Arbeitsmarkt:Abschiebung trotz Stelle: "Man kommt sich hilflos vor"

  • Ein junger Afghane wird trotz angebotenem Ausbildungsplatz abgeschoben.
  • Eine Bäckerei hat versucht, dem 27-jährigen eine Ausbildungsgenehmigung zu verschaffen, doch die wurde abgelehnt.
  • Insgesamt 69 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan sind am Dienstagabend von München aus nach Kabul abgeschoben worden.

Von Inga Rahmsdorf

Eigentlich passte alles. Die Bäckerei und Konditorei Riedmair sucht seit Jahren verzweifelt motivierte Auszubildende. Und Esam M. war ein interessanter Bewerber. Der 27-Jährige aus Afghanistan hat bereits Erfahrungen, er hat in Kabul als Bäcker gearbeitet. Bei einem Praktikum bewies er dem Münchner Unternehmen, dass er Lust hatte zu arbeiten, und er stellte sich geschickt an. Die Firma bot ihm einen Ausbildungsplatz an und stellte den dafür notwendigen Antrag bei der Regierung von Oberbayern. Das ist ein halbes Jahr her. Eine Ausbildungsgenehmigung erhielt Esam M. nicht, stattdessen wurde er vor zehn Tagen in Abschiebehaft genommen. Am Dienstagabend wude er, nach drei Jahren in Deutschland und der Ablehnung seines Asylantrags vor einem Jahr, vom Münchner Flughafen nach Afghanistan abgeschoben.

Insgesamt wurden 69 abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan am Dienstagabend von München aus nach Kabul abgeschoben worden. "Mit 51 abgelehnten Asylbewerbern aus Bayern stellte der Freistaat den Löwenanteil dieser Sammelabschiebung", teilte das bayerische Innenministerium mit. Die zurückgeführten Personen seien ausschließlich Männer gewesen. Von den abgeschobenen Afghanen aus Bayern seien fünf Straftäter gewesen.

"Gerade Bayern tritt mit seiner Abschiebepraxis besonders meinungsstark, aber faktenarm auf", kritisierte die Organisation Pro Asyl. Das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hatte noch Anfang Juni vor einer pauschalen Bewertung der Lage in Afghanistan gewarnt. Dort gebe es weiterhin bewaffnete Konflikte, Terroranschläge und gezielte Menschenrechtsverletzungen.

In der Bäckerei Riedmair stößt die Entscheidung des Freistaats auf Unverständnis. "Wir können es nicht nachvollziehen, dass Esam die Ausbildung bei uns nicht antreten darf", sagt Verwaltungsleiter Christof Mertel. Er habe sich auch mit einem Schreiben an die Regierung von Oberbayern gewandt, jedoch keine Antwort erhalten. "Man kommt sich hilflos vor, als ob es niemanden interessiert", sagt Mertel. Das Unternehmen hat 250 Mitarbeiter und 20 Lehrlinge, davon derzeit drei in der Bäckerei. Sie könnten dort auch sechs Auszubildende einstellen. Zwei Männer aus Sierra Leone hat Mertel gerade für die Ausbildung gewinnen können. Für Arbeitgeber seien jedoch die ausländerrechtlichen Prozedere überhaupt nicht nachvollziehbar, kritisiert Mertel. Der eine Flüchtling habe die Erlaubnis nach einem Tag bekommen, der andere erst nach zwei Monaten, und der dritte wird abgeschoben.

Das Amtsgericht München hatte die Inhaftierung von Esam M. mit der Gefahr begründet, dass er sich sonst einer Abschiebung entziehen könne. Denn er habe bereits erhebliche Geldbeträge aufgewendet, um die Schlepper nach Deutschland zu zahlen, heißt es in dem Beschluss. Dieser Betrag "wäre bei einer Abschiebung vergeblich aufgewendet. Esam hat große Angst vor dem, was ihm in Afghanistan droht", sagt Lia Möckel. Sie ist Rechtsanwältin und hat Esam M. in den vergangenen Monaten ehrenamtlich unterstützt. Er habe erzählt, dass er dort nicht sicher sei, sein Bruder bereits seit einem halben Jahr in Afghanistan verschwunden.

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