Arbeiten auf dem Oktoberfest:"Freilich mach ich's wegen dem Geld"

Für Millionen von Party-Gästen ist das Oktoberfest eine Mordsgaudi. Für Andere ist sie harte Arbeit. Wer auf der Wiesn jobbt, braucht gute Nerven - und jede Menge Humor. Zehn Porträts in Bildern.

Tobias Dorfer und Kristina Milz

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Jobs auf dem Oktoberfest

Quelle: Kristina Milz

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Für Millionen von Party-Gästen ist das Oktoberfest eine Mordsgaudi. Für Andere ist sie harte Arbeit. Wer auf der Wiesn jobbt, braucht gute Nerven - und jede Menge Humor. Zehn Porträts in Bildern.

Die Security-Frau

Hirschfänger-Messer in der Lederhosn? Pfefferspray im Dirndl-Tascherl? Andrea Dorner entgeht nichts - und wer mit verbotenen Gegenständen im Gepäck an ihr vorbei will, der hat keine Chance. Den bösen Blick hat sie drauf, die Security-Frau vorm Winzerer Fähndl. Aber den setzt sie nur auf, wenn es nicht anders geht: "Ohne Grund wird von mir niemand abgewiesen", sagt Dorner.

Natürlich stößt mitunter auch jemand wie sie, die 14 Jahre Oktoberfest-Erfahrung vorweisen kann, an ihre Grenzen: Schon öfter wurde sie tätlich angegriffen, meistens von Betrunkenen, die einfach nicht verstehen wollen, dass sie das Zelt verlassen müssen. Und auch Jugendliche können ganz schon giftig werden, wenn sie aufgrund ihres Alters gar nicht erst reingelassen werden.

"Meine Nerven sind ab und zu ganz schön angespannt", beschreibt Dorner, die außerhalb der Wiesn-Zeit auf dem Flughafen für Sicherheit sorgt, diese Stresssituationen. Die seien aber Gott sei Dank die Ausnahme: "Die meisten Leute sind nicht aggressiv, sondern zeigen Verständnis für unsere Arbeit. Deswegen mag ich die Wiesn-Besucher auch so gern", sagt Dorner. Und die Mädels, die nach der Wiesn sicher nach Hause kommen wollen, können ihr Pfefferspray bei ihr auch wieder abholen.

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Quelle: Tobias Dorfer

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Der Musiker

Keine Frage, den schönsten Platz im Schottenhamel-Zelt hat Martin Moosburger. Mit seiner Klarinette und seinem Saxophon sitzt der 41-Jährige in der vorderen Ecke der Kapellenbühne und thront damit über der Festgemeinde. "Wiesn, das ist Champions-League", schwärmt der Musiker, der normalerweise in der Qualitätssicherung bei BMW in Dingolfing arbeitet, sich aber immer für das Oktoberfest Urlaub nimmt.

Moosburger gehört zu der Kapelle von Otto Schwarzfischer, die im Schottenhamel-Zelt das Partyvolk unterhält. Los geht es um 12 Uhr mit einem Marsch, zu späterer Stunde darf es auch etwas fetziger sein. "Man darf nicht immer Vollgas geben", sagt der Klarinettist. Zwischendurch braucht es auch immer eine ruhige Nummer fürs Herz. Manchmal sagt der Dirigent nur "Serie 8", dann wird Let me entertain you gespielt, anschließend Alice, Narcotic und schließlich Walking on sunshine.

Ob Vollgas angesagt ist oder auf die Bremse getreten wird, entscheidet Kapellmeister Schwarzfischer. "Ein guter Chef braucht ein Feeling für sein Publikum", sagt Moosburger, der inzwischen bereits einen eigenen Fanclub hat - auch wenn die Kapelle meistens keine Sonderwünsche erfüllt: "Da würden wir wahrscheinlich alle zehn Minuten Happy Birthday spielen. weil die Freundin von irgendeinem Besucher Geburtstag hat."

Eines verrät er jedoch schon: Bevor am Montagabend im Schottenhamel die Lichter ausgehen, wird noch einmal der Bayerische Defiliermarsch gespielt. Das ist für Moosburger der schönste Wiesn-Moment. Dann wird abgebaut, der harte Kern der Gruppe fährt noch für zwei Tage zu einem Auftritt nach Bielefeld - und Moosburger, der Klarinettist, tritt wieder seinen Dienst im BMW-Werk an.

