Arbeitsmarkt in der Wissenschaft:Wie Unis die Besten anlocken

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Üppige Gehälter allein reichen längst nicht: Um ausländische Spitzenforscher nach München zu locken, helfen LMU und TU bei der Suche nach Wohnungen und Krippenplätzen. Manchmal beschaffen sie sogar den Ehepartnern Arbeit.

Von Anne Kostrzewa

Internationale Forschung ist ein Thema, über das Wolfgang Herrmann ganz besonders gerne spricht. Der Präsident der Technischen Universität (TU) München schraubt mit den Armen Aufwärtsspiralen in die Luft, um den Erfolg zu beschreiben, den er sich von einer "bunten Universität" erhofft: "Unterschiedliche Sichtweisen, Denkweisen, Arbeitsweisen innerhalb einer Disziplin erweitern den Horizont", sagt er.

Dabei ist es gar nicht so einfach, eine bunte Universität zu realisieren. Die Universitäten müssen sich weltweit messen lassen, es geht um Fördergeld, Kooperationen, Reputation. Um exzellente Wissenschaftler aus aller Welt nach München zu holen, müssen sich die Universitäten ins Zeug legen - und weit mehr bieten als einen Job.

"Wir müssen ein attraktives Paket schnüren, dass man nicht ausschlagen kann", sagt Bernd Huber, Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Natürlich spiele das Gehalt eine Rolle, je nach Fachbereich aber auch die Ausstattung, Labore etwa oder Bibliotheken. Das gelte für alle Wissenschaftler, betont Huber, egal welcher Nationalität.

Haustier, Krippenplatz, Wohnungssuche

Forscher aus dem Ausland und deutsche Wissenschaftler, die lange im Ausland gearbeitet haben, bräuchten darüber hinaus mitunter auch Hilfe bei Dingen, die außerhalb der Universität eine Rolle spielen, sagt Huber. Ansprüche auf Altersvorsorge sind so ein Thema, die Umschreibung des Führerscheins ein anderes. Manche wollen auch ein Haustier mitbringen oder suchen einen Krippenplatz für ihre Kinder. Visafragen, Wohnungssuche, Behördengänge - Herausforderungen in einem fremden Land, noch dazu mit einer fremden Sprache, gibt es viele.

Um ihren neuen Wissenschaftlern den Einstieg zu erleichtern und ihnen durch die deutsche Bürokratie zu helfen, haben beide Münchner Unis spezielle Servicezentren eingerichtet: das LMU-Gateway und das Welcome Center der TU. Beide Angebote entstanden im Zuge der bundesweiten Exzellenzinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Wissenschaftsrats. Die Münchner Unis wurden mehrfach ausgezeichnet und damit auch für internationale Forscher interessanter: In den Jahren 2009 bis 2013 kam an der LMU jeder dritte neue Professor aus dem Ausland. In der Vorjahren war das nur bei jeder fünften Berufung der Fall.

Etwa 50 Wissenschaftler betreut das Team parallel

Markus Miorandi leitet den Willkommensservice der LMU. Seine drei Mitarbeiterinnen und er kennen die Sorgen und Probleme der Neu-Münchner. Ein Patentrezept für einen guten Start in München gebe es aber nicht, sagt Miorandi: "Auf jeden unserer Fälle lassen wir uns ganz individuell ein. Wir fragen, was ihnen wichtig ist, und weisen auf Aspekte hin, die unserer Erfahrung nach relevant sind."

Etwa 50 Wissenschaftler betreut sein Team parallel. Jeder von ihnen soll sich möglichst schnell in München zu Hause fühlen. Weil einige Fragen bei den Beratungen immer wieder auftauchen, hat Miorandis Team mittlerweile ein großes Netzwerk an Kontakten geknüpft, um Probleme möglichst schnell zu lösen. "Es ist ein Prozess, bei dem auch wir dazulernen."

