Arbeitskampf am Flughafen:Geheimsache Streik

Verdis Taktik im Arbeitskampf an den Airports geht auf: In München und Nürnberg müssen am Dienstag Dutzende Flüge ausfallen. Die Aktion ist Teil der bundesweiten Streiks im öffentlichen Dienst.

Dominik Hutter

Das oberste Gebot hieß Konspiration. Und so erfuhren viele Flughafenangestellte erst morgens um vier aus dem Autoradio, dass es an diesem Dienstag nicht zum Arbeiten, sondern zum Streiken geht. Termin: 3.30 bis 12 Uhr, die Kollegen in den weiß-roten Gewerkschaftswesten warten schon an den Personaleingängen.

Streik am Münchner Flughafen

Viele Mitarbeiter des Flughafenbetreibers haben sich an den Streiks beteiligt.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

"Ich schätze, dass bei uns 90 Prozent mitgemacht haben", berichtet Hans-Peter Seiwert, der sich im Terminal 1 postiert hat. An seinem Revers prangt ein Button mit der Aufschrift "Ich bin stolz, kein Streikbrecher zu sein" - was bedrohlicher wirkt, als es wohl gemeint ist. Wäre Seiwert nicht im Ausstand, würde er jetzt einen Bus übers Vorfeld steuern. Es ist 6.30 Uhr, die Zeit der Geschäftsflieger.

Drüben im Terminal 2 lässt sich beobachten, was geschieht, wenn plötzlich kein Bus mehr fährt. Die Lufthansa-Maschine nach Turin parkt unerreichbar auf dem Vorfeld - "annulliert/cancelled" liest sich das dann auf der großen Anzeigetafel. "Ich kann erst am Nachmittag fliegen", erzählt der Italienreisende Martin Preissler, der gerade sein Ticket umgetauscht hat.

Ob er verärgert ist? "Es geht so", meint er schicksalsergeben. Was soll man schon machen? Immerhin reichen die knapp sechseinhalb Stunden Wartezeit aus, um noch einmal im Büro vorbeizuschauen. Ein Münchner, der für dieselbe Maschine gebucht war, hat sich für eine andere Möglichkeit entscheiden: "Über Mailand", verrät er, denn dieses Flugzeug parkt direkt am Gebäude. Von Mailand aus geht es weiter mit dem Bus.

Rund 350 Mitarbeiter des Flughafenbetreibers FMG haben nach Angaben der Gewerkschaft Verdi am Dienstag an einem Warnstreik teilgenommen. Offiziell fordern sie eine Lohnerhöhung um fünf Prozent. Die Aktion ist Teil des bundesweiten Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst.

Für die meisten Beschäftigten aber geht es um sehr viel mehr, berichtet Hans-Dieter Weidig, der im Terminal 1 für die Personalverteilung am Gepäcksystem zuständig ist. "Der Hauptgrund für die rege Beteiligung ist die miserable Situation bei den Bodenverkehrsdiensten." Deren Mitarbeiter, das wird bei Gesprächen schnell klar, wären heilfroh, wenn ein fünfprozentiges Gehaltsplus ihre einzige Sorge wäre.

Denn bei den Bodenverkehrsdiensten - den Leuten, die Flugzeuge beladen, das Abwasser entsorgen oder eben die Vorfeldbusse fahren - geht es ums Ganze: um die Existenz der gesamten Abteilung mit rund 1900 Mitarbeitern. Airport-Chef Michael Kerkloh will die chronisch defizitären Dienste in die schwarzen Zahlen zwingen: durch Lohnkürzungen, um mit der privaten Konkurrenz mithalten zu können.

Ohne Aufträge keine Arbeitsplätze

Die Gewerkschaft Verdi hingegen will die Defizite durch höhere Zahlungen der Fluggesellschaften ausgleichen - warum sollen es die Beschäftigten ausbaden, wenn die Verträge nicht kostendeckend sind? Weil keine Airline einen solchen Vertrag unterschreiben würde, wenn sie dieselbe Leistung anderswo billiger bekommt, kontert Kerkloh.

Streik am Münchner Flughafen

37 Flüge fielen aus, 80 Maschinen hatten Verspätungen von mehr als einer halben Stunde.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Ohne Aufträge keine Arbeitsplätze. Dazu kommt, dass die Gesellschafter des Flughafens, Freistaat, Bund und Stadt München, weitere defizitäre Aufträge untersagt haben. Das gilt auch für die Großkunden Lufthansa und Air Berlin, deren Verträge demnächst auslaufen. Eine fatale Situation also, die - wenn sich beide Seiten nicht einigen - auf die allmählichen Abwicklung der FMG-Bodenverkehrsdienste hinausläuft.

37 Flüge fallen aus an diesem Tag, und 80 Maschinen haben Verspätungen von mehr als einer halben Stunde. Zahlreiche Passagiere müssen ohne ihr Gepäck an Bord gehen - das kann nicht eingeladen werden und muss daher mit den Nachmittagsmaschinen nachgeliefert werden. Dass überhaupt noch so viel klappt an diesem Streiktag, liegt vor allem an den Gepäckladern der vom Arbeitskampf nicht betroffenen Tochterfirma "MUC Ground", die zusammen mit der privaten Konkurrenz sowie einigen Streikunwilligen der FMG das Nötigste erledigen.

Anders als in Nürnberg, wo an diesem Dienstag für zwei Stunden gar nichts mehr ging, hat Verdi in München nicht zum Äußersten gegriffen: einem Ausstand der Feuerwehr, der die Einstellung des kompletten Flugbetriebs zur Folge hat. In Nürnberg waren 27 Flüge betroffen.

"Das wollten wir in München wegen der vielen Interkontinentalflieger nicht machen", berichtet Verdi-Verhandlungsführer Frank Riegler - die Piloten dieser Maschinen hätte man als verantwortungsbewusster Tarifpartner schon acht oder zehn Stunden vorher informieren und so vom Starten abhalten müssen. Dies aber wollte Verdi bewusst nicht tun. Die größtmögliche Geheimhaltung sollte verhindern, dass der Flughafen Notdienste organisiert - und dass Vorgesetzte ihre Untergebenen unter Druck setzen.

Das kommt nicht bei jedem gut an. "Ich habe für eine solche Aktion absolut kein Verständnis", schimpft Burkhard Franke, der nach einem Ispo-Besuch erst nach Hamburg, dann nach London und schließlich heimwärts gen Hongkong fliegen wollte. Das klappt nun nicht, weil die Hamburg-Maschine annulliert ist. "Was hier läuft, ist Erpressung." Kaj Backman aus Helsinki dagegen hat Verständnis: "Ich weiß nicht, worum es hier geht. Aber die Leute werden nicht ohne triftigen Grund streiken."

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