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Die Brezn-Verkäuferin

"Am besten ist es, wenn es nicht zu heiß ist. Regnen darf es aber auch nicht, das ist nämlich das Schlimmste fürs Geschäft." Elfriede Mayer ist da ganz Profi. Sie hat schon den Wetterbericht gesehen, bevor sie mit ihren Brezn auf die Festwiese kommt  - und kann sich danach den Tagesumsatz fast punktgenau ausrechnen. 18 Jahre Erfahrung auf dem Oktoberfest machen es möglich.

Ein wenig mürrisch blickt sie schon drein, obwohl sie sagt, dass ihr der Job auch Spaß macht. Das Brezn-Verkaufen ist für Elfriede Mayer ein Weg, sich etwas Geld zur Rente dazu zu verdienen. "Freilich mach ich's wegen dem Geld, würden Sie sich sonst den ganzen Tag hier her setzen?", grantelt die 77-Jährige, die früher in einer Bank gearbeitet hat.

Am allermeisten nervt sie das Rumsitzen. Unter der Woche macht sie ihren Brezn-Stand um 10 Uhr auf, am Wochenende gibt's die erste Breze schon um neun. Abends dann, so zwischen 20 und 21 Uhr, geht die letzte Breze über den Verkaufstisch. Dann macht sich Elfriede Mayer auf den Heimweg, am nächsten Tag geht es schließlich wieder los. 17 Tage, ohne Pause. "Das rentiert sich dann scho, sonst wär ich nicht hier."

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Der Maß-Schlepper

"Ja, grias de, Spitzi!" Das ist eine Begrüßung, die man im Biergarten des Augustiner-Zelts immer wieder hört. Er hat hier fast schon Prominenten-Status, aber eigentlich ist er zum Arbeiten hier: Roland Spitz schuftet seit 17 Jahren auf dem Oktoberfest als Bedienung. Ochsenbraterei, Hacker-Zelt, Fischer Vroni und Augustiner Festhalle - fast alle großen Zelte hat er schon durch. Der 63-Jährige mit der heiseren Stimme arbeitet immer im Biergarten, darauf legt er Wert. "Draußen is es einfach scheener, do im Garten mit de Mädls", sagt Spitz.

Bei Wind und Wetter ist er draußen anzutreffen, sogar Schnee hat er in seiner Wiesn-Zeit schon erlebt - für Spitz noch lange kein Grund, Trübsal zu blasen: "Mich stört gar nix an meiner Arbeit! Da muss man mit Herz und Seele dabei sein, sonst kann man den Job gar nicht machen." 14 Maß Bier trägt er gleichzeitig - eine Kunst, auf die so mancher Kollege neidisch ist. Und das über die vollen 17 Wiesn-Tage. "Meistens hab ich nicht mal Zeit zum Essen", sagt er. Er klingt nicht so, als ob es ihn stört.

Am meisten freut sich Roland Spitz, dass manche Gäste nur wegen ihm kommen. Viele von ihnen haben einfach mit ihm die Zelte gewechselt. "Ich hab Stammgäste, die kommen schon in dritter Generation zu mir. Die wissen genau, wo sie mich treffen und welche Tische meine sind."

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Quelle: Kristina Milz

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Die Stimmungskanone

"Tuuuttiiii, Fruuuuutttiiii!" und "Looocker vom Hocker!" So klingt es, wenn man am Fahrgeschäft "Frisbee" vorbeigeht. Arnd Bergmann ist der Urheber dieser Schreie und Sprüche. Aufgewachsen in einer Schaustellerfamilie, wollte er schon als Kind Ansager werden - so wie sein Vater und seine Mutter. Seit etlichen Jahren ist er nun selbst im Geschäft und auch seine beiden Geschwister sind: Ansager.

Der Job geht ganz schön auf die Stimmbänder, keine Frage: "Manchmal krieg ich abends keinen Ton mehr raus", sagt Bergmann. Seiner Freude an der Arbeit tut das aber keinen Abbruch, denn der Job bringt auch Vorteile mit sich: "Man kommt viel herum, wir touren durch ganz Deutschland, manchmal sind wir auch in europäischen Großstädten unterwegs." Das einzige, das Bergmann an seiner Arbeit nervt, sind die ewigen Diskussionen mit volltrunkenen Wiesn-Gängern. "Man kann denen oft einfach nicht verständlich machen, dass sie in dem Zustand nicht mehr fahren sollen", sagt er. Die laute Musik hingegen macht ihm gar nichts aus: "Das ist alles Gewohnheitssache, ich krieg die fast gar nicht mehr mit", sagt er lachend. Es störe ihn schon eher, wenn es mal ruhig ist, dann fehle ihm der Trubel sofort.