Ein Aspekt, der in mehr als 80 Prozent der Beratungen eine Rolle spiele, sagt Miorandi, sei die Karriere des Partners. Oft haben die Ehepartner oder Lebensgefährten der Wissenschaftler ebenfalls eine akademische Karriere, die sie beim gemeinsamen Umzug nach München aufgeben müssen. An beiden Münchner Universitäten gibt es deshalb noch ein weiteres wichtiges Angebot für neu ankommende Wissenschaftler: Der Dual Career Service hilft Ehepartnern und Lebensgefährten neu berufener Forscher, ebenfalls eine Stelle zu finden. "

Dabei schauen wir gemeinsam die Lebensläufe an und besprechen, welche Richtung sie sich beruflich vorstellen", sagt Miorandi, der auch den Dual Career Service der LMU betreibt. Über Sprachkurse können sich die Partner ebenfalls informieren. Und natürlich fragt der Dual Career Service auch in den eigenen Fakultäten und an anderen Münchner Universitäten und Hochschulen an, ob es freie Stellen gibt. Eine Jobgarantie kann das Angebot zwar nicht bieten. Für viele Wissenschaftler ist aber allein die Aussicht, dass der Partner Unterstützung bekommt, ein entscheidendes Kriterium dafür, dem Ruf nach München zu folgen.

Deutsche Wissenschaftler im Ausland zurückholen

Die TU bietet darüber hinaus sogenannte Tenure-Track-Professuren an, ein Karrieremodell, das es in vielen Ländern gibt. In Deutschland ist es bislang einzigartig - und für die TU ein enormer Wettbewerbsvorteil. Im Tenure-Track werden aussichtsreiche junge Wissenschaftler zunächst für sechs Jahre als Assistenzprofessoren berufen. Ob sie sich anschließend für eine höhere Position qualifizieren, hängt dann von ihrer Leistung ab. "Sie haben von Anfang an die Chance, stufenweise aufzusteigen, bis hin zum Vollprofessor, also zum Lehrstuhlinhaber", erklärt TU-Präsident Herrmann. Zwar verspreche die Uni nicht jedem einen Lehrstuhl. Bringe jemand gute Leistungen, scheitere sein Aufstieg aber nicht an einer eventuell nicht vorhandenen Stelle.

Der Hintergedanke: Indem die TU ähnliche Anreize bietet wie die Eliteunis im Ausland, will sie nicht nur die besten internationalen Köpfe anlocken, sondern auch deutsche Wissenschaftler aus dem Ausland zurück gewinnen. "Berufungen sind das Herzstück erfolgreicher Universitätspolitik", sagt der TU-Chef. "Jede Berufung muss besser sein als der Durchschnitt von allen, die schon hier sind."

LMU führt im Ranking national, TU ist gerade so dabei

Im jährlichen Ranking des britischen Magazins Times Higher Education kamen heuer nur sechs deutsche Universitäten unter die besten 100. Die LMU führt national auf Rang 29 - ein doppelter Erfolg: Im Vorjahr reichte es nur für Rang 55. Die TU hingegen ist nur gerade so dabei, Rang 98. Um ihre Fakultäten im internationalen Ranking weiter nach vorne zu bringen, wirbt die TU nicht nur Spitzenkräfte aus aller Welt an. Sie ist auch selbst im Ausland präsent - mit Büros in San Francisco, São Paulo, Kairo, Singapur, Shanghai und Mumbai. Die Nähe zu großen Konzernen wie im Silicon Valley ist ein Vorteil.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Forschung unter anderen Bedingungen, etwa im tropischen Klima Singapurs. Schon bald sollen die Standorte zu Rekrutierungszentren ausgebaut werden, um auch für die Studienplätze die weltbesten Kandidaten zu finden. Genau da liegt für TU-Präsident Herrmann die Aufwärtsspirale: "Wenn wir die besten Köpfe berufen, bekommen wir auch die besten Studierenden, weil die zu den besten Professoren wollen. Und anders herum ziehen die besten Studenten die besten Professoren an."

© SZ vom 24.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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