die Türkenstraße 1992 hatte Nicola Borgmanns Engagement für die Architekturgalerie begonnen. Und mit ebenso viel Engagement wird sie nun den Aufbau des Architekturzentrums im Blumenbunker vorantreiben. Die studierte Architektin, Stadtplanerin und Kunsthistorikerin (sie stammt aus Münster, hat in München, Rom und London studiert) ist lokal, regional und international bestens vernetzt in der Architekturszene. Neben ihren eigenen Planungsprojekten - zuletzt hat sie unter anderem ein Krankenhausprojekt auf dem afrikanischen Kontinent betreut - unterrichtet sie auch und tritt als Architekturvermittlerin in verschiedenen Rollen auf.

Dichtes Gedränge herrschte eigentlich immer bei Eröffnungen in der Architekturgalerie, so auch bei einer Ausstellung von Bauten des deutsch-amerikanischen Architekten Helmut Jahn (links vorne) mit Fotos des Münchner Fotografen Rainer Viertlböck (rechts vorne). (Foto: Saskia Wehler/Saskia Wehler)

So vielfältig wie Nicola Borgmann arbeitet, so vielfältig gestaltet sie auch die Projekte für die Architekturgalerie. Ausstellungen von und Gespräche mit internationalen Superstars der Architekturszene wie Coop Himmelblau, gmp, Norman Foster, David Chipperfield oder dem jüngst so tragisch ums Leben gekommenen Helmut Jahn wechselten sich ab mit lokalen Themen und Büros, die eher regional bedeutsam sind. Dazwischen pflegt Borgmann Nachwuchsförderung, Nachhaltigkeitsthemen, Ingenieurskunst und vieles mehr. Oft wird Architektur in Form von Fotoausstellungen präsentiert, manchmal gibt es vor allem Modelle zu sehen, hin und wieder wandeln die Besucher durch begehbare architektonische Installationen. Es gilt das Prinzip: die Vielfalt macht's.

Jeder, der im Bunker ausstellt, übernimmt auch einen Planungsschritt für die Umwandlung

Dieses Prinzip soll im Bunker fortgesetzt werden. Allerdings wird hier auch eine gehörige Portion Pragmatismus eine Rolle spielen. Denn die Idee von Nicola Borgmann ist: Jeder, der im Bunker ausstellt, übernimmt auch einen Planungsschritt der Transformation. Demnächst soll das norwegische Büro Snøhetta für seine Ausstellung eine Zwischendecke entfernen und so eine Beletage gestalten. Außerdem gibt es einen Entwurf vom Münchner Bildhauer Christian Hinz für eine skulpturale Wandöffnung. Und seit Herbst 2019 deutet ein Schriftbild des Münchner Künstlers Christoph Brech an der Fassade des Bunkers an, wohin die Reise geht: UMWANDLUNG steht da in mehr als ein Meter hohen Edelstahl-Lettern. Sie wurden von dem Schweizer Büro Burckhardt und Partner finanziert und im Zuge ihrer Ausstellung "Transformation" angebracht, bei der reale und illusionistische Ansichten, eine Bar, Kunstinstallationen und eine Pilzzucht in den Bunker lockten. Zudem haben die Schweizer auch die ersten Baumaßnahmen umgesetzt: die beiden Fluchttüren innen.

Eine der ersten baulichen Interventionen im Bunker an der Blumenstraße: Durchbruch und Leuchtkasten von Burckhardt und Partner. (Foto: Holzherr und Dr. Goessing)

Doch es bleibt noch viel zu tun. Heizung, Sanitär, Toiletten, ein Café, ein Buchladen - die Wunschliste ist lang. Bislang hat Borgmann, die eher selber anpackt, als Däumchen zu drehen, eine Menge in Eigenarbeit zum Laufen gebracht. Nun soll das Schritt für Schritt und mit Hilfe von Sponsoren, die "inhaltlich zu den Ausstellungen passen", wie Borgmann es formuliert, professionell geschehen. Dass sie dabei nicht allein ist, hat sie in den vergangenen Wochen und Monaten zu spüren bekommen. "Ich bin überglücklich", jubelt Borgmann und setzt ihr so markantes, strahlendes Lächeln auf. "Egal wen ich frage, jeder ist sofort bereit zu helfen, mit zu planen und Ideen beizusteuern. Wir bekommen hier maximale Unterstützung." Diese reiche von lokalen über nationale bis zu internationalen Architekturbüros, von der Architektenkammer, dem BDA, Studierenden und Professoren der Hochschulen über die Architektur Kultur Stiftung und die Bundesstiftung Baukultur bis hin zur Münchner Stadtpolitik und dem Denkmalpflegeamt. Dass die Abstimmung mit Letzterem so gut läuft, ist ein Umstand, den Borgmann sehr zu schätzen weiß. Als Architektin kennt sie die Problematik nur zu gut, wenn es um Umbauten im denkmalgeschützten Bestand geht.

Baukulturelle Themen der Zukunft, Klima- und sozialgerechtes Bauen will sie an dem neuen Ort mit noch größerer Außenwirkung in vielen Facetten präsentieren und diskutieren. Die Unterstützung aus der ganzen Architekturszene wie auch aus der Politik trägt dazu bei, dass Nicola Borgmann zuversichtlich in die Zukunft blickt, auch wenn mal was schief läuft. "Nach den vielen Jahren der ehrenamtlichen Arbeit in der Architekturkommunikation, ist die Erfahrung, wie sehr der Ausbau eines neuen Architekturzentrums im Bunker auf viel Begeisterung, Zuspruch und Unterstützung trifft, ganz wunderbar. Ich bin sehr optimistisch und glücklich."

Und einen Gedanken findet sie besonders schön: "Dass dieses Gebäude, das in der NS-Zeit autokratisch errichtet wurde, nun in einem demokratischen Prozess umgeformt wird." Dass ihr bei so viel Unterstützung, ihrer Energie, ihrem Engagement und ihrer scheinbar nie versiegenden Zuversicht die Transformation des Bunkers in diesem Sinne auch gelingen wird, daran kann man kaum zweifeln.

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