Süddeutsche Zeitung

Architekt Braunfels wehrt sich:"Ich bin Opfer, nicht Täter"

Sieben Monate muss die Pinakothek der Moderne wegen Rissen in der Rotunde geschlossen werden. Architekt Stephan Braunfels gibt die Schuld an den Baumängeln dem Freistaat - und spricht von einer gewaltigen Mängelliste.

Franz Kotteder

"Ich bin Opfer, nicht Täter, und den Schaden haben jetzt alle Münchner": Stephan Braunfels, Architekt der Pinakothek der Moderne, wehrt sich gegen Anwürfe, die nach nur zehn Jahren notwendig gewordene Sanierung des Hauses gehe auf Planungsfehler zurück.

In Wirklichkeit liege die Verantwortung dafür beim Freistaat - wegen zu niedrig kalkulierter Baukosten, unrealistischer Vorgaben, "fürchterlicher Fehlentwicklungen während der Bauzeit und einer geradezu feindlich aufgestellten Bauleitung".

Er habe dem Freistaat im Jahr 2002 bei der Bauübergabe eine Liste mit mehr als 200 Mängeln vorgelegt, die jedoch bis heute nicht behoben seien. "Man sollte die Schließung im kommenden Jahr nutzen", so Braunfels zur SZ, "um auch die vielen anderen Mängel zu beheben."

Vor zehn Tagen hatte Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) bekannt geben müssen, dass die Pinakothek der Moderne wegen Rissen in der Rotunde vom kommenden Februar an für sieben Monate geschlossen werden muss. Die Bauarbeiten und ein provisorisches Ausweichquartier werden rund 1,5 Millionen Euro kosten. Schuld an den Rissen seien Ziegel, die im Laufe der Zeit aufgequollen seien und nun ersetzt werden müssten.

Braunfels ist verärgert, dass sein Name mit dem Begriff "Pfusch am Bau" in Verbindung gebracht wird. "Der Kostenrahmen war von Anfang an viel zu niedrig", sagt er, "man ging von 400 Euro für den Kubikmeter umbauten Raum aus, der Mittelwert für 20 große, vergleichbare Museen in Deutschland und Europa hat damals hingegen schon 700 Euro betragen." Das Brandhorstmuseum habe zum Beispiel 1000 Euro pro Kubikmeter gekostet.

Zudem habe ihm die Oberste Baubehörde weder die Kostenberechnung und -kontrolle noch die Bauleitung zugestanden. "Ich habe weder den Statiker und die Bauleitung noch die Fachingenieure meiner Wahl bekommen", sagt er.

Sein Fazit: Man habe um jeden Preis den Kostenrahmen von damals 200 Millionen Mark einhalten wollen und wegen der offensichtlichen Unmöglichkeit, ihn einzuhalten, versucht, die Schuld auf den Architekten abzuschieben. Jahrelange Bauzeitverzögerungen seien die Folge gewesen und "viele Defizite in der Ausführung".

So habe die viel zu billige Verschattungsanlage in der Gemäldegalerie schon vor fast sechs Jahren ihren Geist aufgegeben, weshalb die Bilder seitdem durch Kunstlicht beleuchtet werden: "Dabei hatten wir eine Tageslichtkonstruktion geplant, die einzigartig ist auf der Welt." Die riesigen Fenster im Sockelgeschoss seien inzwischen halbblind, weil sie viel zu früh eingebaut wurden und jahrelang ungeschützt dem Baustaub ausgesetzt waren.

Überhaupt stehe das ganze Museum heute noch im Bauschotter, weil die Freiflächenplanung nie umgesetzt wurde. Braunfels: "Eigentlich ist das ganze Gebäude noch immer unvollendet."

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Quelle:
SZ vom 23.07.2012/tob
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