Bergmann lässt es sich nicht nehmen, auch mal individuelle Scherze über Fahrgäste zu machen. "Aber nie zu derb, mir war noch keiner beleidigt", sagt er und schreit ins Mikrofon: "Schluss, Aus, Ende, das war's. Und das muss es auch gewesen sein." Die nächste Gruppe bitte.

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Die Hut-Königin

Im vergangenen Jahr stand noch Andrea im Winzerer Fähndl und verkaufte Hüte. Jetzt studiert Andrea in Australien und ihre Freundin Tanja Ludwig (Foto) würde sie gerne besuchen. Um die Reise zu finanzieren, ist sie in Andreas Fußstapfen getreten und hat ihren Wiesnjob übernommen.

Knapp 20 Euro kosten die Hüte, die 25-Jährige bekommt 20 Prozent des Umsatzes. "Dieses Jahr läufts nicht so gut", sagt Tanja Ludwig. Man müsse bei den Oktoberfest-Gästen viel Überzeugungsarbeit leisten. Wenn Tanja Ludwig Überzeugungsarbeit leistet, dann setzt sie sich selbst einen Hut auf, lächelt nett - und hofft, dass die Frauen ihre Männer zum Kauf anstacheln.

Da fällt es so manchem Mann schwer, an sich zu halten. "An Hut mag i net, aber dich kauf ich gerne", sei noch einer der harmloseren Anmachen, erzählt Tanja Ludwig. Aber solche Sprüche kann sie inzwischen gut kontern: "Mich kannst du gar nicht bezahlen", sagt sie dann.

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Quelle: Tobias Dorfer

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Der Freund und Helfer

Jedes Jahr ist es dasselbe Ritual: Münchens OB Christian Ude wünscht beim Faßanstich im Schottenhamel sich selbst und der Festgemeinde eine "friedliche Wiesn". Und Holm Weißflog sorgt dafür, dass das Oktoberfest tatsächlich friedlich abläuft. Der 32-Jährige arbeitet bei P17, der Wiesnwache. Der Einsatz auf der Festwiese sei begehrt bei den Kollegen, erzählt Weißflog. Die Wiesn sei halt schon was Besonderes. Gut gelaunte Menschen, ein eingeschworenes Polizistenteam von 300 Beamten, diese spezielle Oktoberfest-Stimmung - das hat man auf dem Revier nicht, findet der Oberkommissar.

Aber dennoch ist ein Wiesn-Einsatz kein Zuckerschlecken - vor allem wegen der vielen Betrunkenen, die schlägern oder mit den Security-Leuten streiten. "Ich könnte jeden Tag 15 Mal Anzeige wegen Beamtenbeleidigung erstatten", sagt Weißflog. Doch in der Regel sagt er nur "Servus" und zieht weiter. Eine Kollegin jedoch hat vor einigen Tagen "richtig eins auf die Nase bekommen", als sie einen Streit schlichten wollte. Auch deshalb werden die Polizisten extra geschult und ziehen immer in Sechsergruppen los - nicht, wie sonst üblich, zu zweit. Man arbeitet am Limit, sagt Weißflog.

Einmal in den 17 Oktoberfest-Tagen gönnt sich der Polizist einen privaten Ausflug über die Festwiese, meistens mittags. Dann isst er eine Ochsensemmel, trinkt eine Radler-Maß und genießt die Stimmung. Um die Randalierer kümmern sich dann die Kollegen. Dienstende für Holm Weißflog ist erst am Dienstagmorgen, wenn die Zelte längst geschlossen sind. Dann wird P17 geschlossen - bis zur nächsten Großveranstaltung auf der Theresienwiese.

Jobs auf dem Oktoberfest

Quelle: Tobias Dorfer

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Der Luftikus

Wahrscheinlich gibt es nicht viele Orte, wo man einen so guten Ausblick auf das Wiesngeschehen hat, wie in 30 Meter Höhe auf der Alpinabahn. Aber da kann man nicht jeden arbeiten lassen, vor allem nicht diejenigen, deren Knie schon schlottern, wenn sie nach oben schauen. Einen wie Hans-Siegfried Scholl kann man auf die Achterbahn schicken. Scholl ist schwindelfrei und einiges gewohnt, schließlich klettert er schon seit mehr als 40 Jahren auf Achterbahnen und anderen Fahrgeschäften herum und sorgt dafür, dass alles reibungslos funktioniert. Eines ist ihm allerdings wichtig: Wer gar keine Angst vor der Höhe hat, eignet sich auch nicht für den Job. "Sonst wird man leichtsinnig."

