Süddeutsche Zeitung

Arbeitsplätze:Das Geschäft mit den hippen Büros

  • Immer mehr Firmen mieten in der Stadt große Areale an und bauen die zu Coworking-Spaces um.
  • Die Mieten sind in der Regel teurer als bei lokalen Anbietern.
  • Die wiederum können sich allein mit dem Vermieten von Schreibtischen meist nicht mehr finanzieren - und wollen deshalb mehr sein als nur Arbeitsplatz.

Von Pia Ratzesberger

Gerd Krohn hat umgebaut. Und es ist erst einmal nicht so wichtig, dass sich in seinen Büros nun Tischtennisplatten finden und Schaukeln und Baumstämme, sondern vor allem, was sich dort nicht mehr findet: 40 Arbeitsplätze. Was Krohn auf seinen 900 Quadratmetern macht, galt einmal als neu und aufregend, doch jetzt sagt er: "Wir sind kein normaler Coworking-Space mehr." Sie seien jetzt "Begegnungsstätte".

Seine Büros nennt er Smartvillage, er hat sonst 80 Arbeitsplätze vermietet, nun sind es nur noch halb so viele, und daran sieht man, wie sich das Coworking verändert. Auch, weil immer mehr große Firmen ebenfalls Büros mit Tischtennisplatten vermieten, nur eben nicht wie Gerd Krohn auf 900 Quadratmetern. Sondern auf 8000 Quadratmetern.

Das sogenannte Coworking begann in den Nullerjahren, damals eröffnete das Betahaus in Berlin, 2010 das Combinat56 in München. Wer sich alleine kein Büro leisten konnte oder wollte, teilte sich dort eines mit anderen, für ein paar Stunden, ein paar Tage oder ein paar Wochen. Die Menschen sparten Kosten für Miete und Drucker und Internet, im besten Fall teilte man nicht nur die, sondern auch Ideen.

In den Büros saßen viele Selbständige und Freiberufler, im Combinat 56 aber ist es heute genau wie im Smartvillage: Man baut vor allem die Räume aus, in denen sich Teams treffen können, in denen Workshops stattfinden. Nur mit Mieten könne er sich nicht finanzieren, sagt Gerd Krohn, er brauche die Veranstaltungen. Allein mit der Miete Geld verdienen, das nämlich würden nur die Großen schaffen.

Coworking, das klingt für manche noch immer progressiv, nach Spielplatz statt nach Stempelkarte, und deshalb werben mehr und mehr Unternehmen mit diesem Begriff. Sie mieten Flächen an, hängen Glühbirnen an die Decke und stellen Sofas zusammen, der Kaffee kommt von der Privatrösterei - die Arbeitsplätze vermieten sie dann teils zu doppelt oder dreimal so hohen Mieten wie kleinere Anbieter in der Stadt. Die Frage ist nur: Was hat das noch mit dem eigentlichen Gedanken des Coworking zu tun?

Konkurrenz kommt aus den USA

Im Sommer kommenden Jahres wird zum Beispiel ein Start-up aus den USA nach München kommen, das mehr als 20 Milliarden US-Dollar wert sein soll, ein sogenanntes Einhorn - so werden junge Firmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar am Markt genannt. WeWork hat sich vor fünf Jahren in New York gegründet, die Firma vermietet in 58 Städten in der Welt Arbeitsplätze, auch in Hamburg, Frankfurt und Berlin. Allein in der deutschen Hauptstadt gibt es vier solcher Büros, zwei weitere werden bald eröffnet.

Wybo Wijnbergen, der Manager des Unternehmens, sagt: "Wir wollen nicht nur ein Coworking Space sein, sondern eine Gemeinschaft, wie Facebook oder LinkedIn." Seine Mieter nennt Wijnbergen deshalb auch "Mitglieder", dabei seien zum Beispiel Spotify oder Microsoft oder Deloitte, große Firmen also, mit solchen hofft man nun auch in Bayern zusammenzuarbeiten, München sei ein "wichtiger Standort". In der Stadt und im Umland haben sieben Dax-Unternehmen ihren Sitz.

Von Juni kommenden Jahres an wird WeWork also am Oskar-von-Miller-Ring vier Stockwerke anmieten, in der Hausnummer 20. Auf 8000 Quadratmetern. Im Kustermann-Haus am Viktualienmarkt ist vor ein paar Monaten erst das Unternehmen Mindspace eingezogen, in Tel Aviv gegründet, vom ersten Februar an wird die Firma zusätzlich am Salvatorplatz vier Stockwerke mieten. Auf 2200 Quadratmetern.

Ein "Open Space Desk" kostet schon einmal um die 600 Euro im Monat, für einen Platz im Großraumbüro zahlt man damit mehr als für manche Ein-Zimmer-Wohnung. Bei WeWork heißt es, die Preise für München stünden noch nicht fest, in Frankfurt aber kostet ein "Hot Desk" zum Beispiel um die 320 Euro im Monat. Ein Arbeitsplatz in einer Lounge.

Gerd Krohn, 46, vom Münchner Smartvillage sagt: "Da sitzen die Leute doch wie in einer Legebatterie hinter Glas." Yuriy Taranovych, 40, von der Münchner Idea Kitchen sagt: "Kein einzelner Coworker kann im Leben diese Preise zahlen." In seiner Idea Kitchen in der Hansastraße koste der Platz zum Beispiel um die 170 Euro im Monat, er habe Glück gehabt mit der günstigen Miete, Ende kommenden Jahres aber läuft der Vertrag aus. Das Gebäude wird abgerissen. Was dann wird, weiß er noch nicht. "Ich liebe Coworking, aber München ist eine Katastrophe".

Firmen wie Mindspace oder WeWork werben vor allem um andere Firmen, nicht nur um die Konzerne, auch um die Start-ups, die immer noch mehr Fläche buchen können, je größer sie werden. WeWork zum Beispiel stattet ganze Büros aus, für Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, diese Unternehmen sparten sich Kosten, so das Versprechen, könnten je nach Lage Räume dazu buchen, abbestellen.

Die Coworking-Firmen aber werben auch noch mit etwas anderem. "Werde Teil einer kosmopolitischen Gemeinschaft von Firmen und Jungunternehmern, die Großes erreichen wollen", heißt es bei Mindspace. "Wir glauben, dass CEO's einander helfen können", bei WeWork. Und deshalb sagt auch Gerd Krohn jetzt: "Wir sind Begegnungsstätte." Die Konkurrenz nimmt zu.

Das Versprechen: Viel mehr zu kriegen als nur einen Arbeitsplatz

In München sind es heute mehr als 25 Coworking Büros, manche vermieten nur ein Dutzend Arbeitsplätze, andere Hunderte, wieder andere sind auf bestimmte Branchen festgelegt, alle aber heben mittlerweile hervor: Bei uns gibt es viel mehr als nur einen Arbeitsplatz.

Ruft man bei der Gründerin vom Combinat56 an, einem der ersten Büros in der Stadt, sagt Sina Brübach-Schlickum: "Eigentlich habe ich mir das immer so vorgestellt, dass es in München irgendwann viele Büros gibt." Sie hat ihre Fläche ohnehin schon erweitert, als es nur das Combinat gab, seien manche Menschen eine Stunde durch die Stadt gefahren, das müsse ja auch nicht sein. Wie bei den Kneipen suche sich nun eben jeder das Büro aus, das zu ihm am besten passe. Nur bei einem sei sie sich nicht sicher, sagt Sina Brübach-Schlickum dann noch - ob das wirklich alles noch Coworking sei.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2017/vewo/ratz
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