Arbeitskampf der Lokführer:Wie der Bahnstreik den Großraum München trifft

Arbeitskampf der Lokführer: Streik der Logführer-Gewerkschaft, Marienplatz S-Bahn, 15.Oktober 2014, Foto : C : Stephan Rumpf

Streik der Logführer-Gewerkschaft, Marienplatz S-Bahn, 15.Oktober 2014, Foto : C : Stephan Rumpf

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Nach der Ankündigung des Lokführerstreiks hat die Deutsche Bahn einen Notfahrplan für die S-Bahn im Großraum München aufgestellt. Alle Linien sollen mindestens im 60-Minuten-Takt fahren, die S 8 zum Flughafen alle 20 Minuten.
  • Sollten Abiturienten wegen des Streiks zu spät zu ihren Prüfungen kommen, dann können sie unter Umständen von Kulanzregelungen profitieren.
  • Infos erhalten Bahnreisende im Internet unterwww.bahn.de/liveauskunft oder per Telefon unter 08000/ 99 66 33.

Von Katja Riedel, Melanie Staudinger und Marco Völklein

Es klingt fast wie ein Witz: An diesem Dienstag des Stillstandes wird auf dem Münchner Messegelände die weltgrößte Messe für Mobilität eröffnen. Das "Drehkreuz der globalen Branche" wolle man sein, heißt es in der Broschüre - doch dieses Drehkreuz könnte lokal heftig klemmen. Die modernsten Fahrzeuge, darunter auch solche auf Schienen, sind zwar bereits in den Hallen aufgebaut. Doch wie die etwa 53 000 Besucher trotz des Bahnstreiks nach München und aufs Messegelände kommen, dürfte noch bei manchen eine größere Herausforderung werden. Fast die Hälfte der Besucher kommt aus dem Ausland und am Münchner Flughafen an - man solle doch den Taxifestpreis zu 59 Euro nutzen, rät die Messe am Vortag vorsorglich.

S-Bahnen fahren im 60-Minuten-Takt

Viele Messebesucher, aber auch zahlreiche Pendler dürften aufs Auto umsteigen. Die Automobilklubs erwarten massive Staus auf den Autobahnen, aber auch auf den Ring- und Einfallstraßen in München, wenn von diesem Dienstag an bis Sonntagfrüh die Lokführer die Deutsche Bahn (DB) bestreiken. Der Konzern will nach Angaben eines Sprechers möglichst viele verbeamtete Lokführer und Mitarbeiter aufbieten, die sonst andere Aufgaben übernehmen, um mit ihnen einen Rumpffahrplan zu stemmen.

So sollen alle S-Bahn-Linien mindestens im 60-Minuten-Takt bedient werden; auf den Linien S 2, S 3 und S 4 will die Bahn einen dichteren Takt anbieten. Auf der Stammstrecke zwischen Pasing und Ostbahnhof soll alle zehn Minuten ein Zug rollen. Die S 8 zwischen Pasing und dem Flughafen wird nach DB-Angaben alle 20 Minuten fahren; die S 1 rollt nur nach Freising und nicht zum Airport.

Die Bahn hofft, dass die Streikbereitschaft der Lokführer bis Sonntag nachlassen wird. Nach Angaben eines Sprechers sei es daher gut möglich, dass bereits von Mittwoch an mehr Züge fahren werden - zumindest dann, wenn sich mehr Lokführer zum Dienst melden als angenommen. Der Konzern werde "rechtzeitig informieren", so der Sprecher. Infos erhalten Bahnreisende im Internet unter www.bahn.de/liveauskunft oder per Telefon unter 08000/ 99 66 33.