Mit seinen 58 Jahren klettert der Mechaniker noch immer fast jeden Tag auf der Alpinabahn, um die Bremsen zu kontrollieren sowie den Lift, mit dem Wägen nach oben gezogen werden. Fünf Techniker sind auf der Wiesn dabei, die meisten kommen aus Rumänien und Polen, sie sind für die Wartung der Achterbahn zuständig. Scholl muss sie anweisen.

Immerhin - wer in 30 Metern Höhe die Bremsen prüft, ist gesichert. "Ohne Gurt geht keiner rauf", sagt Scholl. Die "Bodenakrobaten" verkaufen derweil die Tickets, erledigen andere Arbeiten - und sortieren Fahrgäste aus, die so stark betrunken sind, dass sie nicht mehr richtig laufen können.

Eine Auszeit kann sich Scholl da kaum gönnen, schließlich muss er immer bereit stehen, wenn er gebraucht wird. Am vergangenen Sonntag gab es etwa einen 45-minütigen Stromausfall, die Achterbahn, voll mit Fahrgästen, stand plötzlich still. Das Team musste dafür sorgen, dass die Wagen wieder an den Boden zurückkommen. Wenn Techniker Scholl doch eine ruhige Minute hat, begeht er sein jährliches Wiesn-Ritual: "Dann gönne ich mir bei der Fischer Vroni einen Steckerlfisch."

Oktoberfest 2011

Quelle: dapd

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Der Klomann

Das Geschäft mit dem Geschäft auf der Wiesn lohnt sich, sonst würde Herr A. hier nicht in seinem Urlaub arbeiten. Jeden Tag steht er von 9 Uhr bis zum bitteren Ende in einem Seitengässchen der Schaustellerstraße. Denn A. ist Klomann, bei einer Firma angestellt. Die zahlt einen nicht gerade bemerkenswerten Stundenlohn, aber durch das Trinkgeld der Wiesnbesucher wird das Honorar fast verdoppelt.

"Es gibt natürlich auch Leute, die einen Cent reinwerfen oder gar nichts. Genau genommen geben die meisten nur niedrige Cent-Beträge", sagt A. Ab und zu ist aber doch mal einer dabei, der einen Euro dalässt. Ein wenig Trinkgeld erwartet sich der Mann, der sonst in einer Firma Maschinen bedient, von seiner Arbeit auf dem Oktoberfest schon.

Für die 17 Tage hat er Urlaub von seiner regulären Arbeit genommen - "das ist natürlich nicht Sinn der Sache, man soll sich im Urlaub ja eigentlich erholen", sagt der Mann. Das ist auch der Grund, warum er hier seinen Namen nicht lesen will - sein Arbeitgeber hätte wohl kein Verständnis für diese Art der Urlaubsbeschäftigung, vermutet er.

Jobs auf dem Oktoberfest

Quelle: Tobias Dorfer

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Der "Chefsteward"

Wenn die Spülmaschine verstopft ist, wenn zu wenig Teller in der Küche sind oder eine Bank wieder festgeschraubt werden muss, dann wird im Löwenbräu-Zelt Nermin Pozderovic gerufen. Der 37-Jährige ist sozusagen Mädchen für alles - "außer für Kochen und Bedienen", darauf legt der gebürtige Bosnier Wert. Vor 13 Jahren kam er nach Deutschland und bekam seinen ersten Job im Unionsbräu von Wiggerl Hagn, der auch das Löwenbräu-Zelt betreibt. Hagn habe ihm immer wieder geholfen.

Inzwischen arbeitet Pozderovic bei einer Versicherung, aber für die Wiesn und Wiggerl Hagn nimmt er sich extra zwei Wochen Urlaub, um den "Chefsteward" zu geben, wie er sagt.

Dann kontrolliert er den Verschmutzungsgrad des Wassers in den Spülmaschinen oder lässt einen Mitarbeiter eine Glühbirne austauschen. Wenn ein Brett des Zeltbodens kaputt ist, kümmert sich Pozderovic darum, dass es ausgetauscht wird. Ständig muss etwas repariert, ausgetauscht, inspiziert werden. "Bei dem Job muss man Ruhe bewahren", meint Pozderovic. Morgens um 8 Uhr steht er im Löwenbräu-Zelt, Dienstschluss ist manchmal erst um 23 Uhr.

Und was ist sein schönster Oktoberfest-Moment? "Wenn wir die Wiesn ohne kranke oder verletzte Mitarbeiter überstanden haben."

© sueddeutsche.de/bica
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