Poesie in Weßling:Wenn Sterne singen

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Unermüdlich für die Lyrik unterwegs: der Dichter und Verleger Anton G. Leitner mit seiner Jahresschrift "Das Gedicht". (Foto: Michele Kirner)

Ein lyrisches Manifest der Hoffnung wollte Anton G. Leitner mit der 29. Ausgabe der Jahresanthologie "Das Gedicht" schaffen. Das ist ihm durchaus geglückt.

Von Sabine Reithmaier, Weßling

Eigentlich hatte sich Anton G. Leitner ganz fest vorgenommen, in der jüngsten Ausgabe seiner Jahresanthologie "Das Gedicht" Corona an keiner Stelle zu thematisieren. Aber wie das eben so ist mit einem Vorsatz: So ganz erfüllt hat ihn der Weßlinger Verleger und Poet nicht. Das liegt natürlich auch an manchen der 150 Dichter und Dichterinnen, in deren Werk die Pandemie, aber auch andere Katastrophen Spuren hinterlassen haben. Trotzdem ist das neue Poesiemagazin das von Leitner ersehnte "lyrische Manifest der Hoffnung" geworden.

Wie im Vorjahr agiert er auch bei dieser Ausgabe als alleiniger Herausgeber, während er in der Vor-Seuchenzeit das Magazin immer mit einem Co-Autor gestaltete. Nur um die Kinderlyrik hat sich auch dieses Mal in bewährter Manier Uwe-Michael Gutschhahn gekümmert. Das Titelbild der 29. Ausgabe entstammt einem Video, das Leitner aufnahm, als er nach einem siebenstündigen Stau um vier Uhr früh durch den Allacher Tunnel fuhr, aus der Dunkelheit dem Licht entgegen. "Vielleicht wird es dann hell. / Gegen Blendungen bin ich immun", liefert Dagmar Nick die poetischen Zeilen dazu.

Gegliedert ist das Periodikum in sechs Kapitel, das letzte ist den Kindern vorbehalten. Einfach ist es in diesen Zeiten nicht, ein Gedicht über Hoffnung zu schreiben. Wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Gerhard Rühms Protagonisten im Gedicht "im hof", einem alten Mann, fehlt schlicht das zweite "f". "so sass er da / und starrte ratlos in den leeren hof / ohne ein weiteres 'f' zu inden / kein 'f' log ihm zu / ein gedicht über das schöne thema zu schreiben". Hoffnung genügt übrigens auch nicht, um ins Paradies zu gelangen. Erst sind Hindernisse zu überwinden, weiß Daniel Graziadei. "Die Krokodile / liegen hinter uns / und überlebt haben / weit weniger als gedacht obwohl alle / voll der Hoffnung waren und alle / der festen Überzeugung / dass es die andern treffen würde / nur nicht uns allerselbst."

Bernhard Setzwein besingt den Giesinger Grünspitz

Die Zuversicht wächst im zweiten Kapitel "Hier leuchtet der Klee". Erholung von Melancholie und Depression suchen die Poeten, wie es diese Zeile aus einem Gedicht von Xóchil A. Schütz andeutet, gern in der Natur oder, wie Rainer Wedler, im eigenen Garten. "keine Säge / keine Spitzhacke / kein Gärtner // mein Garten altert mit mir ..." Gehen und Laufen beruhigen ebenfalls. "Spaziergänge mildern / die Last der Gedanken // und das Temperament / der kleinen Zehen", schreibt Andreas Wieland-Freund.

"Fink positive" ist im dritten Kapitel angesagt. Ein anderes Leben muss möglich sein, glaubt jedenfalls der von Bernhard Setzwein besungene Giesinger Grünspitz zwischen Martin-Luther- und Tegernseer Landstraße. Er will sich verändern, will weg von den "betrunkenen sechzger-fans", weshalb er sich " um die stelle eines einsamen fischteiches / irgendwo weit droben / im österreichischen Waldviertel..." bewirbt. Michael Augustin hat für Arbeitssuchende einen Tipp parat. "Versuchen Sie's / doch mal / als Hoffnungsträger. // Die werden grad wieder / händeringend gesucht." Und Helmut Krausser besingt die Zeit nach dem Tod. "So wir einmal Geister wären / und flatterflögen durch die Nacht, / berührten wir einander sacht / im Flug, in surrealen Sphären."

Matthias Politycki empfiehlt zum Wehmut-Genießen den Ohrensessel

Die Autoren bieten keine endgültigen Antworten. Sie stellen Fragen, formulieren Sorgen, entwerfen Bilder und Perspektiven. In den Kapiteln "Wir gegen das Nichts" (Ludwig Steinherr) und "Die Sterne singen" ( Fitzgerald Kusz) erfährt man viel über Krisenbewältigungsstrategien. Friedrich Ani rettet sich mit zwei Gedichten von Franz Dobler und Bob Dylans "Hard Rain" aus dem Elend "eines vollkommenen aus dem schotter geschlitterten tages". Matthias Politycki empfiehlt zum Wehmut-Genießen den Ohrensessel, "damit du was hast, an das du dich dabei anlehnen kannst".

Viel gibt es zu lesen, manches zu bedenken, oft schmunzelt man. Und dank Frank Klötgen versteht man endlich auch die Dreisatzrechnung. "Die Idylle vor der Türe, / Knüllesein vom neunten Biere, / Sattgeküsst im Sonnenschein ...// Ja, manchmal kann es einfach sein!"

Anton G. Leitner (Hrsg.): Hoffnung & Aufbruch. Das Gedicht, Band 29, Leitner-Verlag Weßling, 192 Seiten, Preis: 17 Euro

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