Im Fernverkehr soll jeder dritte Zug fahren

Ausdrücklich nicht vom Streik betroffen sind die Bahnunternehmen, die nicht zur DB gehören - dazu zählen unter anderem die Bayerische Oberlandbahn (BOB), der Meridian, der die Strecken nach Rosenheim, Kufstein und Salzburg bedient, sowie der Alex, der von München aus nach Regensburg/Hof sowie nach Lindau fährt. Auch die U- und Trambahnen der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) fahren regulär. Im Fernverkehr soll laut DB jeder dritte Zug fahren, im Regionalverkehr in Bayern jeder zweite. Ebenfalls ohne Beeinträchtigungen fahren laut Bahn die Eurocity-Züge von und nach Italien, die Railjet-Verbindungen nach Österreich und der TGV nach Paris. Um dennoch möglicherweise gestrandete Fahrgäste unterbringen zu können, will die Bahn am Hauptbahnhof einen Hotelzug bereitstellen.

Viele Fernverkehrskunden dürften ohnehin auf Busse oder das Flugzeug umsteigen. So meldet die Deutsche Post einen Andrang auf ihre Fernbusse, "der beim Drei- bis Vierfachen des sonst üblichen liegt", wie ein Sprecher sagt. Der Konkurrent Flixbus/Meinfernbus kündigte an, zusätzliches Personal am Busbahnhof an der Hackerbrücke bereitzustellen - und, wenn möglich, zusätzliche Busse auf stark nachgefragten Strecken einzusetzen. "Dennoch raten wir dazu, schnell zu buchen", ergänzte der Postsprecher. Denn die Preise steigen je nach Auslastung der Fahrzeuge.

Was das Kultusministerium Abiturienten zugesteht

Bangen dürften neben anderen Pendlern viele Abiturienten, die in dieser Woche zwei Prüfungen schreiben. Grundsätzlich gilt: Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Wegen des Warnstreiks aber will das Kultusministerium eine Ausnahme machen. "Wir werden Einzelfall-Lösungen finden", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Sollte ein Abiturient etwa 15 Minuten zu spät kommen, weil seine Bahn nachweislich nicht gefahren sei, könne er die Viertelstunde hinten anhängen. Könne ein Jugendlicher die Schule gar nicht erreichen, könne er die Klausur zum Nachholtermin schreiben. Selbstverständlich aber, so betont Spaenle, müssten sich alle Schüler um Pünktlichkeit bemühen.

Eng werden könnte es auch bei mancher Firma, die auf Zulieferteile angewiesen ist. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft kritisierte den Streik scharf. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt nannte den Ausstand "unverantwortlich", er gefährde die Wettbewerbsfähigkeit. Allein aus Bayern heraus würden jährlich etwa 25 Millionen Tonnen an Gütern versandt, nach Bayern kämen etwa 30 Millionen Tonnen. Insbesondere die Metall- und Elektroindustrie, Chemieunternehmen sowie Fahrzeug- und Maschinenbau litten unter der Länge des Streiks - auch wenn sie versuchten, die Auswirkungen gering zu halten. Etwa, indem erwartete Lieferungen von der Schiene auf die Straße verlegt werden. Siemens erwartet daher keine Engpässe: Der Konzern arbeitet in seiner Lieferkette bevorzugt mit Speditionen zusammen, die per Lkw Waren heranfahren.

Am Ende der Woche könnte es die Fußballfans treffen

Andere Speditionen, die mit der Bahn zusammenarbeiten, würden im Streikfall ohnehin auf die Straße ausweichen, heißt es bei dem Konzern. Die IHK München und Oberbayern sieht das als Problem: "Fehlt die Verlässlichkeit, tun sich Unternehmen schwer, wieder auf die Schiene zurückzukehren", heißt es bei der Kammer, die dafür eintritt, den Warenverkehr stärker zur Bahn zu verlagern als bisher.

Betroffen von dem Streik könnten am Ende der Woche auch Fußballfans sein: Am Samstag tritt der FC Augsburg gegen den FC Bayern in Fröttmaning an. Zu erwarten ist, dass nicht nur Gäste-Fans auf das Auto umsteigen werden. Dann dürfte es noch enger werden auf den schon stark ausgelasteten Autobahnen A 8 und A 99.

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