Süddeutsche Zeitung

Arabische Touristen:München - ein Märchen aus 1001 Nacht

Zwischen Luxushotel, Versace-Boutique und Ludwig II. : Arabische Touristen bringen orientalischen Glanz und viel Geld in die Stadt.

Christian Mayer

Goldene Wochen sind das, auf dem internationalen Boutiquenbasar zwischen Cartier, Chanel und Dior. Ein blendendes Geschäft mit Kundinnen, die unter ihrem Schleier dunkle Sonnenbrillen tragen und die teuersten Handtaschen-Modelle spazieren führen.

Manche Damen sind in noblem Schwarz gekleidet, andere fallen auf der Münchner Markenmeile mit eleganten bunten Tüchern auf; besonders die jüngeren geizen nicht mit glänzenden Uhren und edlem Geschmeide.

Und manchmal kann man auf der Maximilianstraße auch beflissene Herren mit prall gefüllten XXL-Einkaufstüten beobachten - all die Textilien, Schuhe und Accessoires müssen schließlich in die Hotel-Suiten geschleppt werden.

Etwas mehr Nachtleben, bitte

Usef Al Suwaidi zählt zu den mehr als 30.000 Besuchern aus den Golfstaaten, die jedes Jahr nach München reisen. Der freundliche Herr aus Abu Dhabi genießt mit seiner Frau und den sechs Kindern das kühle Klima, die Überschaubarkeit der Innenstadt und das Gefühl, sich frei und gefahrlos bewegen zu können. "Uns gefällt es hier ausgezeichnet. Nur das Nachtleben für Familien mit Kindern könnte noch etwas besser sein - in Paris gibt es da gute Angebote."

Drei Wochen lang wohnt Al Suwaidi mit seinem Anhang im Dorint Sofitel am Hauptbahnhof. Der Familienvater aus den Emiraten trägt somit zu einer beeindruckenden Entwicklung bei: Seit 1994 hat sich die Zahl der Übernachtungen arabischer Gäste in München mehr als verdreifacht, auf mehr als 130.000, wie das Tourismusamt ermittelt hat. Und in diesem Jahr dürfte ein neuer Rekord erreicht werden, die Besucherzahlen wachsen weiter.

Längst haben sich die Hoteliers auf die konsumfreudigen Gäste eingestellt, die zwar in der Statistik deutlich hinter Amerikanern oder Italienern liegen, aber wegen der zahlreichen Sonderwünsche für viel Umsatz sorgen. "Unsere arabischen Gäste bevorzugen großzügige Suiten mit Verbindungstüren, damit die Familien unter sich bleiben können", sagt Sören Huber, Verkaufsleiter im Bayerischen Hof mit Schwerpunkt Asien.

Zwei Mal im Jahr fliegt er in den Mittleren Osten, um persönliche Kontakte zu knüpfen, denn wichtiger als jede Tourismuswerbung seien persönliche Empfehlungen. Bei der großen Reisemesse in Dubai trifft er regelmäßig seine Kollegen der Münchner Konkurrenz - auch Hotelketten wie Sheraton, Dorint, Hilton oder Kempinski wissen, was ihre arabischen Kunden wert sind.

Sicherheit, Ruhe und hoher Standard

Auch die anderen Spitzenhotels profitieren von der sommerlichen Reisewelle aus den Golfstaaten. "Es ist ein tolles Geschäft, das die ganze Stadt belebt", sagt Michael Ziemer, Generaldirektor im Mandarin Oriental. Der Australier mit dem deutschen Namen, der drei Jahre lang in Saudi-Arabien arbeitete, hält München für ein ideales Reiseziel gerade für hochrangige Besucher aus dem Mittleren Osten. "Die wollen vor allem Sicherheit, Ruhe und einen hohen Standard, den sie von ihren Palästen gewohnt sind."

Insbesondere nach den Terroranschlägen von London sei München für vermögende Araber noch attraktiver geworden, bestätigt Stephan Interthal, Direktor im Kempinski Vier Jahreszeiten. "Wir haben ohnehin im August viele Stammgäste aus dem Mittleren Osten, die sich in der Maximilianstraße wohl fühlen und oft wochenlang bei uns bleiben."

