Schaugrabung im Park CambodunumAntikes Erbe neu entdeckt und bald verschwunden

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So sieht der Grabungsstand in diesem August aus.
So sieht der Grabungsstand in diesem August aus. (Foto: Johannes Schießl / Kulturamt Kempten)

Im Archäologischen Park Cambodunum wird diesen Sommer nach dem ältesten Forum der ersten Römerstadt Deutschlands geforscht. Besucher haben die Möglichkeit, die Ausgrabungen zu beobachten und mehr über die Bedeutung dieser historischen Entdeckungen zu erfahren.

Von Lara Kipper

An der Kasse des Archäologischen Parks Cambodunum (APC) in Kempten angekommen, erwartet die Besucher zunächst ein einladender Spielplatz, dazu blühende Wiesen, große Bäume und ein kleines Café. Der Ort wirkt voller Leben und Energie und trotzdem fast schon unscheinbar, wenn man bedenkt, dass sich nur wenige Meter unter den Füßen der herum rennenden Kinder ein bedeutender Teil der Geschichte verbirgt: die Überreste der ersten schriftlich erwähnten Römerstadt Deutschlands.

„Unser Ziel ist es zu vermitteln, dass das Wissen um unsere Vergangenheit, unsere Geschichte und unser kulturelles Erbe wichtig ist, um unser Heute zu verstehen und unsere Zukunft zu gestalten“, erklärt Maike Sieler, die Leiterin der Stadtarchäologie Kempten und des APC. Der Park schützt und präsentiert das Zentrum der antiken Stadt, dessen Überreste teilweise überbaut wurden. Seit 2019 arbeitet der Park in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München daran, weitere Bereiche des Areals zu erforschen. Im Zuge dessen können Besucherinnen und Besucher etwa den ganzen August den jungen Archäologinnen und Archäologen bei einer Grabung über die Schulter schauen. 

Bereits 2019 wurde ein erstes Projekt zur Erforschung der siedlungsgeschichtlichen Entwicklung von Cambodunum gestartet. Dabei wurde ein repräsentativer Häuserkomplex, die Insula 1, freigelegt. Die dort zutage gekommenen Funde gehören zu den ältesten Belegen römischer Wohnbebauung in Deutschland. Es ist faszinierend, nur ein paar Jahre später von dieser Ausgrabung zu hören, denn sehen kann man nur noch ein wildes, ungemähtes Stück Wiese. Nach so langer Zeit unter der Erde müssen archäologische Funde wie diese zu ihrem eigenen Schutz wieder zugeschüttet werden, da sie unter Einflüssen der Natur sonst schnell zerstört werden würden. Auch deswegen ist die Chance, jetzt bei einer neuen aktiven Grabung zuzusehen, etwas Besonderes. 

Seit dem 22. Juni sind Studierende der LMU unter der Leitung von Professor Salvatore Ortisi auf der Suche nach dem ersten Forum der Römerstadt. Das Forum war das zentrale Element römischer Städte und diente als Mittelpunkt des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens der Stadt. Der Grundriss der Siedlung ist schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt und mit ihm gibt es auf dem Gelände auch bereits ein Forum der Stadt, welches Besucher bei ihrem Rundgang im Park entdecken können. Bei der Grabung der Insula 1 wurden nun jedoch mögliche Spuren eines weiteren, ersten und damit älteren Forums von Cambodunum gefunden. Dazu kommt die Erkenntnis, dass die Siedlung um die 100 Jahre älter als das schon bekannte Forum ist. Bleibt jedoch die Frage: Wo liegt das frühe Zentrum dieser nach römischem Vorbild gegründeten Stadt?

Für tiefere Einblicke finden im August jeden Donnerstagnachmittag Sonderführungen statt

Ausgehend von dieser Forschungsfrage wurde nun am 22. Juli mit einem klaren Ziel zu graben begonnen. Dafür kam zunächst ein Bagger, der Zentimeter für Zentimeter vom Boden abnimmt, denn sobald etwas archäologisch Auffälliges gefunden wird, muss sofort auf manuelle Arbeit mit Schaufel und Hacke umgestiegen werden. Wichtige Funde können nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche liegen, aber auch mehrere Meter in der Tiefe. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler graben sich Schicht für Schicht in den Boden und damit in die Geschichte. Jegliche Funde, selbst die kleinsten Scherben, müssen stets dokumentiert, datiert und sortiert werden, denn sobald tiefer gegraben wird, sind frühere Befunde nicht mehr nachvollziehbar.

Die Grabung auf der Suche nach dem ersten römischen Forum in Cambodunum wird noch bis Ende August andauern, Ortisi und seine Studierenden sind hoffnungsvoll, dass es ab Mitte August auch für das ungeübte Auge spannende Befunde zu sehen geben wird. Besucherinnen und Besucher des Parks sind herzlich eingeladen, den Archäologinnen und Archäologen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen und Fragen zu stellen. Für tiefere Einblicke finden im August auch jeden Donnerstagnachmittag Sonderführungen statt.

Jeder Fund wird dokumentiert: hier Stücke einer Wandmalerei.
Jeder Fund wird dokumentiert: hier Stücke einer Wandmalerei. (Foto: Salvatore Ortisi)

Nach Abschluss der Grabung werden die Ergebnisse vermutlich wieder verschüttet, um sie zu schützen. Das APC hofft jedoch, die Funde in der geplanten Landesausstellung 2028 in Augsburg und Kempten zeigen zu können. Auch für die Funde der Insula 1 ist ein Schutz- und Ausstellungsbau geplant.

Ein Besuch im APC lohnt sich im August also besonders, neben der aktuellen Grabung sind allerdings auch der Tempelbezirk, die kleinen Thermen und das bisherige Forum sehenswert. „Wir wollen, dass Kultur, die ja durch Kommunen gefördert wird, auch für alle Menschen zugänglich ist“, betont Sieler. Deshalb ist der Eintritt für Menschen unter 18 Jahren und alle Auszubildenden kostenfrei. „Wir wollen Barrieren abbauen und arbeiten so inklusiv wie möglich“, sagt die Leiterin des APC. Sei es durch Gebärdensprachvideos, taktile Leitsysteme am Boden oder Audiodeskriptionen. Auch die Anbindung an das Viertel und die Integration der Anwohner ist den Mitarbeitenden besonders wichtig. So bietet der APC beispielsweise jeden Sonntag in den Sommermonaten Picknickkonzerte umsonst an, zu denen die gesamte Nachbarschaft zusammenkommt. 

Schaugrabung im Archäologischen Park Cambodunum, bis 30. August, Montag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr, Freitag 10 bis 12 Uhr, Sonderführungen im August: Donnerstags 16 Uhr, keine Anmeldung erforderlich, Teilnahme auf Spendenbasis

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