Zelt-Landschaft in Hotelräumen

Wenn es Mitgliedern von Fürstenfamilien in einem europäischen Hotel gut gefällt, spricht sich das in ihrer Heimat meist schnell herum - und dann kann es passieren, dass gleich am nächsten Tag ein weiterer Privatjet am Münchner Flughafen landet. Die Verbindungen sind ohnehin günstig, seit einigen Monaten fliegt etwa die Fluggesellschaft Emirates zwei Mal am Tag nonstop von München nach Dubai und zurück.

Von den Hotels erwarten die Gäste ein Fünf-Sterne-Niveau mit ganz besonderen Dienstleistungen: Exzellente Einkaufsmöglichkeiten mit Warenlieferung, gute Kontakte zu den wichtigsten Kliniken, Limousinen-Service, Schwimmbadzeiten nur für Frauen, spezielle Menüs und Roomservice-Karten in der Landessprache zählen zum Standard.

Im Bayerischen Hof gibt es nicht zufällig in jedem Zimmer auch eine Playstation - arabische Kinder sind verrückt nach Computerspielen. Und in den beiden Hilton-Hotels, wo in den Sommermonaten bis zu einem Viertel der Zimmer mit Gästen aus der Golfregion belegt sind, haben die Manager orientalische Sisha-Zelte aufgebaut, mit viel Folklore, arabischen Spezialitäten und Wasserpfeifen. Zum Essen bleiben die Gäste eben am liebsten im Hotel.

Orientalische Kaufkraft

Auch die Stadt hat erkannt, dass arabische Touristen nicht nur ein wenig orientalischen Glanz nach München bringen, sondern vor allem Kaufkraft. Ein Jahr vor der Fußball-WM, für die Saudi-Arabien bereits qualifiziert ist, hat das Tourismusamt eine eigene Mitarbeiterin in Dubai angestellt: Sonal Kapoor, eine erfahrene Tourismusmanagerin, kümmert sich künftig um das München-Marketing in den Golfstaaten.

Seit einigen Tagen besucht sie zum ersten Mal die Stadt, die sie bei einflussreichen Medien und Reisebüros anpreisen soll. "München hat noch Wachstumspotenzial, nicht nur im Luxussegment.

Alle arabischen Touristen sind wahre shopperholics", sagt Frau Kapoor, die ohne Kopftuch die Sehenswürdigkeiten besucht - den Englischen Garten, die Residenz oder das Fröttmaninger Fußballstadion. "Für Menschen aus den Golfstaaten, wo im Sommer eine unerträglich feuchte Hitze herrscht, ist es schon einmalig, eine so grüne Stadt zu erleben."

Königsfamilie auf Tour

Eid Hafez hat sich auf Touristen aus Katar, Kuweit, Bahrain, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten spezialisiert, ein gutes Geschäft. Der 43-jährige Ägypter kann sich in diesen Wochen über zu viel Freizeit nicht beklagen: Gerade begleitet er eine Königsfamilie aus einem ölreichen Wüstenreich auf ihrer Limousinen-Tour durch Bayern. Schließlich wollen die Besucher nicht nur die örtlichen Versace- und Louis-Vuitton-Filialen kennen lernen, sondern auch die kulturellen Sehenswürdigkeiten.

"München bietet alles, was sich Araber erträumen", schwärmt Hafez, der die Vorzüge des Freistaats in den leuchtendsten Farben schildern kann. Regelmäßig begleitet er seine erlesenen Kunden samt ihrer Entourage aus Dienern und Leibwächtern zu den Schlössern des Märchenkönigs Ludwigs, an die Gestade des Chiemsees oder bis auf den Gipfel der Zugspitze, "damit die Kinder zum ersten Mal Schnee anfassen können".

Bayern - ein Märchen aus 1001 Nacht. Dass er sich als einziger arabischer Fremdenführer mit seinen Besuchern nicht in die Touristenschlangen am Eingang von Neuschwanstein einreihen muss, versteht sich von selbst: "Araber sind manchmal etwas ungeduldig, deshalb gibt es für uns keine Wartezeiten."

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Quelle:
SZ vom 19.8.2005
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